Evolution als Verschwörung intergalaktischer Intelligenz?

Das Kubrick-Feeling

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Bis zum 4. Juli zeigen das deutsche Filmmuseum und das Deutsche Architektur Museum am Frankfurter Museumsufer "Stanley Kubrick", die weltweit erste Ausstellung zum Filmwerk des 1999 unerwartet verstorbenen Kinogenies: eine höchst sehenswerte Pioniertat. Anlass genug, über das berühmte Kubrick-Feeling, die ästhetische Faszination hochgradig inszenierter und reflektierter Blicke im Labyrinth der Bilder nachzudenken - zwischen fotografischer Ewigkeit und filmischer Vergänglichkeit.

Bild:2001: Odyssee im Weltraum. Polaroid. Aus den Grauwerten errechneten Kubrick und sein Kameramann Geoffrey Unsworth die Belichtungseinstellungen Bild:Stanley Kubrick Estate

Unterstützt von Christiane Kubrick, der Witwe, und Jan Harlan, dem Schwager und langjährigen Producer Kubricks, hat Bernd Eichhorn aus dem weitläufigen Archiv auf dem Landsitz der Familie nahe London eine Fülle von Dokumenten, Fotografien und Fundstücken zusammengestellt, die nun auch einem breiteren und jüngeren Publikum einen anschaulichen Eindruck von der akribischen Arbeit des frühen Fotografen und späteren Filmkünstlers geben - von der Logistik der Produktion bis zur obsessiven Regie und der ausgefeilten Motiv- und Bildgestaltung. Joe Dunton wählte dazu die Kameras und Objektive aus, mit denen Meisterwerke entstanden, die das heutige Kino vermissen lässt.

Ein Labyrinth mit Mini-Themenparks

Die Frankfurter Ausstellung präsentiert sich als ein weitgestrecktes Labyrinth um zahlreiche Ecken und Biegungen, mit vielen faszinierenden Mini-Themenparks, die unter wechselnden Schwerpunkten zur Betrachtung einladen: Originale und Kopien, Monitorwände, Foto- und Diaserien, seltene Plakate, Kostüme, Modelle, Objekte, inszenierte Räume, endlos überarbeitete und zusammengepuzzelte Drehbücher, Zeichnungen und Skizzen, die Vorführungen von Spiel-, Lehr- und Dokumentarfilmen nicht zu vergessen. Darunter sind auch Materialien zu unvollendeten Projekten zu sehen: eine Kartei und ein PC mit den kompletten Lebensdaten und 18.000 einsehbaren Bildern zu "Napoleon".

An einer Wand hängen die Produktionsfotos und historischen osteuropäischen Ghetto-Aufnahmen zu "Aryan Papers" (nach Begleys "Wartime Lies"). Als dieses Vorhaben wegen Spielbergs schneller abgeschlossenem Holocaustfilm "Schindlers Liste" in Abstimmung mit Warner auf Eis gelegt wurde, schrieb Kubrick 1993 an Johanna ter Steege, die designierte niederländische Hauptdarstellerin, eine letzte, verzweifelt optimistische Nachricht:

I will keep you informed. All the work will not have been in vain.

Einleitend stellen Stationen zum filmischen Raum ("The Killers Kiss") und zur filmischen Zeit ("The Killing") vor, wie sich Kubrick in den frühen Werken eine später weiter gültige Elementargrammatik erarbeitete. Die folgende Abteilung ist der Emanzipation des aufstrebenden jungen Regisseurs K. gewidmet: Nach seiner erfolgreichen, aber auch spannungsgeladenen Zusammenarbeit mit Kirk Douglas in Bavaria, München ("Wege zum Ruhm"), in Spanien und in Hollywood ("Spartacus") nahm Kubrick die komplette Produktionsleitung seiner späteren weltberühmten Filme unter seine persönliche Kontrolle.

Immer wieder erhellend arbeiten Fotografen am Set, darunter so prominente wie der Porträtist Bert Stern (Monroe), der die Hauptdarstellerin Sue Lyon in Farbe aufnimmt und damit eine modernere "Lolita" als der Film inszeniert, oder der Presse- und Skandalfotograf Weegee, der als Effekt-Berater Bilder von ausgelassenster Situationskomik à la Peter Sellers direkt am Set von "Dr. Strangelove" schießt, darunter die später aus dem Film geschnittene Tortenschlacht im "War Room".

