Erhöht die Anwesenheit von Kohlekraftwerken die Zahl der Suizide?

US-Wissenschaftler wollen in North Carolina einen Zusammenhang festgestellt haben, verantwortlich wird die Luftverschmutzung gemacht

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Kohlekraftwerke sind tragen massiv zu CO2-Emissionen bei, zumindest so lange eine sichere Verklappung des Klimagases durch "Carbon Capture and Storage"-Technik nicht möglich ist. Es könnt aber auch sein, dass neben der Umweltbelastung und dem Gesundheitsrisiko durch den Feinstaub, der sich aus den von Kraftwerken stammenden Schwefeldioxid- und Stickoxid-Emissionen, noch eine weitere Gefährdung hinzukommt. Wissenschaftler des Wake Forest Baptist Medical Center glauben nämlich, wie sie in ihrem Artikel schreiben, der im Journal of Mood Disorders erschienen ist, Hinweise gefunden zu haben, dass die Luftverschmutzung durch Kohlekraftwerke in deren Umgebung auch die Selbstmordrate erhöht.

Mayo-Kraftwerk in der Nähe von Roxboro, North Carolina. Bild: Duke Energy

Normalerweise werden viele Ursachen für das Begehen von Selbstmordversuchen verantwortlich gemacht, die Erklärungen gehen aber allesamt von psychischen Motiven wie Depressionen, Traumata oder Lebenskrisen ausgehen. 90 Prozent der Selbstmorde werden psychischen Störungen zugeschrieben. Insofern ist der Ansatz der Wissenschaftler unter Leitung des Familienmediziniers John. G. Spangler zumindest originell zu untersuchen, ob es einen Zusammenhang zwischen der Luftverschmutzung von Kohlekraftwerken und psychischen Störungen gibt. Verbunden wurden Suizide bislang höchstens mit umweltbedingten Erkrankungen, die die Lebensqualität beeinträchtigen.

Untersucht wurde in 20 Counties in North Carolina, in denen es Kohlekraftwerke gibt, die Luftbelastung nach Daten der Umweltbehörde und die Mortalitätsraten zwischen 2001 und 2005 nach Erhebungen des N.C. State Center for Health Statistics. Dazu wurden demografische Daten und die Schwermetallbelastung der Umwelt ausgewertet. In 16 Counties gibt es ein Kraftwerk, in 3 Counties 2 und in einem 3 Kraftwerke. Die Suizidraten liegen mit 12,4 pro 100.000 Menschen in den Counties höher als landesweit mit 10,8 pro 100.000. Für jedes Kraftwerk, das es in einem County mehr gibt, steigt die Zahl der Suizide pro 100.000 um zwei an. Umgerechnet würde dies bedeuten, sollte es einen ursächlichen Zusammenhang und keine anderweitig bedingte Korrelation geben, dass die Kohlekraftwerke in North Carolina jährlich für etwa 40 Suizide pro 100.000 Einwohner verantwortlich sein könnten. Das entspräche der doch sehr erstaunlichen Zahl von 3.220 Suiziden jährlich in dem Bundesstaat.

26 Prozent der Suizide könnten nach den Wissenschaftlern demnach auf Kohlekraftwerke bzw., wie die Wissenschaftler vermuten, auf die durch sie kontaminierte Luft zurückgehen. Die Studie, so Spangler, lasse vermuten, "dass die Luftqualität die Menschen an verschiedenen psychischen Störungen leiden lässt". Die Anwesenheit von Kraftwerken lässt auch die Belastung der Luft mit Schwermetallen wie Nickel, Blei, Chrom, Arsen oder Quecksilber steigen, allerdings gibt es hier keine Korrelation zur Zahl der Suizide. Sollte es einen Zusammenhang geben, sollte die Regierung in Erwägung ziehen, so die Wissenschaftler, Kohlekraftwerke stärker zu regulieren. Allerdings wurde die statistische Korrelation nur County-weit, aber nicht individuell untersucht. Zudem wäre interessant, ob in der Nähe von Kohlekraftwerken bzw. in der dominanten Windrichtung die Suizidzahl höher als in größerer Entfernung ist. Ob es mithin einen direkten Zusammenhang zwischen der Luftbelastung durch Kohlekraftwerke und Suizid gibt, lässt sich damit nicht wirklich belegen.