Einigung über Minimalregelungen für den internationalen Handel mit genetisch veränderten Organismen

In Toronto wurde ein Kompromiss erzielt, der wahrscheinlich weitere Konflikte in sich birgt

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Nach langen Verhandlungen wurde auf der Konferenz über ein weltweites Regelwerk zum Schutz der biologischen Vielfalt, die vom 24.-28. Januar in Toronto stattfand, spät in der Nacht doch noch in letzter Minute eine Einigung über das Biosafety-Protokoll erzielt, um den Handel mit genetisch veränderten Organismen (LMOs) zu regeln. Unter das Abkommen fallen neben Gen-Lebensmitteln auch Samen, Futtermittel für Tiere, Medikamente sowie genveränderte Pflanzen, Tiere oder Mikroorganismen. Während der letzten Konferenz scheiterte das Abkommen am Widerstand der sogenannten Miami-Gruppe, der neben den USA und Kanada auch Argentinien, Australien, Chile und Uruguay angehören. Doch das jetzt erzielte Abkommen enthält nicht mehr die Auflage, dass Lebensmittel, in denen sich Bestandteile von LMOs befinden, gekennzeichnet werden müssen, und hat auch weitere "Löcher", die zu neuen Auseinandersetzungen führen werden.

Ganz offensichtlich ist die Ausklammerung von bestimmten Auflagen, die von allen teilnehmenden Ländern gewünscht worden waren, die Kompromissformel gewesen, um die Miami-Gruppe und vor allem die USA, Hauptexporteur und -produzent genetisch veränderter Nahrungsbestandteile, mit ins Boot zu ziehen. Die USA hingegen könnten durch den wachsenden Widerstand gegenüber der Globalisierung und den internationalen Handelsabkommen, wie er bei der WTO-Konferenz in Seattle auch im eigenen Land laut wurde, dazu gedrängt worden sein, das Protokoll nicht platzen zu lassen, um nicht wieder als Buhmann dazustehen (Internationales Abkommen über den Handel mit genetisch veränderten Organismen gescheitert). Auch in Davos fanden heute Proteste gegen die Globalisierung und den Freihandel statt, während der amerikanische Präsident Bill Clinton seine Rede hielt, in der er versuchte, die Bedenken der Kritiker zu entkräften und für eine Weiterführung der WTO-Verhandlungen zu plädieren. Offene Märkte und freier Handel seien die besten Möglichkeiten, allen Menschen zu helfen, doch die Industrieländer müssten die Entwicklungsländer stärker unterstützen. Clinton versprach, bei weiteren Verhandlungen mehr Flexibilität zu zeigen, wenn dies auch die anderen Länder machen würden. Vielleicht ist der Kompromiss beim Biosafety-Abkommen ein erster Schritt dahin gewesen.

Das Abkommen hat vornehmlich den Zweck, die natürliche Umwelt vor den möglicherweise unvorhersehbaren Folgen zu schützen, die mit dem Anbau von genetisch veränderten Nutzpflanzen und der Einfuhr von anderen Organismen einhergehen könnten. Besonders den Entwicklungsländern sollte damit die Möglichkeit eingeräumt werden, sich durch Minimalregelungen vor dem ökonomischen Druck zu schützen, da sie mit ihren begrenzten Mitteln nicht in der Lage sind, die Risiken bei der Einführung von LMOs zu beurteilen. Zudem weiß man, wie es in der Einleitung des Abkommens heißt, noch immer zu wenig über die "Interaktion zwischen LMOs, die aus der Biotechnologie stammen, und der Umwelt, wenn man die relativ kurze Zeit berücksichtigt, in der man Erfahrungen mit Freilandversuchen solcher Organismen machen konnte, die relativ geringe Zahl von Arten und Eigenschaften und die fehlende Erkenntnis über die Auswirkungen in der Umwelt, besonders in den Zentren der biologischen Vielfalt."

