Erhält der irakische Informationsminister den Grimme-Preis?

Möglicherweise erobert Saeed al-Sahaf, der zum Medienstar avanciert ist, jedoch als nächstes die Wall Street

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Wenn es noch Gerechtigkeit auf dieser Welt gibt, dann erhält der irakische Noch-Informationsminister Mohammed Saeed al-Sahaf nachträglich den Grimme-Preis 2003. Und wenn das bereits zu spät sein sollte, dann könnte er wenigstens den diesjährigen Grimme Online Award und zwar in der Kategorie Infotainment erhalten. Schließlich hat der kleine Mann mit der Brille gut drei Wochen lang uns und die Welt mit seinen Geschichten aus 1001 Nacht auf höchstem Niveau unterhalten, dabei weder Tod noch Teufel noch US-GIs gescheut und ist täglich live im Bagdad vor die Kameras gegangen, um der Welt die Welt und den Krieg zu erklären (Irakische Medienwirklichkeiten). Aus seiner ganz persönlichen Sicht, an der er bist zum Schluss konsequent festgehalten hat. Und vor allem hat er durch seine subtilen, aber äußerst beredten Auftritte all den hoch bezahlten Infotainment-Experten des alliierten Lagers, also den Fleischers und Co., konsequent die Show gestohlen.

Doch nach dem Fall Bagdads ist der irakische Informationsminister scheinbar von der Bildfläche unserer Fernsehgeräte verschwunden. Aber zum Glück nur scheinbar, denn trotz fehlender Live-Auftritte ist er präsenter denn je. So hat er in der Berliner TAZ inzwischen die Kolumne "Die Wahrheit" übernommen und erklärt von dort aus "die Phänomene des Lebens". Am vergangenen Samstag beispielsweise den Frühling: "Wir haben alles unter Kontrolle, besonders den Frühling. Draußen hat es fast dreißig Grad. Heute Nachmittag soll es noch wärmer werden. Ich garantiere Ihnen, dass Sie heftig ins Schwitzen geraten werden. Sämtliche Freibäder haben bereits geöffnet. Wegen des guten Wetters ist der Eintritt frei."

Aber auch in der internationalen Kulturszene ist er, wie der Musikjournalist Hollow Skai herausgefunden hat, mittlerweile als Förderer der schönen Künste aktiv. Ohne seine Unterstützung wäre die aktuelle Ausstellung der irakischen Nationalgalerie Diktator der Herzen so brillant jedenfalls kaum denkbar gewesen.

Dass al-Sahaf dagegen nicht in dem Kartenspiel der US-Army auftaucht, mit dessen Hilfe prominente irakische Saddam-Unterstützer dingfest gemacht werden sollen, hat seinen Grund. Die amerikanische Wirtschaft benötigt nämlich dringend seine Unterstützung, wie David Callaway in einem sensationellen Bericht von CBS.MarketWatch.com aufgedeckt hat: "Forget Saddam. Iraqi Information Minister Mohammed Saeed al-Sahhaf is the man who needs to be found safely -- and then transported to Wall Street." Und Callaway spielt auch gleich mehrere mögliche Einsätze von al-Sahaf durch ­ beispielsweise den als Sprecher von Microsoft.

Q. Reporter: Mr. Sahhaf, does Microsoft intend to appeal the federal judge's decision that it was, in fact, a monopoly.

Sahhaf: Decision, what decision? Don't make me laugh. There has been no decision. The government's lawyers are criminal dogs. They should be hit with shoes. At this moment, God is grilling their stomachs in hell for challenging our monop ... er, company.

Auch die US-Talkshows sind natürlich längst auf den rührigen Iraker aufmerksam geworden. So hat ihn David Lettermen eine seiner beliebten Top-Ten-Listen gewidmet: "Top Ten Things Iraq's Information Minister Has To Say About The War." Und neben zahlreichen Zitatensammlungen im Netz (z.B.: http://www.brainyquote.com/infominister.html), die seine hohe literarische Unterhaltungskunst belegen, gibt es mit WeLoveTheIraqiInformationminister.com seit wenigen Tagen auch eine richtige Fanseite.

Doch als sie online gegangen ist und einige Medien darüber berichtet haben, ist sie unter dem Ansturm der Infominister-Fans zusammengebrochen. Seit Sonntag ist sie wieder zu erreichen. Und wer Lust hat, kann auf dieser Netzseite unter anderem Schauspieler vorschlagen, die die Rolle von Saeed al-Sahaf in dem geplanten Hollywood-Streifen "The Minister" spielen sollen. Favorit ist übrigens im Augenblick Sydney Pollack, allein schon wegen der großen Ähnlichkeit.

Und genau dort haben wir dann auch den ersten Witz gefunden über Mohammed Saeed al-Sahaf, den seine Fans liebevoll MSS nennen:

MSS stirbt, und 25 Engel werden geschickt, um ihn in den Himmel zu holen. Als Gott gefragt wird, warum dafür so viele Engel notwendig gewesen sein, antwortet er: "Fünf, um ihn zu holen. Und 20, um ihn zu überzeugen, dass er wirklich tot ist."

Resümee: Da es Mohammed Saeed al-Sahaf gelungen ist, die Fernseh- und Onlinewelt durch seine Auftritte nachhaltig zu begeistern und zu erschüttern, muss er also umgehend mit einem Grimme-Preis ausgezeichnet werden. Und wer ihn jetzt nominieren möchte, der sollte diese Seite des Grimme Online Award schnell mal aufsuchen. Dort lassen sich natürlich auch andere Web-Angebote vorschlagen ...