Einige Ausstellungspassagen schwächeln vor sich hin. So, wenn im Keller als Platzhalter für brillante Diapositive verschwommene Computerprints die Frontal-Kamera-Blicke der Kubrick-Protagonisten hinter Glas in matter Beleuchtung servieren. Dann wieder stößt man auf imponierende Knotenpunkte: eine piazza atomica, makaber-anheimelnd die Wandtapete aus dem "Dr. Seltsam"-Finale, das Standbild einer Original-Sequenz eines US-Atomtests im Pazifik, satirisch betitelt mit "Peace-is-our-Profession", dem Motto von General Rippers strategischem Luftwaffenstützpunkt Burpleson.

Vor dem allzu geschmäcklerischen "Barry Lyndon"-Kabinett (mit spießig auf Leinwand gedruckten und antik gerahmten Filmbildern, deren brillant distanzierender Zeit- und Zoom-Aspekt museal überpinselt wird) steht eine der berühmten, von Kubrick rigoros für Aufnahmen bei Kerzenlicht für Spezialobjektive von Zeiss umgebauten Filmkameras. Eine der Töchter, Anja, hat ihren Vater bei der Produktion von "Full Metall Jacket" in den theatralischen Trümmern des rekonstruierten Hué begleitet, das aus einem alten Londoner Gaswerksgelände an der Themse entstand. Hier haben wir neben Vivian Kubricks Feature zu "Shining" einen der wenigen bewegten Arbeitsberichte zu Kubricks Tätigkeit am Set.

Kleine verführerische Reliquien zwischen Vernunft und Wahnsinn

Es gibt in dieser Ausstellung kleine verführerische Reliquien und Spielmaterialien, eine offene Truhe mit den Friedenszeichen ("Private Joker, auf welcher Seite stehen Sie?"), oder die auf ein Flugblatt reduzierte Loseblattsammlung von Jack Nicholsons Wahnsinnswerk auf der "Shining"-Schreibmaschine in der Colorado-Halle, die für verschiedene Länderversionen umgeschrieben wurde: "All work and no play makes Jack a dull boy" - "Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen." Übrigens im Film verfasst auf einer majestätisch ausladenden elektrischen IBM-Maschine im bedrohlichen Kunstdämmer und nicht auf der ausgestellten kleinen Hand-Adler, die am Anfang den wuchtigen Tisch im Morgenlicht ziert. Man wünscht sich, das Museum füllte diese Dinge, wie Muscheln und Steine, für die "Diebischen Elstern" unter den Besuchern immer wieder nach, damit sie ein Stück Kubrick mit nach Hause nehmen. Hierzu gehört auch die offiziell erhältliche umweltfreundliche Kubrick-Nuke-Tüte mit dem Aufdruck:

Strategic Air Command, Top Secret R, To be opened only when Go Code received. This envelope and its contents must be destroyed in the event of enemy action or ermergency procedure.

Diese unpersönliche, scheinbar für alle Eventualitäten zurüstende Anweisung ist freilich symptomatisch für Kubricks spezifische Arbeitsweise: für die Ästhetik der erschreckenden und befreienden Überraschung im Ausweglosen, in der alle vorgeplanten Regelungen und absehbaren Varianten zunächst exakt eingehalten und dann rigoros über den Haufen geworfen werden und der groteske Ausdruck der subtilen Form sich unversehens zur expressiven Raserei einer Gesamtstimmung steigert.

Er hat immer wieder dafür Sorge getragen, dass die genau vorbesprochenen, aufbereiteten, modifizierten und im Dreh wie eigene Darsteller, Charaktere, Motive und Themen auftretenden Kulissen, Modelle, Kostüme, nach dem Dreh von der Bildfläche verschwanden, zerlegt, zerstört oder privat archiviert wurden. Sogar der Einsatz der Schauspieler hatte etwas von der Präzision mechanischer Requisiten. Kulissen, Objekte und Figuren sollten ein Geheimrezept behalten, wie Alex' (Malcolm McDowell's) mondgesichtige Visage unterm Bowler mit einseitigem Eyelash, wie die plötzlichen Veränderungen von Handlung, Drehbuch und Text vor und am Set, wie die letzte Fassung des Schnitts und die endgültige Entscheidung für den Einsatz von Auftrags- oder unabhängigen Originalkompositionen, von synthetischem Molokko-Plus-Ludwig-van (Walter/Wendy Carlos) oder reinem symphonischen Beethoven (Karajan) zur Peinigung der einen oder der anderen Zielgruppe - bis zur Fusions-Magie des komplett abgerundeten Soundtracks zwischen Klassik, Romantik, postserieller Avantgarde, Jazz und Pop, zwischen autonomer sinfonischer Musik und einem überdehnten Film-Musical-Sound zwischen "Singin' in the Rain", der Moog-Synthetik des "Dies irae", Händels uminstrumentierter Sarabande und vielfachen Walzern von Johann Strauß Jr., über Richard Strauss bis hin zu Dimitri Schostakowich.

