Einfach mal zuhören

Über den Versuch mit Internetusern über Feminismus zu sprechen

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Feminismus ist, so scheint es bisweilen, ein Schimpfwort in nerdigen Kreisen. Eine Kapitulation vor dem Projekt der Emanzipation, gar der Versuch einer Revision der Gerechtigkeit. Trifft man im analogen Leben selten auf bekennende Anti-Feministen, scheint das Internet voll von diesen zu sein. Alleine der Begriff Feminismus - in welchem Kontext auch immer - provoziert ein gutes Drittel der sichtbaren Kommentatoren zu einer verbalen Welle des Hasses. Der Begriff "Femi-Nazis" fasst die Ablehnung gegen den Feminismus (im Netz) wohl eindeutig zusammen. Auch in den Kommentaren dieses Mediums wimmelt es nur allzu oft von pauschaler Ablehnung gegen den Feminismus - eine Partei, die sich zu gewissen Teilen aus eben diesem Forum rekrutiert, verspricht also ähnliche Probleme.

Und in der Tat ist eine sachliche Diskussion über Feminismus und die Themen des Feminismus kaum möglich - ja, wird sie schon im ersten Schritt an dem semantischen Bias des Begriffes abgelehnt. Außerdem wird ein feministischer Diskurs grundsätzlich als ideologisch und nicht faktenorientiert empfunden. Und so bleibt letztlich nur die Frage: Warum? Woher kommen diese Emotionen? Was lässt emanzipatorisch gesinnte Menschen eine Emanzipationsbewegung so ablehnen? So undifferenziert betrachten? Wieso können die Themen und Kritikansätze des Feminismus nicht in der Sache bewertet werden? Und zuletzt: Ist es eine Ablehnung gegen den Begriff Feminismus oder gegen die Inhalte?

Equalismus als Versöhnung zwischen den emanzipatorischen Kräften?

Unter diesem Eindruck rief ich im Rahmen der Open Mind 2011 in Kassel zu einem Barcamp-Workshop mit dem Titel "Equalismus" auf. Equalismus? Nun, bereits im Vorfeld hatte ich von vielen Seiten die grundsätzliche Ablehnung gegen den Begriff Feminismus zu hören bekommen. Er sei klar auf die Frauen bezogen, schließe Männer per se aus, verhindere echte Gleichberechtigung und sei einfach ein Ausdruck für eine alte, analoge Welt. Und so begann ich zu grübeln: Könnte ein Relabeln der entscheidende Hack sein, um die emanzipatorischen Ideen der Internetgemeinde und des Feminismus zu verbinden?

Und so entstand der Begriff Equalismus, also der Kampf für die Emanzipation und Entdiskriminierung des Einzelnen bei Beibehaltung aller individuellen Merkmale, die sich mensch selber zuschreiben möchte. (Übrigens: Während der Begriff bei den Kritikern des Feminismus auf Anklang stößt, löst er bei den meisten FeministInnen Abwehrreaktionen hervor.) Das Barcamp sollte die erste Feuerprobe werden. Doch zur Definition und Ausarbeitung des Equalismus kam es in den angesetzten 90 Minuten nicht, denn zunächst wurde umfassend eruiert, was den durchschnittlichen Nerd bzw. die durchschnittliche Nerdette am Feminismus abstößt.

Die Erwartungen meinerseits waren grundsätzlich gering, wusste ich doch, dass der Wissenstand der Anwesenden fundamental auseinanderklaffen würde, die akademische Feministin neben dem bei Feminismus hoch emotionalen Supernerd; der gestandene Feminist neben der uninformierten Technikfrau. Und ganz genau so zeichnete sich auch die Ausgangslage in dem völlig überfüllten Raum. Und die Diskussion, eine Premiere in der Piratenpartei, spielte sich entsprechend auf diesem Niveau ab.

Zunächst wurde allgemein diskutiert: über die Repräsentation der Bevölkerung auf einer Kandidatenliste für Parlamente, über die Notwendigkeit nicht nur mehr Frauen, sondern auch Migranten und andere gesellschaftliche Gruppen in der Politik besser sichtbar zu machen. Einigkeit, soweit man dies bei der Konzentration der Diskussion auf einen Teil der Anwesenden überhaupt sagen kann, bestand darüber hinaus auch in der Statusanalyse: Wir haben ein Sexismusproblem. Also generell, in der Gesellschaft. Und Einigkeit herrschte auch darüber, dass wir dieses Problem beheben müssen.

