Etikettenschwindel beim Länderfinanzausgleich

Flughafen Berlin Brandenburg. Foto: Olaf Tausch. Lizenz: CC BY 3.0

Zukünftig soll anders umverteilt werden, damit die Geberländer ihren Bürgern einen vermeintlichen Erfolg präsentieren können

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Gestern warteten viele deutsche Medien mit der Schlagzeile auf, beim Länderfinanzausgleich gebe es zukünftig keine "Geberländer" mehr - und das sei ein Erfolg für diese. Sieht man sich das Verhandlungsergebnis der Vertreter von Bund und Ländern etwas genauer an, stellt man jedoch fest, dass darin nach wie vor riesige Summen Steuergeld zwischen den Bundesländern umverteilt werden - nur an einer anderen Stelle, die nicht mehr so gut sichtbar ist. Zukünftig erfolgt der Finanzausgleich (der dann nicht mehr so heißt) nämlich über die Umsatzsteuer, die nicht länger zuerst an die Länder fließen soll.

Während Spiegel Online meldet, "alle Landesfürsten" könnten "gegenüber dem bisherigen System ein Plus vorweisen" und Horst Seehofer in der Süddeutschen Zeitung behauptet, das Verhandlungsergebnis sei "der wichtigste Erfolg […] in seiner gesamten Laufbahn", heißt es in der Welt nüchterner: "Die Bayern […] zahlen drauf. Obwohl Horst Seehofer - wenn auch nicht in seiner Funktion als Ministerpräsident - Teilnehmer der Gipfels war."

Karte: TP. Vorlage: Journey234

Ob das neue Modell das Bundesland Berlin, das den Löwenanteil der umverteilten Steuergelder einsteckte und nun sogar noch 490 Millionen Euro mehr bekommen soll, zum sparsameren Haushalten bewegen wird, ist fraglich (vgl. Berlin macht Deutschland ärmer und "Fordern und fördern auch für Bundesländer"). Auch Bremen und das Saarland erhalten zukünftig pro Einwohner fünf Mal so viel Geld vom Bund wie der Durchschnitt. Dafür, dass sie trotzdem sparen, sollen neue Prüfkompetenzen für den Stabilitätsrat und den Bundesrechnungshof sorgen. Was passiert, wenn sich die Länder wenig um den Rat der beiden Institutionen scheren, ist unklar.

Länder müssen Alimente für Kinder zahlen, deren Mütter die Väter nicht kennen oder nennen wollen

Von den neuneinhalb Milliarden Bundesmitteln im gestrigen Verhandlungsergebnis, die Länderpolitiker als Erfolg feiern, stammen mindestens zwei Milliarden aus ihrer eigenen Tasche - beziehungsweise aus dem bislang eigenen Umsatzsteueranteil. Außerdem müssen die Länder künftig die so genannten "Unterhaltsvorschüsse" übernehmen - also die Alimente für Kinder, deren Mütter die Väter nicht kennen oder nennen wollen.

Weitere zwei der neuneinhalb Milliarden kommen aus dem bisherigen Umsatzsteueranteil des Bundes. 2,6 Milliarden Euro gelten als "Bundesergänzungszuweisungen" und 1,5 Milliarden Euro als "Sonderbedarfsergänzungszuweisungen", die vor allem der ehemaligen Ostzone zugute kommen, in der die Förderung aus dem Solidarpakt II (ebenso wie der bisherige Länderfinanzausgleich) 2019 endet.

Öffnung für PPP bei Autobahnen

Dafür übernimmt der bislang nur für die Baukosten zuständige Bund auch die Planung und den Unterhalt der Autobahnen - und zwar in Form einer "privatrechtlich organisierten Infrastrukturgesellschaft", die den Weg für Public Private Partnership (PPP) ebnet (vgl. "Bei PPP werden die öffentlichen Kassen mit hoher Professionalität langfristig ausgeplündert"). Darüber hinaus darf er - wenn er das will - einzelnen Kommunen jederzeit Infrastruktur-Fördermittel zuweisen, was bislang besonders begründet werden musste.

Für diese Zuständigkeitsänderungen muss das Grundgesetz geändert werden. Union und SPD sehen darin aber kein großes Hindernis, weil die drei Parteien derzeit noch über große Parlamentsmehrheiten verfügen.