Der Begriff des Originals als materielles Mediendestillat im elektronischen Zeitalter

Kubricks Schaffen kreiste auf allen Ebenen behutsam konservativ, aber nie reaktionär um den Begriff des Originals als materielles Mediendestillat im elektronischen Zeitalter eines Marshall McLuhan, um die intermediale Idee einer konsistenten filmischen, mythologischen und musikalischen Partitur (Interview mit Ciment), um die paradoxe und kontrastreiche Fusion von Dokumentation und Inszenierung einer unverwechselbaren ästhetischen Erfahrung, der alle Sinnesorgane und alle Mittel der Produktion drakonisch und spannungsvoll untergeordnet wurden.

Die Schere zwischen ästhetischer Sensibilität und technologischer Vernunft besorgte bei Kubrick den Schnitt quer durch die Kunstsparten - bis zum ungebrochenen Glauben an linearen Fortschritt der Kinotechnik auch nach dem Startschuss des digitalen Kommerzkinos durch "Jurassic Park". Richtig daran war Kubricks Konzept, Filme in stilistisch voneinander unabhängigen und doch aufeinander bezogenen Modulen zu konzipieren. Falsch daran war Kubricks Annahme, sein magischer Fotorealismus lasse sich einfach in einer rein digitalen Figur wie David in "A.I." computergrafisch wiederherstellen, wenn die 3-D-Animation nur weit genug fortgeschritten sei.

Während Lucas ausufernde digitale Bildwelten den empirischem Zauber der alten "Star Wars"-Filme einbüßten, operierte Spielberg außerhalb seines aalglatten Dino-Versums umgekehrt und ersetzte die von Kubrick erwünschte digitale jugendliche Roboter-Ästhetik durch eine pointenlose Dauerimitation aufgerissener Kubrick-Augen durch einen marionettenhaft erstarrten Realschauspieler (Haley Joel Osment), den nur sein Begleiter Gigolo Joe (Jude Law) einigermaßen erträglich machte.

Das Produkt-Marketing eines Longsellers wie "2001" hielt sich in bescheidenen Grenzen, wie ein amerikanischer Shuttle-Plastikbausatz, japanische MGM-Stereopostkarten und spanische Astronautenpuppen, die es nicht in der Ausstellung zu sehen gibt, belegen. Die visuellen und die akustischen Welten Kubricks gab es zu seiner Zeit nur auf Vinyl zu hören und im Kino zu sehen, die Objekte und Fetische hatten einen rein medialen Status, sie waren mit der Syntax des Films verwoben. Dadurch entwickelten die multiplen Kinospuren gerade das Eigenleben in der Phantasie des Rezipienten, von der heutige Filmemacher nur träumen können. Das digitale Zeitalter hat uns die Synthese auf DVD beschert, die nun per Menü- und Kapitel-Anwahl zunehmend kopräsente Medienereignisse in kleinen Einheiten liefert, bei denen der mechanisch reproduzierbare Unterhaltungseffekt vor dem ästhetischen Wert des Erlebnisses einer "einmaligen", "diskreten" und "ganzheitlichen" Kinoaufführung und vor der Rekonstruktion langjähriger filmischer Arbeit am Studio- und Realset steht.

Wer dies im Kopf hat, weiß, welche Gefahren eine erste größere Ausstellung zu "Stanley Kubrick" umschiffen muss. Jenseits von Devotionalienkitsch, historisierender Museumsdidaktik und flachem Infodesign einer allgegenwärtig blendenden Medienwelt mit ihren verbohrt arbeitsteiligen Teams wird in Frankfurt ein intelligent-unterhaltsamer, oft ironisch-reflexiver Weg eingeschlagen; eine erste Schneise in die richtige Richtung tut sich auf. Die Spitze des Eisbergs stellt sich hier vor, nickt unmerklich, ohne gleich die Flutwelle aus "A.I." über New York auszulösen. Das technische Objet trouvé, die Madonna in Coney Island, wird in der kruden Faktizität offengelegt, gegen Kubricks Intention ist eine Bresche in sein Geheimarchiv und in den geschlossenen ästhetischen Filmkosmos seiner in Schönheit und Schrecken flottierenden Bilder geschlagen worden, um eine Ahnung davon zu geben, was das "Making of..." für einen analogen Autorenfilmer vom Range eines Kubrick noch heißen mag, wenn er durchweg mit wenigen Mitarbeitern und den oft ermatteten Stars im einsamen Studiogelände die zahllosen Varianten einer bestimmten visuellen Inszenierung durchspielte.