Dass Sexismus als Begriff noch nicht ganz verstanden wurde, zeigte jedoch die anschließende Diskussion. Und die Tatsache, dass die Anwesenden nur bedingt wahrnahmen, dass sie selbst auch Teil dieses Sexismusproblems sind. Aber gut, das ist dann schon Schritt zwei.

Feminismuskritik als Abwehrhaltung gegen die eigenen Erfahrungen

Denn in erster Linie ging es in dem Workshop um das Lokalisieren der Ablehnung "des Feminismus" (und ja, als Feministin erscheint es absurd, diese Frage überhaupt zu stellen!) - und die Antworten waren nicht überraschend für mich, dabei jedoch entlarvend und für den Diskurs durchaus fruchtbar.

So wurde der Feminismus auf die Frauenquote reduziert, gegen die mit großer Verve und Zitaten aus EuGh-Urteilen argumentiert wurde. Eine Frau betonte, dass sie stets aufgefordert wurde, sich mit Frauenthemen zu beschäftigen - außer bei der Piratenpartei. Auf Hinweis, dass ein wesentliches Thema des Feminismus Identitäten und freie Wahl dieser ist und sie unter Strukturen leide, die der Feminismus angreife, reagierte sie zunächst irritiert. Es folgte der artikulierte Frust einer bekannten Feministin, die sich kaum mehr missverstanden fühlen konnte. Und seit langer Zeit wider die Windmühlen in Piratenpartei für den Feminismus kämpft. Dass sie noch da ist, liegt in erster Linie wohl daran, dass sie das feministische Potential in der Partei immer noch sieht.

Berechtigt, betrachtet man das Grundsatzprogramm. Und da findet sich auch der erste Hinweis für die Vermutung, dass es bei der Ablehnung des Feminismus nicht um inhaltliche, sondern eine emotionale handelt. Und so geht es ans Eingemachte. Die Teilnehmer berichteten von ihrem Dasein als frauenferne Nerds, von den Demütigungen in der Pubertät und der gefühlten Ohnmacht gegenüber Frauen. Es wird deutlich: Mit der Behauptung Frauen seien strukturell benachteiligt wird die eigene Erfahrung konterkariert, der Schmerz, die Demütigung scheinbar negiert.

Privilegienpenis? Pah! Ausgestoßen und in ewiger Suche nach der Traumfrau und Anschluss, Anerkennung, blieb vom Gefühl einer privilegierten Stellung nicht viel übrig. Der Vorwurf der Frauenfeindlichkeit reproduziert auf schmerzhafte Art die eigene Unfähigkeit, mit Frauen so umzugehen, dass sie einen nicht mit dem Prädikat "nett" abbügeln.

Selbsthilfegruppe als politisches Forum

Und so wurde der Workshop ein Lehrstück über das Problem des Feminismus: Kaum einer weiß, worum es wirklich geht, aber fast jeder fühlt sich angegriffen oder gar beleidigt! Die Themen des Feminismus betreffen die Realität und die Lebenswirklichkeit so stark, gehen so an die Wurzel des Einzelnen, dass sie reflexartig abgewehrt werden. Über Krieg in einem fernen Land zu reden tut weniger weh als die eigenen Unzulänglichkeiten im Alltag und der Sexualität zu reflektieren. Aber genau das taten wir, wenn auch nur oberflächlich.

So twitterte Mspro: "Grandios! Laprintemps legt antifeministischen reflexe der #piraten auf die couch. es öffnen sich psychobiographische abgründe."

Und ja, in etwa so spielte sich das ab. Wie kleine Kinder stampften sie auf den Boden oder reflektierten in erstaunlicher Offenheit über die Wunden, die zu Beißreflexen gegenüber dem Feminismus führen. Und ja, wir konnten uns einigen, dass wir daran arbeiten müssen. Auch wenn das nicht jeder sofort umzusetzen vermag. Wir haben jetzt erstmal den Bohrer eingesteckt. Die Bretterauswahl folgt.

Julia Schramm, 26, ist Politologin, Mitglied der Piratenpartei und Feministin. Sie schreibt an einer Doktorarbeit, einem Buch und bloggt auf www.juliaschramm.de.

Der Artikel ist unter der Creative Commons - Namensnennung 3.0 (cc-by 3.0) veröffentlicht.