Erste Klage aufgrund des neuen Antirassismusgesetzes gegen deutschen Historiker

Für den den griechischen Ex-Generalstabschef Manoussos Paragioudakis ist der Philhellene ein revanchistischer Nazi

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Ein relativ junger griechischer Anwalt und Blogger, Athanasios Anagnostopoulos ruft zur Unterschriftensammlung gegen das neue Antirassismusgesetz Griechenlands auf.

Der Anwalt sorgt sich allerdings nicht um eine Verurteilung der Goldenen Morgenröte, die derzeit vor Gericht steht. Der erste aufgrund des neuen Antirassismusgesetzes Griechenlands (N.4285/2014) Angeklagte ist kein Mitglied einer rassistischen Partei und auch kein Bürger Griechenlands, sondern ein 76-jähriger deutscher Geschichtsprofessor, Prof. Dr. Heinz Richter. Am 2. September muss er sich auf Kreta verantworten. "Ohne meinen Anwalt zu konsultieren, möchte ich keine Aussage bezüglich des laufenden Strafverfahrens machen", erklärt er auf telefonische Anfrage. Die Klageschrift gegen ihn hat es in sich, es droht eine empfindliche, jahrelange Haftstrafe. Was aber hat der nach eigenen Angaben und nach der Aussage von Menschen, die ihn kennen, politisch eher linksgerichtete Gelehrte verbrochen?

Kollegen schätzen ihn als gewissenhaft arbeitende Koryphäe mit imposantem Lebenswerk: 31 Bücher und mehr als 230 Veröffentlichungen über die Erforschung der jüngeren griechischen und zyprischen Geschichte. Richter wurde erst im November 2014 in Rethymnon mit einem Ehrendoktor der Universität Kreta gewürdigt. Seine ins Griechische übersetzten Werke sind Bestseller. Kostis Stefanopoulos, seinerzeit Staatspräsident, schlug ihn im Jahr 2000 zum Ritter des Ordens des Phönix.

Auf dem geteilten Zypern ist Richter gern gesehener Gast, auch in den Ministerien. Wenn er auf die Insel kommt, wird es auch über das zypriotische Presseministerium angekündigt. Mit dem früheren Präsidenten Dimitris Chistophias ist er per Du. Insulaner des türkisch besetzen Nordteils baten ihn während der seit Monaten andauernden Eiszeit, den Inselgriechen Signale der Einigung zu übermitteln. Der in vielen seiner Schriften kritische Forscher wird gern und oft zitiert. Er wies zum Beispiel nach, dass die Briten, neben den Griechen und der Türkei Schutzmacht Zyperns, während des Kalten Kriegs auf der blockfreien Insel Atomsprengköpfe für ihre Kampfflieger hatten.

Für den ehemaligen Generalstabschef Griechenlands Manoussos Paragioudakis zählt das alles nichts. Für ihn ist der Philhellene jedoch schlicht ein revanchistischer Nazi. Paragioudakis goutiert überhaupt nicht, dass Richter die wichtigste Legende Kretas anzweifelt. Diese besagt, dass die sechs Wochen heroischen Widerstands der Kreter gegen die deutschen Invasionstruppen den Angriff Hitlers auf die Sowjetunion kriegsentscheidend verzögert hätten. Für Paragioudakis und seine Mitinsulaner, die Untersuchungsrichterin Pateraki und Staatsanwalt Paterakis ist dies die Leugnung eines Holocaust. Schlimmer noch, in seinem 2011 erschienen Buch hatte Richter die Partisanenkämpfe auf Kreta und die Racheakte der Wehrmacht mit Blick auf die seinerzeit vieldiskutierte, angebliche Ritterlichkeit der Wehrmacht als Beleg des "schmutzigen Krieges" gewertet. Darin sehen Richters Ankläger eine rassistische Verunglimpfung der griechischen Opfer des Krieges.

Rechtsanwalt Anagnostopoulos, der gegen die Strafverfolgung Sturm läuft, stimmt dem deutschen Professor nicht unbedingt zu. Er ist auch nicht als Verteidiger des Angeklagten bekannt. Anagnostopoulos stört es, dass Richters mit wissenschaftlichen Methoden begründete Thesen mit ebensolchen und nicht mit dem Missbrauch von Gesetzen widerlegt werden sollten.

Richters Anwälte von der renommierten Kanzlei Tsakyrakis möchten eine Verlegung des Gerichtsstands aufs griechische Festland erreichen. Sie fürchten, dass es auf Kreta kein faires Verfahren geben kann. Mit Stoßtrupps von Anhängern und unter wüsten Bedrohungen störte der General im November Richters Ehrendoktorfeier. Die Polizei sah, aus Respekt vor dem ehemaligen Generalstabschef erstarrt, tatenlos zu.

Pikant ist, dass eine weitere These des nimmermüden Forschers besagt, dass Griechenland seine Kriegsreparationen bereits erhielt. Eine gegenüber der Weltöffentlichkeit als Kredit getarnte Zahlung von 200 Millionen DM in den 1960er Jahren sei, so postuliert Richter die allseits gesuchte, von Berlin immer wieder als erfolgt zitierte Reparationszahlung. Dabei hätten die deutsche Botschaft und auch die Bundesregierung wissentlich wegeschaut, als die Zahlungen statt im Land in den Taschen der griechischen Verhandlungsführer landeten. Wenn das nicht noch eine Anklage bringt.