Auge in Auge mit Moonwatchers Fell und dem Star Child

Welche Ernüchterung geht aus von Barry Lyndons grausilbriger Haustracht auf Hackton Castle (kurz vor Lord Bullingdons fataler Aufforderung zum letzten Duell), ohne die bewährte Kamera- und Beleuchtungsarbeit. Immer noch magisch wirkt der changierende Glanz der altmodischen Rüschenkleider der Zwillingsmädchen aus "Shining": "Komm, Danny, spiel' mit uns, für immer und immer und immer." Stumm bleiben die venezianischen Masken von "Eyes Wide Shut", obwohl Bill Harfords kunstvoll geteilte Maske (mit bleicher Mundpartie und feinziselierter Stirn) ebenso ausfindig gemacht werden kann, wie die schnöde Pest-Bautta Ziegfelds oder die Vogellarve seiner Rauschgift- und Sex-süchtigen Mätresse Mandy/Amanda.

Liebevoll wurden Modelle von Museumsbauern in Frankfurt nachproduziert: Die Affen, die bewegungslos um den Monolithen tanzen, sind abgefeilte, ganzkörperbehaarte Barbiepuppen. Die beiden Höhepunkte stellen das 1:1-Dead-End des "Korova"-Milchbar-Korridors mit ihrem eiskalten 70er-Sexdollambiente und die aufwendige, "zentrifugale" Installation zu "2001: a space odyssey" dar. Immer wieder erscheinen die isolierten Realien und Requisiten geradezu gespenstisch nackt - ohne vermittelnden Blick des Kameraauges und die Spiegelwirkungen der farb- und lichtüberfluteten Kinoleinwand.

Fast wie starr und unbewegt fotografierte Einstellungen, die die Objekte und Personen aus Kubricks Kinobildfluss so merkwürdig vereinsamt als archaische Dinge an sich herausragen lassen, um den Zuschauer im nächsten Augenblick mit in das Labyrinth der Passwörter, Zeichen, Bilder, Gesten und Blicke, in die Verwirrung von Subjekt und Objekt, Raum und Zeit, Ursache und Folge, Schrift und Bedeutung (PEACEONEARTH, IBM/HAL, REDRUM/REDROOM/MURDER) hineinzuziehen. Passend dazu ist die außerfilmische Ernüchterung angesichts von David Bowmans rotem Original-Raumhelm, ein zeitlos schönes Design-Stück, eine Art virtueller Cyberhead des Kubrick-Kinos, auf den der Protagonist in "2001" immer wieder in entscheidenden Momenten ungeschützt verzichten muss.

Nun taucht der Helm als ein vom Jupiter geborgenes Strandgut, als unscheinbare Science-Fiction-Blick-Maschine auf der Erde wieder auf. Beinahe absurd, wie eine Kopfjäger-Trophäe mutet die abgezogene Pelzgummihaut des Uraffen Moonwatcher (Daniel Richter) an. Gar wie ein Sakrileg für Kinogläubige erscheint ein Originalmodell des Sternenkindes: als Reliquie, totgeboren, ohne ihr wundersam durchleuchtetes Filmleben als astrale Monstranz mit der Richard-Strauss-Hymne - im Unterschied zum knuffligeren Kindchen-Pet-Schema des marktgängigeren E.T., um den Kubrick Spielberg so glühend beneidete. An diesen Stellen ist die Ausstellung noch im Pionierstadium einer später digital aufbereitbaren Ästhetik, die Kubricks Filmwelten im HAL-Display-Stil einholen und differenziert auffächern würde, ohne sie zu dadurch zu verdoppeln. Immerhin verhält sie sich gegenüber den angelieferten Fundstücken und den eigenen Inszenierungen weitgehend nüchtern und distanziert, wenn auch die Beteiligten immer wieder vom Spieltrieb gekitzelt worden sind.

Das Zentrum nimmt denn doch unvermeidlich filmkulissenförmige Züge an: Die tiefroten Gitterschächte im Innern des Supercomputer HAL 9000, dessen Fischauge den Besucher listig entgegenglimmt, werden zu einem maßstäblich reduzierten Spiegelkabinett mit sirrenden Stromgeräuschen verdichtet, damit der Besucher sich mit schwerem Atem-Sound als Astronaut in den Erlebnispark der selbstkonstruierten Unendlichkeit begeben kann.

