Fallen nach dem Fernsehturm die Satelliten aus?

Angeblich kann ein Großteil der russischen Kommunikationssatelliten jeder Zeit den Geist aufgeben; ungesichert ist auch die weitere russische Beteiligung an der Internationalen Raumstation

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Den Bürgern in Moskau geht es schlecht. Kaum sind sie wegen des Brandes im Ostankino-Fernsehturm auf Satellitenschüsseln ausgewichen, um nicht ganz den Anschluss an die Welt zu verlieren oder in Langeweile zu versinken, kommt schon die nächste schlechte Meldung: auch viele russische Satelliten könnten jederzeit ihren Geist aufgeben.

Auch wenn angeblich in Russland das Internet boomen soll, nachdem das Fernsehen versagt, so ist es sicherlich kein Ersatz für die Unterhaltungsangebote. Die von der Nabelschnur abgetrennten Russen beeilten sich also, sich, sofern sie das Geld haben, eine Satellitenschüssel zu besorgen, um nicht mehr auf den maroden Fernsehturm angewiesen zu sein.

Doch von den 44 nichtmilitärischen Satelliten, die um die Erde kreisen und auch für die Übertragung von Telekommunikations- und Fernsehsignale zuständig sind, könnten 34 jeden Augenblick ausfallen, warnte am Dienstag Konstantin Kreidenko, ein Sprecher der russischen Weltraumbehörde.

Sollten tatsächlich einige der Satelliten ausfallen, müsste Russland das Ausland um Hilfe bitten, was aber teurer käme, als neue Satelliten in Russland herzustellen, meinte Kreidenko wohl nicht ganz ohne egoistischen Hintergedanken. Mit ausländischen Satelliten müsste Russland bis zu 400 Millionen Dollar ausgeben, um Telekommunikation, Fernsehen und Wetterdienste aufrechtzuerhalten, rechnete Vladimir Umnikov von der Weltraumbehörde aus. Das aber sei drei Mal mehr, als der Jahresetat Russlands für Weltraumaktivitäten.

Und dann gibt es, wenn man auf ausländische Satelliten ausweichen müsste, noch die Sorgen um die nationale Sicherheit: "Wenn wir ausländische Dienste in Anspruch nehmen, würde wir die nationale Sicherheit unseres Landes gefährden, die teilweise durch Satelliten gewährleistet wird, deren Konstruktion ein Staatsgeheimnis ist", meinte Umnikov. Allerdings könne man wegen fehlender Gelder nur schrittweise für eigenen Ersatz sorgen.

Aber damit sind die Probleme mit der Technik noch nicht zu Ende. Auch was die Beteiligung an der Internationalen Raumstation anbelangt, könnte es zu neuen Schwierigkeiten kommen, denn wie Russland die notwendigen Gelder auftreibt, ist nicht geklärt: "Das ist nicht im Rahmen des Haushaltsjahres 2000 oder im Rahmen der Verpflichtungen für die ISS im Jahr 2001 gelöst", erklärte kürzlich Yuri Koptev von der russischen Luftfahrt- und Weltraumbehörde Rosaviakosmos.

Man versuche zwar, mit den Problemen fertig zu werden, und habe bereits schwere Entscheidungen getroffen, aber wenn man auch nur das Notwendigste machen würde, so sind die Russen dennoch verpflichtet, im Jahr 2001 sechs unbemannte und zwei bemannte Flüge zur ISS durchzuführen. Dazu sind Trägerraketen und Raumschiffe nötig. 20 Raumschiffe werden sind gerade im Bau, deren Finanzierung aber noch nicht gesichert ist. Russland könne zwar, sollte kein Geld vorhanden sein, nach Wegen suchen, wie es anständig aus dem Abkommen mit den 15 anderen an der ISS beteiligten Ländern herauskommt, Koptev hegt aber natürlich dei Hoffnung, "dass die Regierung des Landes niemals diesen Weg einschlagen wird".

Dafür aber scheint es mit der privatisierten Raumstation Mir erfolgreicher weiter zu gehen. Bekanntlich soll einer der Teilnehmer der US-TV-Serie "Survivor" auf die betagte Raumstation fahren dürfen - oder muss er gar? Nach der U-Boot-Katastrophe und dem Brand auf dem Fernsehturm ist das Vertrauen in die russische Technik möglciherweise doch etwas angekratzt. Zehn Amerikaner, die während der Serie ausgewählt werden, sollen an einem Training in Russland teilnehmen. Der Gewinner wird dann nächstes Jahr zusammen mit russischen Astronauten und dem amerikanischen Geschäftsmann Dennis Tito zur Mir fliegen und dort zwischen sieben und zehn Tage lang bleiben. Der 59-Jährige zahlt für die Reise aus eigener Tasche und hat bereits die notwendigen medizinischen Tests bestanden. Angeblich habe er bereits einige Millionen Dollar angezahlt. Ein Flug soll 20 Millionen Dollar kosten.

MirCorps, in Holland ansässiger Betreiber der russischen Raumstation, die eigentlich durch den Eintritt in die Erdatmosphäre zerstört werden sollte, versucht durch kommerzielle Unternehmungen die Gelder aufzubringen, um die Raumstation am Leben zu erhalten und Flüge zu ihr zu finanzieren, was allerdings von den Ländern, die an der ISS beteiligt sind, auch schon kritisiert worden ist, weil man dadurch das russische Engagement für die gemeinsame Unternehmung gefährdet sieht. MirCorps gehört zu 60 Prozent RSC Energia, die wiederum auch für Russland an der ISS beteiligt ist.