Fairness im digitalen Zeitalter: Künstliche Intelligenz und Wahlkampfethik

Seite 2: Digitale Trends im globalen Wahlkampf

In Südostasien etwa mögen bisher traditionelle Formen und Techniken des Wahlkampfes vorherrschen, so sind unglaubliche Mengen von Wahlplakaten immer noch weitverbreitet. Beliebte Spitzenpolitiker und Kandidaten ziehen riesige Menschenmassen an, und weniger beliebte können bei geschickten Wahlkampfunternehmern jubelnde Unterstützer für ein Taschengeld anheuern.

Zeitungen und staatlich kontrollierte Fernsehsender sind aber längst nicht mehr die Vermittler zwischen den wahlkämpfenden Politikern und ihren Zielgruppen.

Mit der Verbreitung des Internets und der Smartphones, die selbst entlegene Gebiete erreichen, beziehen immer mehr Wähler, vor allem die jüngeren, ihre politischen Informationen aus den sozialen Medien.

Auf den Philippinen wurde der Erdrutsch-Wahlsieg von Präsident Marcos im Juni 2022 unter anderem durch Tausende von angeworbenen unpolitischen Freiwilligen ermöglicht, die während des Wahlkampfes Propaganda-Mails verbreiteten und mit ihren Smartphones ein paar Pesos dazuverdienen konnten.

Es überrascht nicht, dass hier die Ausgangspunkte für neue Trends im Marketing liegen, im Wahlkampf ganz besonders. Da die technischen Möglichkeiten auch kriminellen Online-Betrügereien aller Art und Form Tür und Tor geöffnet haben, ziehen sie natürlich auch Wahlkämpfer an, faire und unfaire gleichermaßen.

Warum sollten geschickte Wahlkämpfer nicht Hunderttausende von Stimmen generieren können, wenn Kriminelle ahnungslose Internet-Surfer um Millionen betrügen?

Innovative Wahlkampfstrategien in den USA

Einen Vorgeschmack auf die neuesten Entwicklungen bieten wie so oft die USA. Bei den Vorwahlen um die Kandidatur sind bereits höchst raffinierte Fake-Kampagnen im Gebrauch. Bei den jüngsten Vorwahlen in New Hampshire wurde eine gefälschte Version der Stimme von Präsident Joe Biden mit automatisch generierten Robocalls eingesetzt, um die Wähler der Demokraten von der Teilnahme abzuhalten.

So ungewöhnlich es auch klingen mag, dass der Präsident einzelne Wähler anruft, so konnte die Botschaft doch eine Anzahl von ihnen beeinflussen. Wie CNN berichtet, ist der Ton natürlich gefälscht, klingt aber genau wie der Präsident und verwendet sogar eins seiner verbalen Markenzeichen, den Begriff "malarkey", ein Slangwort für Unsinn.

Im folgenden Link bei CNN kann man sich den vermeintlichen Biden-Aufruf anhören.

Wahlkampfpropaganda in Form von E-Mails ist schon seit Langem üblich. Aber für den US-Präsidentschaftswahlkampf sagt Donie O'Sullivan, CNN-Korrespondent für Politik und Technologie, eine Explosion von KI-generierten Desinformationen voraus.

Die künstliche Intelligenz hat die Umstellung von Fake auf Deepfake so einfach gemacht, dass praktisch jeder das erforderliche Programm aus dem Internet herunterladen und Videos erstellen kann, die für die meisten Empfänger authentisch aussehen.

Dieser Trend ist für die USA besonders gefährlich, weil die Legitimität von Wahlen und die geordnete und friedliche Machtübergabe durch Trumps "große Lüge" untergraben ist, dass ihm die Wahl von 2020 gestohlen wurde.

Jüngsten Umfragen zufolge bezweifeln fast 70 Prozent der Republikaner die Legitimität dieser Präsidentschaftswahl. Die Vermutung, dass Russland die Wahl beeinflusst oder manipuliert habe, wurde nie bewiesen, war aber populär genug, um von den Medien monatelang wiederholt zu werden.

Hat Deutschland eine Antwort auf digitale Wahlkampftrends?

In Deutschland und Europa werden Kandidaten bei Parlaments-, Kommunal- und Landtagswahlen wahrscheinlich der Versuchung nicht widerstehen können, ebenfalls die neuen technischen Register zu ziehen, Mails ohnehin, Videos und Robocalls vermutlich auch.

Werbefirmen haben Parteien und Wahlkämpfe ohnehin als lohnende Zielgruppen entdeckt und sammeln politische Spenden und sogar staatliche Zuwendungen ein, wie die Berichte über die Medienfirma Correctiv gerade zeigen.

Aber auch grenzüberschreitend tut sich auf diesem Gebiet vieles. Ein damit zusammenhängender Vorfall ist brandaktuell und hat ein erhebliches Medienecho generiert, weil der Krieg in der Ukraine in Deutschland auch kontrovers diskutiert wird.

Ende Januar berichtete ein Nachrichtenmagazin, dass Internetexperten des Auswärtigen Amtes nicht weniger als 50.000 gefälschte Konten auf der Social-Media-Plattform X entdeckt haben, mit denen versucht wurde, Wut über Berlins Unterstützung für die Ukraine zu schüren.

Nach dem Beispiel Asiens und besonders der USA darf man erwarten, dass auch in Deutschland das Umwerben von Wählern stärker digital und damit persönlicher wird.

Adressen und Telefonnummern sind ohnehin eine handelbare Ware und dürften auch Kandidaten und Parteien zugänglich sein. Wie weit wir uns vor Fakes schützen können, bleibt eine spannende Frage.

Irreführung ist in der Werbebranche verbreitet und Wahlversprechen der Parteien grenzen oft genug an Irreführung. Immerhin hat sich in letzter Zeit in den Medien ein Trend ausgebreitet, die Wahlversprechen nach einiger Zeit zu überprüfen. Die Ergebnisse lauten oft genug: gebrochen.

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