Eva war schuld

Warum ging der Urmensch irgendwann zur Paarbeziehung über?

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Wenn man unsere näheren Verwandten betrachtet, trifft man oft auf ein Beziehungsmodell, das sich unter Menschen wenig Beliebtheit erfreut: Der Gewinner bekommt alles. Der Chef einer Gruppe, das Männchen mit dem höchsten Rang, darf sich mit "seinen" Weibchen paaren, während alle unterlegenen Männchen zusehen müssen, was übrig bleibt.

Es mag auch Angehörige der Art Home sapiens geben, die sich eine solche Aufteilung wünschen und sogar aktiv danach streben - doch insgesamt ist die Paarbindung beim modernen Menschen erstaunlich stabil. Selbst wer sich gelegentlich eine Auszeit gönnt, investiert doch den wesentlichen Teil seiner Ressource in den jeweiligen Lebensabschnitts-Lieblingsmenschen.

Doch wie kam es zu dieser Konstellation, geht man doch davon aus, dass sich unsere Vorfahren in Fragen der Promiskuität nicht wesentlich von denen unserer nächsten Verwandten unterschieden? Tatsächlich scheint es kaum nachvollziehbar, dass die Gruppenchefs irgendwann einfach so ihre bevorzugte Stellung aufgaben, um sich in ein Familienleben zu integrieren.

Der Biologe und Mathematiker Sergey Gavrilets geht möglichen Modellen für diesen Übergang jetzt in den Veröffentlichungen der US-Akademie der Wissenschaften nach - und kommt zu interessanten Schlüssen. Unsere Ahnen standen demnach vor einem gewissen Dilemma. Zwar lässt sich zeigen, dass eine Spezies insgesamt erfolgreicher überlebt, wenn der Aufwand für den Kampf der Männchen untereinander besser in die Pflege des Nachwuchses investiert wird.

Doch die Urväter konnten ihre Strategie nicht einfach so ändern und sich statt um die Rangfolge um das Wohlergehen von Frau und Kind kümmern - sie wären dann von Individuen übertrumpft worden, die sich diese evolutionären Kosten sparen. Tatsächlich fällt es Biologen bis heute erstaunlich schwer, funktionierende Modelle für einen Übergang zu finden, der ja in der Geschichte der Menschheit nachweisbar ist.

Mathematisch ein deutlicher Vorteil für die Paarbeziehung

Eigentlich hätten an dieser Stelle die Egoisten unter unseren Vorfahren gewinnen und den Wechsel scheitern lassen müssen. Gavrilets zeigt nun zunächst mathematisch, dass aktuell diskutierte Modelle wirklich an dieser Stelle scheitern müssen - aber nur so lange, wie den Ur-Frauen eine rein passive Rolle zugestanden wird. Nimmt man jedoch an, dass die Urahninnen zum einen wählerisch wurden und nur mit den Männchen Nachwuchs zeugten, die sich als gute Ernährer erwiesen hatten, und nimmt man zweitens an, dass sie sich treu verhielten, dann ergibt sich daraus mathematisch ein deutlicher Vorteil für die Paarbeziehung. Dieser überwiegt sogar den Nachteil, den Frauen aus dem Verzicht auf zusätzliches männliches Genmaterial und andere Vorteile der Polyandrie ziehen.

Was die ersten Evas damit erreicht haben, ist nicht mehr und nicht weniger als ein wichtiger Beitrag zur Menschwerdung: Erst das neue Paarungssystem erlaubte der Evolution ihr Fortschreiten. So konnte es zu einer echten Arbeitsteilung kommen, wie sie zum Ausgleich der überdurchschnittlich hohen evolutionären Kosten der Aufzucht menschlicher Kinder nötig war. Denn diese werden erst vergleichsweise spät selbstständig und besitzen ein im Verhältnis zum Körper ungewöhnlich großes Gehirn.

Die Paarbeziehung ermöglichte Kindern und Vätern, sich gegenseitig auch wirklich zu erkennen. Nur so konnte es zur Herausbildung der Drei-Generationen-Familie kommen, die über ihre stark bindenden Verwandtschaftsbeziehungen auch die Herausbildung kooperativen Verhaltens in der Gruppe ermöglichte. Sogar bis in die Zusammenarbeit von Gruppen untereinander reichten die Auswirkungen, wenn etwa Frauen in andere Gruppen wechselten, ihre Familien aber in der alten Gruppe verblieben - den Zusammenhang von Familienbanden und Machtstrukturen kennt man noch heute.