Faktencheck: 5 Putin-Thesen bei Tucker Carlson – richtig oder falsch?

Seite 3: Putins These 2: Die USA haben Russland einen Verzicht auf eine Nato-Osterweiterung versprochen

Als die UdSSR Anfang der 90er-Jahre zusammenbrach, herrschte international ein völlig anderes Klima als in den 2020er-Jahren. Tatsächlich propagierten Vordenker wie der von Putin im Interview namentlich erwähnte SPD-Politiker Egon Bahr mit gutem Grund eine neue europäische Ordnung unter Einbeziehung Russlands und sahen die Nato als reines Militärbündnis für ungeeignet, hierzu eine Basis zu bilden.

Dennoch kam es anders. Auf eigenen Wunsch wurden zahlreiche kleinere Staaten Mittelosteuropas in die Nato aufgenommen, während Vereinigungen, die ein gesamteuropäisches Sicherheitssystem gewährleisten sollten wie die OSZE, in die Krise gerieten.

Da die Nato einen militärischen Charakter hat, war es klar, dass an ihrer neuen Ostgrenze eine Front ähnlich zum Eisernen Vorhang entstehen würde – wobei der neue Eiserne Vorhang gegenüber Russland vor allem vom Westen und seinen Bündnispartnern ausgeht, anders als der Alte.

Die Nato nahm bewusst den Weg, kleine Bündnispartner zu integrieren und Russland außen vor zu lassen. Nicht umsonst schilderte Putin im Interview sein Gespräch mit Ex-Präsident Clinton, wo es um eine hypothetische Nato-Aufnahme Russlands ging, die der Amerikaner als nicht realisierbar bezeichnete.

Das Versprechen an Gorbatschow

Putin selbst bestätigte im Gespräch, dass es keine schriftliche Zusage an sein Land gegeben habe, dass sich die Nato in Europa nicht nach Osten ausweitet, spricht aber von einer Versicherung in anderer Form.

Tatsächlich war eine Nato-Mitgliedschaft selbst des vereinten Deutschlands für Gorbatschow in der ausgehenden Sowjetunion zunächst ein No-Go. Es war Hans-Dietrich Genscher, der für einen Stimmungswandel in Moskau aussagte:

Wir waren uns einig, dass nicht die Absicht besteht, das Nato-Verteidigungsgebiet auszudehnen nach Osten (…) Das gilt übrigens nicht nur in Bezug auf die DDR (…) sondern ganz generell.

Ähnliche Erwartungen erzeugte auch der damalige US-Außenminister James Baker bei einem Besuch in Moskau, um die dortige Zustimmung zur Wiedervereinigung zu erwirken. Somit erinnert sich hier Putin durchaus richtig an mündliche Zusagen, die Anfang der 90er-Jahre gegeben wurden.

Nato war nicht gezwungen, neue Mitglieder aufzunehmen

Was russische Regierungspolitiker in diesem Zug meist nicht erwähnen, ist der Abschluss der Nato-Russland-Grundakte 1997, die von Putins Amtsvorgänger Boris Jelzin in einer Periode der Schwäche Russlands verbindlich unterschrieben wurde. Hier garantiert Russland die Achtung der Souveränität aller Staaten, was natürlich auch die Möglichkeit einschließt, Mitglied in einem Militärbündnis zu werden.

Alle neuen Nato-Staaten kamen freiwillig in dieses Bündnis. Jedoch muss dabei festgestellt werden, dass die Nato nicht gezwungen war, jeden Anwärter aufzunehmen, obwohl klar war, dass das aus russischer Sicht als Heranrücken des Bündnisses an die eigenen Grenzen wirken muss.

Man nahm das aus Machtinteresse in Kauf und trug somit zur angespannten Situation bei, unter der die russische Ukraine-Invasion 2022 erfolgte. Gerechtfertigt werden kann ein solcher Überfall jedoch durch den Hinweis auf gebrochene Versprechen nicht.