Evolution der Maschinen

Mit dem Golem-Projekt versuchen Wissenschaftler die Grundlagen für Roboter zu legen, bei denen sich Hard- und Software koevolutionär ohne Eingriff des Menschen entwickeln

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Auch wenn man bereits versucht, aus der Biologie die geschmeidige evolutionäre Anpassung an neue Lebensbedingungen in die Entwicklung von Software und Künstlichem Leben zu übertragen, hat das biologische Leben auf jeden Fall noch einen unglaublichen Vorteil, denn hier verändert sich der Körper mit seinem genetischen Code. Das aber soll mit Robotern in Zukunft anders werden, bei denen sich Software und Hardware koevolutionär verändern.

Die Idee, die hinter dem Projekt Golem von Wissenschaftlern an der Brandeis University steht, ist, einen "polymorphen Roboter" zu entwickeln, der seine Form verändern kann, wenn er für neue Aufgaben eingesetzt werden soll. Das soll irgendwann voll automatisch ohne Eingriff des Menschen vonstatten gehen können. Die Roboter konstruieren die neue Gestalt erst einmal virtuell aus ganz einfachen Bestandteilen, kopieren dann das Modell Stück für Stück und Schicht für Schicht und setzen es durch "Rapid Prototyping" in Wirklichkeit um. Mit einem sogenannten 3D-Drucker lässt sich jetzt schon eine dreidimensionale Struktur durch sukzessive aufeinander aufgetragene Schichten aus Thermoplastik bilden.

Natürlich, Plastik wird nicht reichen, um einmal wirklich Roboter sich selbst bauen lassen zu können, die nicht nur einen stabilen Körper mit komplizierten mechanischen Strukturen wie Gelenken besitzen müssen, sondern auch Motoren, Drähte und Schaltkreise. Man könne sich durchaus vorstellen, so Hod Lipson von der Brandeis University, der zusammen mit Jordan Pollack an einer "Evolution der Maschinen" arbeitet, dass die 3D-Drucktechnik auch einmal die Verwendung anderer Materialien ermöglichen wird.

Modell

Bislang beschränkt man sich erst einmal auf die automatische Bildung von Robotkörpern. Ausgangspunkt sind einige einfache Entwürfe von Körpern aus vorgegebenen Elementen: Plastikstangen unterschiedlicher Länge und elektrische Motoren, die für Bewegung sorgen. Die aus diesen Elementen zusammengesetzten Körperformen evolvieren durch den Einsatz von genetischen Algorithmen, wobei das neuronale Netz, das die Körperformen durchspielt, gleichzeitig das Gehirn des Roboters darstellt. Beides wird gewissermaßen als genetische Information verstanden, deren Bestandteile sich verändern (mutieren) und kombiniert werden können. Die daraus entspringenden simulierten Roboter werden dann in ihrer Fitness bewertet und die am besten für eine Aufgabe/Umgebung geeigneten selektiert, um sich weiter "fortzupflanzen", bis ein optomales Design erreicht ist, das dann in materielle Wirklichkeit umgesetzt wird.

"Ausgedrucktes" Modell

Dabei ist schon ein kleiner Zoo von seltsamen Roboterkörpern entstanden, die sich auf unterschiedliche Weise fortbewegen können. Ein Roboter etwa bewegt sich seitwärts wie eine Krabbe: "Der Roboter", so erklärt Lipson im New Scientist, "kann sich bewegen, sobald er aus dem Drucker kommt." Der Motor freilich muss noch von Hand eingefügt werden. Aber das soll, wie gesagt, einmal anders werden, wenn Roboter nicht nur selbständig Roboter bauen, sondern auch ihre eigene Form bei Bedarf verändern können sollen. So könnten sie etwa, wenn ihre Aufgabe beendet ist und "körperlich-geistig" ein neuer Roboter als Modell vorliegt, ihren Körper einschmelzen und das Plastik wieder zum Aufbau einer neuen Gestalt durch einen 3D-Drucker verwenden - in der Theorie zumindest, in der es dann auch nicht nur um die Fortbewegung geht, sondern die Roboter auch Sensoren haben sollen, um die Welt um sich herum wahrnehmen zu können.

In der Theorie - und auch schon in der Simulation - sieht der Evolutionsprozess so aus: Ausgangspunkt ist, wie gesagt, eine Reihe von einfachen, zufällig entwickelten Körpern, die mit ebenso zufällig entstandenen "Gehirnen" kombiniert werden. Beispielsweise könnte man eine Lösung vorgeben, wie ein Roboter sich mit einem Bein fortbewegen könnte. Die "Gehirne" entwickeln sich nach evolutionären Gesichtspunkten in den "Körpern". Wurde eine befriedigende Lösung gefunden, dann wird der Roboter gebaut, wenn nicht, werden die Körper weiter der Mutation und des Cross-over unterworfen und wieder mit neuen Gehirnen ausgestattet.

Doch bis zu einer selbständigen Evolution der sich selbst auch materiell replizierenden Roboter ist der Weg vermutlich noch weit. Gleichwohl hat vor dieser Art von Selbstreplikation, die notwendigerweise nicht mehr kontrollierbar sein sollte, wenn sie denn sich tatsächlich einmal evolutionär entfalten sollte, unlängst Bill Joy, Mitbegründer von Sun gewarnt und gefordert, bestimmte technische Entwicklungen nicht weiter zu verfolgen (Angst vor der Zukunft).