Erfolg in der Liebe

Nach den Tamagotchis kommt der Lovegety

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Es war ja abzusehen, daß die Tamagotchis in ihrem virtuellem Aquarium nicht lange Aufmerksamkeit gewinnen können, selbst wenn sie gegeneinander in Kampf treten. Warum sollte es virtuellen Haustieren bei Kindern besser ergehen als wirklichen? Am Anfang große Begeisterung, dann wird alles immer mehr zur Verpflichtung. Noch dazu isolieren die Tamagotchis in ihren winzigen Gehäusen die Kids voneinander. Jetzt werden zumindest die älteren Kids und womöglich auch die Erwachsenen von einer japanischen Firma mit dem deutschen Namen Erfolg durch ein kleines elektronisches Gerät namens Lovegety wieder zusammengeführt - nicht im Cyberspace, sondern an dem Ort, an dem sie sich gerade befinden: online, aber in körperlicher Präsenz. So können jetzt die erotischen Spiele aus dem Cyberspace vor Ort stattfinden, was das Abenteuer steigert.

"Männer wollen Frauen treffen, und Frauen wollen Männer treffen", sagt, wie Wired berichtet, Takeya Takafuji von Erfolg. "Das ist ein universelles Thema. Dieses Gerät läßt den ganzen Vorgang einfacher und weniger verwirrend werden."

Wer einen Kontakt mit dem anderen Geschlecht will, muß mühsam die Körpersprache des begehrten Menschen interpretieren und selber Zeichen aussenden: eine schwere Arbeit, für die man geschult sein muß. Der Kontaktwillige muß überdies irgendwie ins Gespräch mit dem anderen kommen - und alles erfordert eine feine Balance zwischen Nähe und nicht allzu schneller Überrumpelung. Das Spiel des Kontaktes und der Verführung ist eine Kunst. Regeln und Traditionen können es erleichtern, aber solche allgemeinen Zeremonien verschwinden immer mehr und tragen nicht mehr. Jeder muß seinen eigenen Stil finden oder ihn aus den angebotenen Vorbildern entnehmen und nachahmen. Das verlangt eine gewisse Kreativität und bringt Risiken mit sich. Abgelehnt oder blamiert wird man schnell. Und dummerweise kann man in den anderen noch nicht hineinschauen.

Um dem ein Ende zu machen, hat Erfolg im Februar dieses Jahres Lovegety herausgebracht. Sexuell korrekt gibt es das eiförmige Gerät, das bequem in eine Hand paßt, in zwei Ausgaben: ganz traditionell blau für die Jungen, rosa für das Mädchen, aber die Liebesindikatoren reagieren nur auf die jeweils andere Version, um offenbar gleichgeschlechtliche Anmache zu verhindern. Weil es nicht zuviel verrät, läßt es noch ein Stück des Geheimnisses übrig und erleichtert durch technisch bedingte Rituale die Zeremonie der Begegnung, für die soziale Regeln fehlen. Auf jeden Fall bietet Lovegety einen großen Vorteil: es schiebt sich zwischen die Menschen und vermittelt die Kontaktwünsche durch technische Regeln, denen die Menschen zu folgen haben und die gewissermaßen objektiv vorgegeben sind. Wenn es "funkt", dann blinkt es grün: Fahrt frei!

Der Kontaktindikator, immerhin seit Februar bereits 350000 Mal zu einem Preis von 25 Dollar verkauft, ist räumlich noch ziemlich beschränkt. Die Signale von aktiven Lovegetys werden nur bis zu einer Entfernung von viereinhalb Metern registriert. Nach dem überraschenden Erfolg will Erfolg die Reichweite auf hundert Meter vergrößern. Tiere zeigen ihre Kontaktbereitschaft oft über Pheromene, die sie aussenden. Zielgenau können sie wahrgenommen und eine erste Schau der gattungswilligen Tiere stattfinden. Auch bei Menschen scheinen bestimmte Düfte noch eine gewisse Rolle in den erotischen Ritualen zu spielen, aber die olfaktorischen Sensoren sind nicht mehr hoch aufgelöst und in ihrer Reichweite äußerst beschränkt. Der visuelle Sinn und die visuellen Zeichen wiederum verraten nur wenig über die innere Gestimmtheit der Menschen. Da treten jetzt also die Liebessender und - empfänger als Kompensation des Biologischen ein.

Noch sind die Liebesgeräte, eine Art direkter Kontaktanzeigen, allerdings recht bescheiden ausgestattet. Man kann einstellen, ob man zum Plaudern aufgelegt ist, Karaoke singen will oder sich etwa in der "Get2"-Stimmung befindet, indem man sich gegenüber allem prinzipiell offen zeigt. Wenn ein aktiver Lovegety einem anderen nahe genug kommt, dann beginnt er zu piepsen und macht die Träger auf eine mögliche Bekanntschaft aufmerksam. Wenn sich das mögliche Pärchen einmal ausgemacht hat, findet natürlich eine wechselseitige Begutachtung statt, was, bei Einverständnis, zum Versuch führt, die Programmeinstellungen beim Lovegety in Übereinstimmung zu bringen. Man muß nicht sprechen, sondern wartet einfach darauf, bis man eine Ebene gefunden hat und das Gerät grün anzeigt. Dann kann man wahrscheinlich über die Lovegetys sprechen und sich einander näherkommen. Ausgestattet mit der neuen Sex-Wunderdroge Viagra wird dann alles bestens funktionieren.

In Zukunft wird man sicherlich die Einstellungsmöglichkeiten erweitern, möglicherweise biometrische Daten wie Hautwiderstand, Blutdruck oder Puls mit anzeigen, um eine Individualisierung zu erleichtern. Bald werden auf Straßen oder Plätzen, in Restaurants, Zügen, Flugzeugen, U-Bahnen, Bussen oder Schulen die mit Lovegetys bewehrten Menschen nach Kontakt- und Liebeswilligen suchen, die sich zufällig in ihrer Umgebung aufhalten. Und Pärchen, die sich einmal gefunden haben, werden sich keine Treueeide mehr schwören oder gar Ringe anstecken, sondern sich verpflichten, das Lovegety erst einmal beiseitezulegen, bis sie wieder zu Singles zu werden.