Auch wenn die USA kein offizieller Verhandlungspartner für das UN-Abkommen sind, weil die US-Regierung noch nicht einmal das Abkommen über den Schutz der biologischen Vielfalt unterzeichnet hat, wäre ohne ihre Zustimmung das Biosafety-Protokoll nutzlos gewesen. Das mag auch dazu beigetragen haben, dass die EU von der ursprünglichen Forderung nach einer Kennzeichnungspflicht von Gen-Lebensmitteln abgerückt ist, um zumindest die anderen Forderungen der USA nach Veränderungen und Aufweichung des Protokolls abwehren zu können. Lediglich Importe von Rohprodukten wie Weizen oder Sojabohnen sollen jetzt die allgemeine Aufschrift erhalten, dass in ihnen genetisch veränderte Organismen enthalten können, ohne dass Informationen etwa über die Pflanzensorten mitgeliefert werden müssen. Getrennt geliefert werden müssen die Erzeugnisse von genetisch veränderten Pflanzen auch nicht. Die Delegationen der USA und von Kanada hatten behauptet, dass eine Trennung sowie eine genaue Kennzeichnung nicht durchführbar seien, was schlicht heißt, dass niemand genau wissen soll, was er wirklich importiert. Keine Einigung wurde über die Kennzeichnung von Lebensmitteln erzielt, die Bestandteile von genetisch veränderten Pflanzen enthalten, was die EU ursprünglich gefordert hat. Immerhin wurde erreicht, dass zwei Jahre nach Inkrafttreten des Abkommens weitere Verhandlungen über genauere Kennzeichnungspflichten beginnen müssen.

Die USA, die unter dem Druck ihrer starken Biotechnikbranche gegen jedes Handelshemmnis kämpfen, wollten das Biosafety-Protokoll den internationalen Handelsabkommen der WTO unterordnen und so verhindern, dass Staaten das Recht haben, aus Sicherheitsbedenken (precautionary principle) die Einfuhr von LMOs zu verhindern. Damit hätte natürlich ein Abkommen zum Umweltschutz keine Bedeutung mehr. Vielleicht um die Position der USA zu verstärken, hatte Bill Clinton vor dem Beginn der Verhandlungen den Januar 2000 zum National Biotechnology Month ausgerufen. Unterstützt wurde die Förderung der Biotechnologie und die Schaffung freier Märkte für diese auch durch eine Petition von Genwissenschaftlern, die für die Biotechnologie wirbt, weil Gentechnik nicht gefährlicher als herkömmliche Zuchtmethoden seien und überdies umweltfreundliche Produkte herstellen würden, die zum Erhalt der Artenvielfalt beitragen.

Immerhin haben Staaten jetzt das Recht, wenn das Protokoll in Kraft tritt, den Import von LMOs zu beschränken, wenn es "auf der Grundlage fundierter wissenschaftlicher Erkenntnisse" Bedenken gibt, dass sie sich negativ auf die Gesundheit der Menschen oder auf die Umwelt auswirken könnten. Das Protokoll wird anderen Handelsabkommen nicht untergeordnet, und es gibt die Pflicht, den importierenden Staaten bestimmte Informationen über die LMOs vor der Einfuhr mitzuteilen, so dass diese in einer vorgeschriebenen Frist über eine Einfuhrgenehmigung oder ein Importverbot entscheiden können. Allerdings dürfen keine Unterschiede zwischen heimisch hergestellten und importierten LMOs gemacht werden. Keine Informationspflicht und keine Einfuhrgenehmigung sind für genetisch veränderte Produkte erforderlich, die weiterverarbeitet werden oder in Lebensmitteln enthalten sind, da diese nicht in die Umwelt gelangen und daher diese nicht gefährden würden. Das war einer der wichtigsten Streitpunkte, bei dem sich wiederum die USA durchgesetzt hatten.

Auch wenn das Protokoll nicht alle Erwartungen erfüllt, so beglückwünschte Greenpeace die 50 Umweltminister und 130 Regierungsdelegationen, dass sie zu einer Einigung gefunden haben: "Das ist ein historischer Schritt auf dem Weg zum Schutz der Umwelt und der Verbraucher vor genetisch veränderten Organismen", sagte Benedikt Härlin von Greenpeace. Das Abkommen sei aber nur eine Grundlage für weitergehende Maßnahmen. Kritisiert wird der Erfolg der Miami-Gruppe, die Kennzeichnungspflicht für Lebensmittel verhindert zu haben: "Das ist ein heimtückischer Versuch, die Verbraucher und Importländer zu täuschen ... Wir sind sicher, dass die Verbraucher letztendlich diesen Kampf gewinnen werden." Auch der Leiter der Konferenz, der kolumbianische Umweltminister Juan Mayr, bezeichnete die Annahme des Protokolls als "Sieg für die Umwelt", fügte aber ebenfalls hinzu: "Aber vergessen Sie nicht, dass dies nur der Anfang ist. Vor uns liegt noch immer eine große Aufgabe."