FBI sieht Journalisten spionieren

US-Außenministerium dementiert

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Selbst US-Außenministerin Madeleine Albright konnte da nicht ernst bleiben. Nachdem FBI-Mitarbeiter Timothy Bereznay vor dem Auswärtigen Ausschuss des US-Repräsentantenhauses ausländische Journalisten - ohne Namen zu nennen - als Spione diffamiert hatte, rief sie eilig eine Pressekonferenz ein und bat grinsend: "Wenn einer unter Ihnen ist, würde er sich bitte melden?"

In der Tat können die 56 im Außenministerium akkreditierten Journalisten relativ frei in eben demselben umherlaufen. Peter de Thier, Korrespondent der Berliner Zeitung, berichtet, anders als selbst hochrangige Staatsgäste würden sie nicht auf Schritt und Tritt von Sicherheitspersonal begleitet. Und dennoch reicht das nicht für den Pauschalverdacht des FBI. Er könne auf Anfrage Namen nennen, beteuerte Bereznay. Komisch, dass er es nicht bereits tat. Denn im vergangenen Jahr erstellte das FBI einen Bericht zu dem Thema. Jacqueline Williams-Bridger, Inspector General des State Departments, versichert gar, man habe versucht, Zugriff auf den Bericht zu erhalten - ohne Erfolg.

Die spektakuläre Pauschalverdächtigung von Journalisten war ganz offensichtlich ein Alleingang des FBI. Wenig Stunden nach Bereznays Statement, bezog Außenamtssprecher Richard Boucher offiziell Stellung: "Uns sind keine konkrete Fälle ausländischer Journalisten bekannt." Ein klares Dementi.

Das FBI hatte allen Grund, Verdächtige zu präsentieren. 1998 spazierte ein Mann in Albrights Vorzimmer, klemmte sich einen Stoß Akten untern Arm und verschwand bis heute spurlos. Im vergangenen Jahr verschwanden drei Laptops mit Daten über die US-Strategie zur Bekämpfung der Weitergabe von Massenvernichtungswaffen bis heute spurlos aus dem State Department. Bisheriger Höhepunkt: Von einer Parkbank neben dem State Department aus belauschte der russische Diplomat Stanislaw Gusew bis Ende vergangenen Jahres Gespräche Albrights mit ihren Europaberatern. Wie seine Wanze in die ausgehöhlte Lehne eines Stuhls im Konferenzraum kam, ist bis heute unklar. Vielleicht ein Journalist?

Das käme dem FBI gelegen. Nur verfolgte es selbst im Fall Gusew monatelang eine andere Strategie: Ein Insider wurde gesucht, wochenlang wurde Hunderte von Mitarbeiter des State Departments vernommen. Neben der ermittlungstechnischen hat das Journalisten-Bashing auch politische Gründe. Dass FBI-Chef Louis Freeh kein Freund der Clinton-Regierung ist, ist Allgemeinwissen. Wem das angeblich durch laxen Umgang mit der Presse verschuldete Sicherheitsleck nützt, wurde bald klar. Der republikanische Vorsitzende des auswärtigen Ausschusses Benjamin Gilman tönte: "Während des kalten Krieges war es selbstverständlich, dass der KGB seine Spione als Journalisten tarnte, das wird heute nicht anders sein. FBI-Mann Berezany sekundierte beflissen: "Deshalb sollten Journalisten immer in Begleitung eines Mitarbeiters sein müssen. Nur so können wir die größten Schwierigkeiten eliminieren." Bevor er anderen an den Kragen will, sollte Bezerany aber erst einmal den Beweismangel seiner Theorien eliminieren.