Es lebe der Boulevard!

Bild.de trennt sich von Bild

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Mit einem neuen Konzept soll vom kommenden Jahr an das Schlachtschiff des Springer-Verlages im Internet noch deutlicher Flagge zeigen. Auf Bild.de soll es dann keine reine Online-Ausgabe der gedruckten Bild-Zeitung mehr geben, sondern geplant ist ein eigenständiges Infotainment-Portal, das auch Themen anderer Springer-Zeitungen aufgreifen soll. Geleitet wird das Millionen schwere und derzeit größte Projekt des Verlages vom ehemaligen stellvertretenden Bild-Chef Udo Röbel.

Was die Netzgemeinde erwarten darf, verriet Röbel nun in einem Interview mit der Netzeitung.de. Darin betonte er ausdrücklich, dass Bild.de nichts mit der Mutter Bild mehr zu tun haben werde: "Es wird eine vollkommen neue Bildzeitung sein, die sich dem Medium entsprechend minütlich verändert."

Geplant sei ein zeitgemäßer Multimediajournalismus mit den Mitteln des Boulevards oder, wie es neudeutsch heißt: des Infotainments. Diesen Begriff versteht der Bild.de-Chef wie folgt: "People, Klatsch und Themen, die das Fernsehen setzt - wie etwa ,Big Brother'". Kurzum alles Dinge, auf die die vernetzte Welt bisher vergeblich gewartet hat. Dass das neue Konzept ankommen wird, da ist Röbel natürlich von Berufs wegen Optimist. "Wir kennen natürlich den Massengeschmack und das Masseninteresse, also werden wir entsprechend gewichten." Und wenn alles gut geht, hofft der Online-Chef, dass sich aus Bild.de später ein TV-Format entwickelt könne.

Gerade im Fernsehen gelang es dem Verlag bisher nämlich nicht, werbewirksam aufzutreten. Das von ihm konzipierte Nachrichten-Magazin "Newsmaker" wurde wegen Erfolglosigkeit schnell wieder eingestellt. Zudem existieren bereits zahlreiche TV-Magazine, die das Bild-Boulevard-Konzept längst eins zu eins im Fernsehen umgesetzt haben.

Dass bei der Bild-Zeitung nun eine eigene Online-Redaktion Themen eigens und nur für das Netz aufbereitet, ist allerdings nichts Neues. Ähnlich arbeiten bereits in Deutschland die "Welt" oder die "Süddeutsche Zeitung". Dennoch hat sich dieser Trend in den meisten Verlagshäusern noch nicht durchsetzten können.

Da werden die Netzseiten selbst großer Tageszeitungen immer noch ausschließlich von mehr oder weniger interessierten Volontären gestaltet. Da wird und wurde beispielsweise das Schalten von Links auf den Online-Seiten der Zeitungen verboten, weil dadurch die Leser ja zum Verlassen der Website animiert werden könnten. Oder man beäugt genau Zeitungssuchmaschinen wie www.paperball.de, weil die "unverschämterweise" Material des eigenen Blattes honorarfrei verwenden. Doch wenn es darum geht, dass Journalisten für die zusätzliche Online-Verwertung ihrer Texte Honorar verlangen, dann sind selbst die Internetblinden unter den Verlagschefs sofort hellwach. Und verweigern in der Regel jegliche Bezahlung.