Europäisches Patentamt gibt Patentierung von Pflanzen und Tieren frei

Eine Entscheidung der Großen Beschwerdekammer beendet das seit 1995 bestehende Moratorium

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Am 20.12. hat die Große Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts (EPA), München, entschieden, dass auch Pflanzen und Tier dann patentierbar seien, wenn sie durch neuartige und daher patentierbare biotechnologische Verfahren hergestellt werden. Damit wird eine Welle von Patenten auf Leben losgetreten, denn während eines vierjährigen Moratoriums liegen seit 1995 an die 1200 Anträge auf Patente für gentechnisch veränderte Pflanzen und Tiere auf Eis.

Auslöser des Moratoriums war 1995 die Entscheidung eines niedrigeren Beschwerdekammer, die der belgischen Firma Plant Genetics Systems ein Patent für die Methode verweigerte, Pflanzen mit Genen zu erzeugen, die sie gegen Herbizide resistent machen. Der Grund für die Ablehnung lag vornehmlich darin, dass man mit einem solchen Verfahren neue Pflanzenarten schaffen könne, die aber durch das Europäische Patentabkommen ausdrücklich nicht patentierbar sind. Aus einem ähnlichen Grund verweigerte das Europäische Patentamt der Firma Novartis ein Patent für ein Verfahren zur Herstellung von transgenen Pflanzen, die ebenfalls Gene für die Herbizidresistenz enthielten.

Der Einspruch von Novartis führte jetzt zur Entscheidung der Großen Beschwerdekammer (PDF-Datei), die sybillinisch formuliert, dass ein Antrag, "in dem bestimmte Pflanzensorten nicht einzeln beansprucht werden, nicht von der Patentierbarkeit unter dem Artikel 53 (b) EPC ausgeschlossen ist, auch wenn er Pflanzensorten einschließt." Ausgeschlossen seien in dem Artikel nur Pflanzenarten, unabhängig davon, wie sie erzeugt wurden: "Daher sind Pflanzenarten, die Gene enthalten, die in eine natürliche Pflanze durch rekombinante Gentechnologie eingeführt wurden, von der Patentierbarkeit ausgeschlossen." Wenn es aber um ein neuartiges Verfahren zur Erzeugung einer Pflanzenart geht, trifft dieses Verbot nicht zu.

Auch wenn die Beschwerdekammer in ihrer Begründung damit mit der neuen Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juli 1998 über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen übereinstimmt, geht die Argumentation in erster Linie davon aus, dass der Ausschluss von Pflanzensorten von der Patentierbarkeit nicht das Patentrecht allgemein beschränken sollte, sondern eine ganz bestimmten Sinn gehabt habe: nämlich Züchtern die Sicherheit zu bieten, ihre eigenen Verfahren zur Herstellung von Pflanzensorten anzuwenden. Das Europäische Patentabkommen sei so darauf ausgerichtet, dass Pflanzen sowohl durch Patente als auch durch traditionelle Rechte der Züchter auf Pflanzensorten geschützt werden können. Daher habe niemals die Absicht bestanden, Pflanzen oder Tiere allgemein von der Patentierbarkeit auszuschließen.

In der Richtlinie der EU, in der es auch um die Anpassung des Patentrechts geht, ist denn auch ganz deutlich die wohl auch beim Patentamt herrschende Ansicht formuliert, dass es bei der Erweiterung des Patentrechts auf Pflanzen und Tiere vor allem um den Wirtschaftsstandort EU geht: "Biotechnologie und Gentechnik spielen in den verschiedenen Industriezweigen eine immer wichtigere Rolle, und dem Schutz biotechnologischer Erfindungen kommt grundlegende Bedeutung für die industrielle Entwicklung der Gemeinschaft zu. Die erforderlichen Investitionen zur Forschung und Entwicklung sind insbesondere im Bereich der Gentechnik hoch und risikoreich und können nur bei angemessenem Rechtsschutz rentabel sein. Ein wirksamer und harmonisierter Schutz in allen Mitgliedstaaten ist wesentliche Voraussetzung dafür, dass Investitionen auf dem Gebiet der Biotechnologie fortgeführt und gefördert werden." Ausdrücklich wird in der Richtlinie betont, dass sie nicht den Ausschluss von Pflanzensorten und Tierrassen von der Patentierbarkeit beabsichtigt: "Erfindungen, deren Gegenstand Pflanzen oder Tiere sind, sind patentierbar, wenn die Anwendung der Erfindung technisch nicht auf eine Pflanzensorte oder Tierrasse beschränkt ist." Noch, muss man wahrscheinlich sagen, sind, um "die Würde und die Unversehrtheit des Menschen zu gewährleisten", der menschliche Körper "in allen Phasen seiner Entstehung und Entwicklung, einschließlich der Keimzellen, sowie die bloße Entdeckung eines seiner Bestandteile oder seiner Produkte, einschließlich der Sequenz oder Teilsequenz eines menschlichen Gens, nicht patentierbar." Das könnte sich natürlich, zumal die Experimente mit Stammzellen vielversprechend sind, auch bald ändern.

Die biotechnologischen Unternehmen sind jedenfalls von der Entscheidung des EPO hoch erfreut, weil damit, wie Walter Smolders von Novartis sagt, die "Unsicherheit über das geistige Eigentum" ein Ende gefunden hat. In den USA ist auch die Patentierbarkeit von neuen Pflanzensorten kein Problem. Natürlich stößt die Entscheidung des EPO bei Kritikern wie Greenpeace auf entschiedenen Protest. Die Organisation erinnert nicht nur daran, dass in Artikel 53 auch Erfindungen von der Patentierbarkeit ausgeschlossen sind, die gegen die Moral verstoßen, was bei der großen Opposition in Europa gegen gentechnisch veränderte Bestandteile von Lebensmitteln der Fall sei. Überdies würde die Entscheidung die Monopole in der Saatgutindustrie noch weiter verstärken: ""Während in der Öffentlichkeit das Ausmaß des Problems noch gar nicht richtig bekannt ist, schafft die Industrie schon still und leise Fakten. Doch Leben darf nicht für unternehmerische Profite verwertet und entwertet werden. Nicht alles, was eventuell ökonomische Vorteile bringt, ist moralisch gerechtfertigt", meint Stefan Flothmann, Gentechnik-Experte von Greenpeace.

In einem Artikel "Plant DNA patents in the hands of a few" von S. M. Thomas, M. Brady und J. F. Burke in der Zeitschrift Nature wird diese Befürchtung der Monopolisierung auch bestätigt. Die Autoren untersuchten die Patentanträge zwischen 1980 und 1996, die DNA-Sequenzen beinhalten. Die Suche beschränkte sich auf 78 Pflanzensorten von ökonomischer oder wissenschaftlicher Bedeutung und fand 601 Patentanträge, die eine oder mehrere DNA-Sequenzen von 60 Arten beinhalteten und von denen die Hälfte auch bewilligt wurde. Drei Viertel der Anträge wurden von 115 Unternehmen gestellt, 48 Prozent allein von 14 multinationalen Unternehmen, wobei Monsanto mit 69 Anträgen an der Spitze steht, gefolgt von Zeneca und Novartis. Öffentliche und private Organisationen aus den USA stellten übrigens 43 Prozent der Patentanträge, europäische lediglich 25 Prozent, wobei das britische John Innes Institute und das Max-Planck-Institut für Genbiologische Forschung die Hälfte der Anträge von öffentlichen europäischen Organisationen stellten.