Fahren mit automatisierten Fahrfunktionen birgt Risiken

Für die Studie wurde ein Minicab des National Advanced Driving Simulator benutzt. Bild: College of Enginering, Computing and Applied Sciences der Clemson University

Wenn die Steuerung übernommen werden muss, wie gesetzlich vorgeschrieben, reagieren die abgelenkten Fahrer langsamer und riskanter

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Die Einführung von autonomen Fahrzeugen wird vor allem damit beworben, dass das Fahren auf den Straßen viel sicherer werden soll, wenn nicht mehr gestresste, erregte, abgelenkte oder müde Menschen am Steuer sind, sondern intelligente Maschinen dies übernommen haben. Dazu kommen freilich verstärkt neue Risiken, wenn die Fahrzeuge beispielsweise durch Hacker übernommen werden können. Eines der größeren Probleme wird noch die Zeit darstellen, wenn noch Menschen und Maschinen gemeinsam auf den Straßen unterwegs sein werden, einmal ganz abgesehen von Fußgängern, Fahrrad- und Moped- oder Motorradfahrern.

Der erste Übergang in teilautonome Systeme findet gerade mit der zunehmenden Verwendung von Fahrerassistenzsystemen statt. Vorsichtig ist man in Deutschland aber auch noch mit der Erlaubnis für hoch- oder vollautomatisiertes Fahren. Fahrzeuge mit hoch- oder vollautomatisierter Fahrfunktion werden, wie der Bundestag am 30. März beschlossen hat, zugelassen, wenn sie "jederzeit durch den Fahrzeugführer manuell übersteuerbar oder deaktivierbar" sind, wenn sie "die Erforderlichkeit der eigenhändigen Fahrzeugsteuerung durch den Fahrzeugführer erkennen" und diesen "rechtzeitig optisch, akustisch oder taktil" darauf hinweisen können, die Steuerung zu übernehmen. Dazu ist der Fahrzeugführer verpflichtet, nicht nur, wenn das System ihn auffordert, sondern auch, wenn die "offensichtlichen" Umstände dies erfordern. Überprüft wird das Fahren durch eine Black Box, die Daten bis zu 3 Jahren speichern soll.

Wird dadurch das Fahren wirklich sicherer, wenn der Fahrzeugführer jederzeit unter der Anspannung steht, auf Warnhinweise der Assistenzsysteme oder aufgrund veränderter Verkehrsverhältnisse bzw. einer Panne der Systeme sofort die Lenkung zu übernehmen? Sofort, das liegt auf der Hand, ist nicht unmittelbar. Es ist Zeit vonnöten, bis der Fahrer das Signal oder Anderes wahrnimmt, sich entscheidet und die Steuerung kognitiv und motorisch übernimmt. Das kann bis zu einer Sekunde dauern oder auch länger. Wissenschaftler der Clemson University haben nun in Simulationen geprüft, wie Fahrzeugführer in Autos mit Assistenzsystemen auf Situationen reagieren, bei denen sie wieder die Steuerung des Fahrzeugs übernehmen müssen.

Das Ergebnis der im Journal of Safety Research veröffentlichten Studie ist erwartbar, da Assistenzsysteme benutzt werden, um die Aufmerksamkeit zu entlassen. Entsprechend sind auch in der Simulation Fahrer von teilautonomen Fahrzeugen langsamer, auf riskante Situationen zu reagieren als Fahrer, die immer am Steuer sitzen. Es gibt bereits Studien, die belegen, dass dann, wenn nach Einführung von Automatisierung (out-of-the-loop) Menschen wieder die Kontrolle übernehmen müssen, Probleme auftreten. Es gibt auch Hinweise, dass der Übergang von der Tätigkeit des Steuerns zu der des Überwachens zu sinkender Aufmerksamkeit und zu verlangsamten Reaktionen auf unerwartete Ereignisse führt.

Langsamer und riskanter mit Assistenten

Für die Studie ließen die Wissenschaftler 24 Frauen und 24 Männer im Alter von 18 bis 25 Jahren, die ihren Führerschein mindestens ein Jahr hatten und regelmäßig drei Tage und mehr in der Woche ein Auto nutzten, ein Fahrzeug nach einer Übungsfahrt in einem für 30 min Fahrsimulator steuern. Die Hälfte steuerte ein Auto auf gewohnte Weise, die andere Hälfte mit teilautonomen Systemen wie einer Adaptiven Cruise Control (ACC) - gewünscht war eine Geschwindigkeit von 100 km/h - und einem Spurhalteassistenten. Gefahren wurde auf einer simulierte Schnellstraße in einem ländlichen Gebiet mit wenig Verkehr.

Während der Fahrt wurden 4 kurze Videos von Komödienfilmen auf dem Monitor im Fahrzeug gezeigt, die sie anschauen sollten, um nach der Fahrt zwei Fragen dazu zu beantworten. Während der Simulation wurden die Autos zweimal - einmal während ein Video lief - von einem starken Wind aus der Fahrspur geschoben, was ein Eingreifen erforderte, da der Spurhalteassistent gleichzeitig und unangekündigt ausfiel.

Die abgelenkten Benutzer von Assistenzsystemen brauchten nicht nur länger, die Kontrolle über das Auto wiederherzustellen, die Reaktionszeiten waren mit durchschnittlich 1,27 Sekunden gegenüber 0,69 Sekunden fast doppelt so lang, sie drehten auch aggressiver am Steuerrad, um die Verzögerung zu kompensieren, was das Risiko erhöhte. Zudem verblieben sie mit etwa 4 Sekunden doppelt so lange als die Kontrollgruppe ohne Assistenzsysteme auf der falschen Spur. Die Reaktionszeiten waren noch langsamer, wenn die Fahrer Videos anschauten. Wo die Fahrer mit Assistenzsystemen besser abschnitten, war die Aufmerksamkeit auf die Videos, auf die sie öfter und länger ihren Blick richteten.

Die Wissenschaftler sagen, es wird in Zukunft egal werden, ob ein Fahrer am Steuer sitzt, wichtiger werde aber in der Übergangszeit zum vollautonomen Fahren, wie die Fahrer auf einen Systemfehler reagieren. Vor allem dann, wenn die Fahrer, die sich den Assistenzsystemen überlassen, sich anderen Tätigkeiten widmen, was ja auch das Versprechen bzw. der Sinn der Sache ist, dann könnte es gefährlich werden. Wenn man digitale Assistenten oder ein vollautonomes Fahrzeug verwendet, will man schließlich etwas anderes machen, als nur das Verkehrsgeschehen zu beobachten wie die auch oft abgelenkten Fahrer der vordigitalen Fahrzeuge Die derzeit propagierte Lösung, autonomes Fahren einzuführen und dennoch die Verantwortung den Menschen zuzuschanzen, die bei Risiken das Steuer übernehmen sollen, ist juristisch zwar für die Hersteller positiv, aber sie erzeugt Situationen, die Risiken vergrößern können.

Fahrer, die ihr Fahrzeug steuern, wissen, dass sie aufmerksam sein müssen. Wer autonome Systeme benutzt, will entlastet sein, wird aber bei der gegenwärtigen rechtlichen Konstruktion für alles zur Verantwortung gezogen, wenn nicht rechtzeitig - was immer das heißen wird - reagiert wird, wobei das Fahrgeschehen überwacht wird. Das ist eine verwirrende Situation, besser wäre es, Eindeutigkeit zu schaffen. Entweder fährt ein KI-System oder ein Mensch …