Evolution als Verschwörung intergalaktischer Intelligenz?

Zur Ausstellung ist der 300seitige Katalog "Stanley Kubrick" erschienen, aus der Schriftenreihe des Deutschen Filmmuseums Frankfurt am Main (Kinematograph Nr. 19/2004). Er enthält aufschlußreiche filmhistorische, filmwissenschaftliche und interdisziplinäre Artikel, viele, bisher unbekannte Abbildungen sowie eine neuere Filmographie vor allem hinsichtlich der Dokumentarfilme über Kubrick. Der Stand der Werkanalyse der 80er Jahre wird nur in Details überboten, freilich aber in wichtigen. Vor allem die produktionsorientierte Sichtweise der Beiträge gibt auch alten Einsichten eine neue Note. Für jedes Werk kristallisieren sich mittlerweile unterschiedliche Phasen der Konzeption und Umsetzung heraus.

Das Genie wird nicht mehr in der Tiefe des Werks entschlüsselt, sondern Schritt für Schritt bei der Arbeit besichtigt. Denn die Mitarbeiter sind posthum ins Plaudern geraten. Darunter leiden die Filmkritiker, denen der Stoff ausgegangen ist. Jetzt müssen die Filmhistoriker an die Front. Bestenfalls sind so lesenswerte, ja überaus amüsante Interviews entstanden - wie mit Production-Designer Ken Adam ("Bond", "Dr. Seltsam", "Barry Lyndon") und Edgar Reitz (zur aufwendigen raumbezogenen Synchronisation von "Eyes Wide Shut"). Mitarbeiter Anthony Frewin weiß Unterhaltsames und Lehrreiches zu Kubricks ersten Beschäftigungen mit außerirdischer Intelligenz beizusteuern, die das Drohende an der "2001"-Vision in der atomaren-Cold-War-Tradition der älteren Schwarz-Weiß-Untertassen-Hypothesen und -Filme noch festhalten:

Der Computerwissenschaftler und Mathematiker John von Neumann (1903-1957) stellte eine Theorie auf, der zufolge Maschinen eines Tages in der Lage sein werden, sich selbst zu duplizieren - genau das tut eine von-Neumann-Sonde. Sie erreicht einen Planeten und stellt mehrere Kopien von sich selbst her, die dann auf andere Ziele abgeschossen werden. Jede dieser Sonden macht bei Ankunft ihrerseits weitere Kopien von sich selbst und schießt sie ab, und so geht das dann exponentiell weiter. Die jeweilige Landesonde würde nach der Produktion ihrer Kopien auf dem Zielplaneten bleiben, ihn erforschen und kolonisieren. Kubrick war der Ansicht, jede Zivilisation, die solche Sonden herstellte, würde damit wirkungsvoll Selbstmord begehen. Wenn Maschinen so schlau wären, wären sie auch schlau genug, sich trotz aller eingebauten Sicherungsvorkehrungen umzuprogrammieren. Er sah sie dann irgendwann das gesamten Universum in sich selbst umwandeln und zu dem Planeten zurückkehren, auf dem die Ursprungssonde hergestellt wurde, um diesen zu kolonisieren.

Die Gedanken flottierten weiter, zum Glück, wie der unendlich bodenlose Monolith im All. Haben die Außerirdischen Kubrick damals entführt, weil ihm auf Erden keiner gewachsen war? Werden sie ihn jetzt womöglich in kopierter und geklonter Fassung universell vertreiben, damit er überall sein Werk fortsetzen kann? Darum sind wir so dankbar für "2001": Dieser Grenzfall des Science Fiction Kinos im Gewande eines Frieden stiftenden Dokumentarfilms über Zeit, Raum und Unendlichkeit lässt offen, ob das Star Child am Ende ein Bild der Befreiung oder der längst fälligen Kolonisierung der Menschheit ist, die sich ohne außerirdischen Einfluss immer wieder in blutigen Kleinkriegen entzweit und verzettelt.

Im Netz gibt es bereits eine intelligente 3-D-Animation in vier Teilen, die uns auf witzige Art endlich das Geheimnis erklärt, wie der Monolith zu den Affen kam und wie aus ihnen Menschen wurden, die im Kampf mit den immer intelligenteren Maschinen wie HAL doch noch als erste das Stargate-Hotel mit seinen Raum-Zeit-Spiegelzimmern erreichten, um den Auftritt des Sternenkindes vom Balkon aus nicht zu verpassen.