Fällt Georgien jetzt wirklich an Moskau?

Opposition bauschte Gesetzesvorschlag zu Registrierung ausländischer Akteure auf. Angebliche Neuorientierung der Außenpolitik. Was es mit dem Streit wirklich auf sich hat.

Mehrere Wochen lang thematisierten deutsche Journalisten und Politiker den Streit um ein Gesetz im kaukasischen Georgien mit sensationsheischenden Schlagwörtern. Der Grundtenor schien eindeutig: Die Regierung in Tiflis führe das Land, welches vor 15 Jahren noch in einem Krieg gegen Russland unterlag, direkt in Moskaus Arme.

Ein Fünftel des georgischen Staatsgebietes habe die russische Armee angeblich bereits besetzt und nun gehe es weiter. Mit der politischen Lage in dem Land mit dreieinhalb Millionen Einwohnern hatten diese Darstellungen recht wenig zu tun.

Unmittelbar nach der Unabhängigkeit Georgiens zerfiel das Land in verschiedene Teile. Eine Mehrheit der georgischen Bevölkerung wählte den aus dem Adel stammenden Nationalisten Swiad Gamsachurdia an die Spitze der Republik. Gegen dessen extreme Politik wandten sich diverse regionale Eliten, welche aus der Kontrolle von zentralen Verkehrsachsen, Grenzübergängen oder wichtigen Industriezweigen Profit schlugen.

Zwei Kriege verlor die Zentralregierung in Tiflis und hatte fortan keinen Zugriff mehr auf die beiden Separatistenrepubliken Südossetien am Rok-Tunnel und das touristisch attraktive Abchasien am Schwarzen Meer. Andere Gebiete wie das mehrheitlich muslimische Adscharien spalteten sich ganz ohne Kampfhandlungen ab.

Unter dem gemäßigten Gamsachurdia-Nachfolger Eduard Schewardnadse bahnten sich ab Ende der 1990er-Jahre politische Lösungen für mehrere der Konflikte an. Südossetien galt dabei als der Konflikt, der einer Lösung am nächsten kam.

Mit der Unterzeichnung des so genannten Baden-Dokuments im baden-württembergischen Baden-Baden schlossen alle Seiten Gewalt als Möglichkeit aus. Eine politische Lösung des Konfliktes rückte damit in den Bereich des Machbaren. Nicht ganz so weit kam es im Fall Abchasiens. Ende der 1990er hob Russland im Rahmen der GUS vereinbarte harsche Sanktionen gegen die De-facto-Republik auf.

Um zu verhindern, dass das Gebiet Georgien entglitt, intensivierte Schewardnadses Regierung die politischen Anstrengungen. Bei einem politischen Durchbruch im Frühjahr 2003 einigte man sich auf die Wiedereröffnung der wichtigen Eisenbahnverbindung zwischen Sotschi und Tiflis.

Doch dazu kam es nicht: Ein Eingreifen der US-Regierung gepaart mit großem Unmut in einer der ärmsten sowjetischen Folgerepubliken brachte im Jahr 2003 den nationalistischen Neoliberalen Micheil Saakaschwili an die Staatsspitze. Dieser richtete sein Land wie noch nie zuvor an der EU und den USA aus. Tausende georgische Soldaten gingen nach Afghanistan und den Irak, um dort an der Seite der EU- und Nato-Truppen zu dienen.

Die Neuorientierung brachte viele Lorbeeren aus Übersee: Im Jahr 2005 schlugen die US-Senatoren John McCain und Hillary Clinton Saakaschwili für den Friedensnobelpreis vor. Daraus wurde nichts und im Laufe von Saakaschwilis Amtszeit wurde klar, dass der Präsident sein Land nicht nur an den USA ausrichtete, sondern explizit Kontakte zu den Neokonservativen in der Regierung des damaligen US-Präsidenten George Bush suchte. Was kurzfristig große Erfolge versprach, stellte sich langfristig als keine überzeugende Strategie heraus.

Mit einer Politik von Zuckerbrot und Peitsche gelang es Saakaschwili, mehrere abtrünnige Gebiete wieder in den Einflussbereich der Zentralregierung zu bringen. Nach dem Nato-Gipfel in Bukarest im April 2008, auf welchem dem Land eine Beitrittsperspektive präsentiert wurde, sah er sich gestärkt und wollte Südossetien im Handstreich einnehmen. Anfang August begann dort eine georgische Offensive.