Energiegewinnung durch Kernfusion in Sicht?

In einem Metallbehälter, der als Hohlraum fungiert, wurde das kugelförmige Gemisch aus den Wasserstoff-Isotopen Deuterium und Tritium von Lasern bestrahlt. Bild: Eduard Dewald/LLNL

Erstmals soll es mit Kernfusion gelungen sein, mehr Energie zu erzeugen, als hineingesteckt wurde. Aber es wurde getrickst

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Forschern in den USA soll es erstmals gelungen sein, eine Kernfusion herbeizuführen, bei der es eine positive Energiebilanz gegeben haben soll. Das wird in der aktuellen Ausgabe der britischen Fachzeitschrift "Nature" berichtet. Damit soll erstmals grundsätzlich bewiesen worden sein, dass sich die Kernfusion tatsächlich zur Stromerzeugung eignet.

Forscher des staatlichen US-Labors National Ignition Facility (NIF) sollen es nach eigenen Angaben in einer Halle mitten in den Weinbergen Kaliforniens sogar in zwei Fällen geschafft haben, Kernfusionen herbeizuführen, bei der mehr Energie freigesetzt wird, als in den Prozess hineingesteckt worden sei.

Die Wiederholbarkeit würde bedeuten, dass man einen - wenn auch nur einen winzigen - Schritt weiter gekommen sein könnte. Denn schon 1989 wurde einmal von einer "Sensation" gesprochen, doch die hatte das Problem, dass sie sich nicht wiederholen ließ, weshalb später vom "größten Fiasko der Physik" gesprochen wurde. Bei den NIF-Forschern sollen die Versuche im September und November des vergangenen Jahres aber erfolgreich verlaufen sein.

Klar ist, dass man von der Nutzung einer unerschöpflichen Energie noch immer sehr weit entfernt ist. In Kalifornien scheint es nun aber gelungen zu sein, mit fast 200 Hochleistungslasern Wasserstoffisotopen so stark zu erhitzen, dass Atomkerne verschmelzen und damit wie in der Sonne Energie frei wird. Allerdings gelang es nur, den Vorgang weniger als eine Milliardstel Sekunde aufrechtzuerhalten. Herausgekommen sein soll dabei ein Energieüberschuss, der in etwa dem von zwei AA-Batterien (höchstens 17.000 Joule) entsprechen soll. Das wirklich große Problem ist, wie man die Fusion in Gang halten kann. Dieses Ziel sollte in der Forschungsanlage Kaliforniens, in die schon mehr als fünf Milliarden US-Dollar geflossen sind, schon 2012 erreicht werden. Weil das nicht gelungen war, stand die Anlage aufgrund der Misserfolge damals schon kurz vor dem Aus.

Laseranlage des NIF. Bild: NIF

Bilanztrickserei

Tatsächlich ist aber auch der bisherige "Erfolg" mehr als zweifelhaft, weshalb Ulrich Schnabel in einem Gastkommentar für Die Zeit von einer "Bilanztrickserei" spricht. "Der jetzt gefeierte Energiegewinn von wenigen Kilojoule kommt nur zustande, wenn man lediglich die Bilanz zwischen der von den Atomen aufgenommenen und abgegebenen Energie betrachtet." Die tausendfach höhere Energie für die Laser selbst müsse geflissentlich ignoriert werden, um von der Energie für den Betrieb der gesamten Anlage nicht erst zu sprechen.

Tatsächlich wird von der Laserleistung von insgesamt 500 Billionen Watt nur etwa ein halbes Prozent in Laserlicht umgewandelt. Von der darin erhaltenen Energie gelangt nur ein Prozent in die Reaktionszone. Doch nur diese Energie setzen die Forscher in Bezug zu der, die durch die Kernfusion schließlich wieder freigesetzt wurde. In der "nationalen Zündungsanlage" ist man einer realen "Zündung" nur um den Faktor 10 nähergekommen. Jetzt schwebe das eigentliche Ziel der Zündung "nur" noch um einen Faktor 100 in der Ferne. Das gibt Omar Hurricane zu, der zu den 22 Wissenschaftlern gehört, die den Artikel verfasst haben.

Zielkammer, in dem das Material bestrahlt wird. Bild: NIF

Schnabel schüttelt nur den Kopf und staunt über "jene Energie, die Fusionsforscher und ihre Geldgeber immer von Neuem beseelt und wohl als einzige unerschöpflich ist: die Hoffnung". Denn nicht nur in den USA werden Milliarden in eine Technik investiert, von der seit 50 Jahren beständig behaupten wird, dass jeweils in 50 Jahren diese unerschöpfliche Energiequelle praxisreif sein werde, meinen die Kritiker ("Eigentümliche Dosis an Optimismus").

Auch in Europa wurden im südfranzösischen Cardarache längst viele Milliarden in den Versuchsreaktor ITER gesteckt. Wenn der Bau tatsächlich 2019 fertiggestellt wird, soll in dem NIF-Konkurrenzprojekt ein Plasma aus Wasserstoff-Isotopen über extrem starke Magnetfelder in der Schwebe gehalten werden. Denn sollte das heiße Plasma die Reaktorwände berühren, würde es sofort abkühlen und die Fusion unmöglich machen. Für das starke Erhitzen des Plasmas zur Fusion der Atomkerne und für die Magnetfelder wird extrem viel Strom benötigt: etwa 500 Megawatt für eine Zeitspanne von etwa 10 Sekunden, nur um den Reaktor anzufahren.