Einst herrschte dicke Luft am Mond

Der Mond als Zeuge irdischer Vergangenheit

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Über die Entstehung des Magnetfeldes der Erde wird bis heute viel spekuliert. Wahrscheinlich wird es von bewegten elektrischen Ladungen im Erdinneren erzeugt. Unklar ist auch, wann sich der magnetische Schutzschild in der frühen Entwicklungsgeschichte des Blauen Planeten bildete. Ein internationales Team von Wissenschaftlern hat jetzt Gesteinsproben vom Mond erneut untersucht und ist überzeugt, dass ihre Zusammensetzung durch Material von der Erde geprägt ist. Ihrer Meinung nach hat die Erdatmosphäre in der Zeitspanne vor der Ausbildung des geomagnetischen Feldes kontinuierlich Gas an den Mond abgegeben.

Der Mond, der einzige natürliche Satellit der Erde, fasziniert die Menschen. Er erscheint nachts hellleuchtend am Himmel und ist dafür verantwortlich, wenn sich die Sonne am Tag bei einer Finsternis verdunkelt. Seine Anziehungskraft lässt nicht nur die Ozeane im Wechsel von Ebbe und Flut schwappen, wahrscheinlich hätte es ohne ihn keine Entwicklung von Leben auf der Erde gegeben (Was wäre, wenn der Mond nicht wär? und Fast tidal cycling and the origin of life).

Der Mond (Bild: Uni Kiel)

Künftige bemannte Missionen zum Mond und die Planung von Mondstationen sind wieder mächtig in Mode (Sowjetunion plante militärische Kommandozentrale auf dem Mond). Die Zeitung Orlando Sentinel aus Florida berichtete gerade ausführlich über die konkreten Pläne der NASA, den Mond erneut zu erobern, um von dort aus in Richtung Mars zu starten (NASA outlines plans for moon and Mars). Wer hundert Millionen US-Dollar übrig hat, kann auch schon eine Mondumrundung bei den Russen buchen (Fly Me To The Moon), für sehr viel weniger ist bereits ein hübsches Grundstück in bester Lage auf unserem Trabanten zu haben (Die Sonnenseite des Mondes).

Die Entstehung des Mondes

Früher gingen die Astronomen davon aus, dass die Erde durch ihre Schwerkraft einen Planetoiden eingefangen und in eine Umlaufbahn gezwungen hat. Heute ist die Mehrheit der Forscher davon überzeugt, dass der Mond sich nicht zusammen mit der Erde aus der protoplanetaren Scheibe bildete (Kosmische Scheiben: Brutstätten der Planeten), sondern vor 4,53 Milliarden Jahren, als ein Kleinplanet mit der Erde zusammenstieß.

Mindestens zur Hälfte besteht unser natürlicher Satellit aus Material von der Erde. Nach neuen Erkenntnissen formte sich das Sonnensystem aus einem solaren Nebel, der Löwenanteil (ungefähr 99 Prozent) des Materials rotierte im Zentrum und formte sich zur Sonne, auf Bahnen darum herum klumpten sich die Planeten zusammen. 30 Millionen Jahre später war die Erde schon fast so groß wie heute und besaß bereits ihren eisenreichen Metallkern und einen siliziumreichen Mantel.

Zu diesem Zeitpunkt raste ein anderer Planet, der in etwa die Größe des Mars hatte, heran und es kam zu einer gigantischen Kollision. Der kleinere Planet wurde dabei zerstört, ein Teil des Mantels der Erde weggesprengt. (Let the moon shine in). Als Folge des Crashs tummelte sich im Orbit eine Masse von Trümmern, die weniger Eisen enthielten als die Erde, weil ihr eisenreicher Kern verschont geblieben war. Aus diesem Weltraum-Schutt formte sich der Mond.

Erdatmosphäre, Magnetfeld und Mondoberfläche

Zu diesem Zeitpunkt verfügte die Erde noch nicht über ihr schützendes Magnetfeld. Heute hält es die kosmische Strahlung und den Sonnenwind davon ab, auf die Erdoberfläche einzuprasseln (Woher der Sonnenwind bläst).

Wann genau das magnetische Erdfeld entstand, wird unter den Forschern noch heiß diskutiert. Verantwortlich dafür ist ein terrestrischer Geodynamo, der immer noch nicht vollständig verstanden ist. Die Geophysiker gehen davon aus, dass das Erdinnere wie ein überdimensionaler natürlicher Generator funktioniert. Das bedeutet, die Interaktion der Flüssigkeitsströme im äußeren, flüssigen metallischen Kern, dem Mantel und die Erddrehung sorgen durch mechanische Energie für die Erzeugung des Magnetfeldes. Dieser Schutzschild ist nicht in sich gleichförmig und seine Polarität ändert sich ungefähr alle 500.000 Jahre – ein Prozess, der gerade wieder ansteht (Umpolung im nächsten Jahrtausend).

Ob der Mond je ein Magnetfeld hatte, ist umstritten. Wenn überhaupt bestand es nur vorübergehend vor etwa 3,9 bis 3,6 Milliarden Jahren (Magnetfeld des Mondes).

Im Wissenschaftsmagazin Nature berichten jetzt Minoru M. Ozima von der University of Tokyo und Kollegen aus Japan, der Schweiz und den USA über ihre neuen Analysen von lunaren Bodenproben, die von den Apollo-Missionen zur Erde gebracht wurden (Heute vor 30 Jahren verließ der letzte Mensch den Mond). Sie interpretierten die vorliegenden geochemischen Daten neu und kamen zu dem Schluss, dass Ionen aus der oberen Erdatmosphäre davon segelten und auf dem Mond landeten, bevor sich das irdische Magnetfeld etablierte. Die Mondoberfläche wurde sozusagen mit irdischem Material imprägniert. Alles vermischte sich mit einprasselnden Ionen aus dem Sonnenwind und versickerte in den Boden.

Die Forschergruppe stützt sich dabei vor allem auf die Stickstoff-Werte (N). Schon länger waren sich die Planetenforscher einig, dass die Häufigkeit der Isotopen des Typs 14 und 15 eine Verunreinigung von Außen vermuten lässt. Der natürliche Stickstoff besteht aus zwei stabilen Isotopen dieses Elements: Die Atomkerne des einen enthalten 14, die des etwas schwereren 15 Neutronen; die chemische Kurzbezeichnung lautet 14N beziehungsweise 15N.

Ozima und Kollegen sind überzeugt, dass sich diese Isotopen und einige flüchtige Edelgase, die sich ebenfalls fanden, in der frühen Luft rund um die Erde bildeten und von da entfleuchten, weil kein Magnetfeld sie festhielt. Sie wurden vom Mond eingefangen und verblieben auf seiner Oberfläche. Das müsste in der Frühzeit nach der Bildung des Erdtrabanten geschehen sein. Die Zusammensetzung des Bodens des Mondes resultiert also nach Meinung der Wissenschaftler aus Uratmosphäre der Erde und solarem Gas.

Eine neue Hypothese, die durch weitere Untersuchungen und Mondmissionen bestätigt oder klar verworfen werden kann. Wenn sie stimmt, müssten Bodenproben von der erdabgewandten Seite des Mondes das zweifelsfrei verifizieren können. In seinem begleitenden News & Views-Artikel in Nature zeigt sich Bernard Marty vom Centre de Recherches Pétrographiques et Géochimiques in Nancy nicht restlos überzeugt, aber von der provokanten Interpretation durchaus fasziniert. Er kommt zu dem Fazit:

Wir müssen abwarten und weiter forschen. Aber wenn die Hypothese sich als korrekt herausstellt, öffnet sie der Forschung neue Zugänge zur Geschichte des Erdmagnetfeldes und der möglichen Verbindungen mit der Evolution der Lebens und der Umweltbedingungen auf der frühen Erde.