Farbenspiele in Schleswig-Holstein

Grüne und FDP: Rivalität in der liberalen Familie. Was ist eigentlich "sozialliberal"?

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Nun beginnt wieder die Debatte um die Farbenspiele. Soll es nach der Landtagswahl in Schleswig-Holstein eine Jamaika- oder eine Ampelkoalition geben? Es ist eine seit Jahren geführte Mediendebatte, bei der es inhaltlich kaum um etwas geht. Die Kontroverse dient eher zur Profilierung der Parteien und zum Hochtreiben des Preises. Würden die Grünen beispielsweise sofort begeistert auf eine Koalition mit der Union zusteuern, dann würden sie ja in den Verhandlungen ihr Pulver verschießen.

Es geht um bessere Positionen bei Verhandlungen

Können sie doch mehr Posten oder vielleicht auch mehr Windkraftwerke oder was Grünen sonst noch so am Herzen liegt, bei den Verhandlungen herausschlagen, wenn sie sich die Option offen halten, auch mit der SPD regieren zu können. Wichtig ist dabei nur, keine Koalitionen auszuschließen. Politiker, wie die heute schon fast vergessene Andrea Ypsilantis mussten erfahren, dass eine Karriere beendet sein kann, wenn man erst eine Koalitionsvariante ausschließt und sie dann doch eingehen will.

Dagegen sind die Grünen in Schleswig Holstein schon schlau genug und haben ihre Präferenzen auf eine Ampelkoalition gesetzt - ohne ein Bündnis mit der CDU auszuschließen. Gleiches gilt natürlich umgekehrt auch für die FDP, die ihre Sympathie für eine Regierung mit der CDU anmeldet, ohne eine andere Koalition grundsätzlich auszuschließen. Nur mit dem noch amtierenden Ministerpräsidenten will man nicht regieren.

Doch diese Frage dürfte sich regeln lassen. Wenn es nach der Sitzung der SPD in Schleswig Holstein heißt, dass ein Rücktritt von Albig kein Thema war und dann noch hinzugesetzt wurde, dass aber die Enttäuschung über das Wahlergebnis groß ist, heißt das, dass niemand in der SPD für Albig kämpfen wird. Die Frage ist nur, wer ihn ersetzen soll. Bisher hat sich niemand gemeldet.

Alle Varianten möglich

Es sind grundsätzlich alle Varianten in Schleswig-Holstein möglich. Der Wahlausgang in NRW spielt da auch zumindest stimmungsmäßig eine Rolle. Wird auch in diesem entscheidenden Bundesland die SPD abgestraft, stehen auch in Schleswig-Holstein die Chancen für die CDU besser, die Regierung zu bilden. Solle in NRW die SPD ein respektables Ergebnis erhalten oder sogar zulegen, wächst auch im Norden das Selbstbewusstsein der Sozialdemokraten. Schließlich befinden wir uns dann endgültig im Bundestagswahlkampf und alles was in einem Bundesland geschieht, wird auf bundesweite Auswirkungen abgeklopft.

Vor diesen Hintergrund dürfte eine Jamaika-Koalition in Schleswig Holstein die wahrscheinlichere Variante sein. Dann hätten CDU, Grüne und FDP schon mal signalisiert, es gibt auch eine Regierungsvariante ohne die SPD und eine Alternative zur gar nicht mehr so großen Koalition. Auch die Union hat verstärktes Interesse an einen solchen Modell, weil sie damit ihre Koalitionsmöglichkeiten erweitern könnte.

Dass es zwischen den beiden Parteien keine Berührungsangst mehr gibt, zeigt sich schon daran, dass ein schwarzgrünes Bündnis in Hessen relativ geräuschlos und ohne große Turbulenzen regiert. Dabei ist der hessische CDU-Landesverband besonders rechtslastig. Die Weichen für den Rechtskurs wurden schon unter dem Deutschnationalen Alfred Dregger gelegt und unter Roland Koch nahtlos fortgesetzt.

Das veranlasste den liberalen Publizisten Michel Friedmann zum Austritt aus der hessischen CDU. Dass sich dort politisch etwas geändert hat, zeigt sich erst jetzt wieder, wo die CDU den Rechtsaußen Hans Jürgen Irmer, der eher zum rechten Flügel der AfD passen würde, in den Bundestag schicken will. Und selbst mit diesem rechten CDU-Landesverband klappt eine Koalition mit den Grünen ohne größere Probleme. Das ist auch ein Signal dafür, dass die Grünen überall mit der Union koalieren können.

Streit in der liberalen Familie

Mit der FDP ist es oft etwas schwerer, was aber nicht an unüberwindlichen politischen Differenzen liegt, sondern an geschmäcklerischen Kulturkämpfe innerhalb der Liberalen in Deutschland, die sich mit den Grünen und der FDP in zwei Parteien organisiert. Gerade, weil Grüne und FDP aus dem gleichen bürgerlichen Milieu kommen, werden die feinen vor allem kulturalistischen Unterschiede von beiden Parteien besonders herausgestellt, was eine Kooperation schwieriger macht.

Dazu trägt natürlich auch bei, dass man durchaus im gleichen Milieu um Stimmen ringt. Jenseits dieser Kämpfe um Distinktion kann man heute einen Haushaltspolitiker der CDU kaum von einem der FDP unterscheiden. Dabei dürfen aber die kulturalistischen Kämpfe zwischen den Liberalen, die unter der grünen oder blauen Fahne in den Wahlkampf ziehen, nicht unterschätzt werden. Wenn eine Jamaika-Koalition im Norden scheitert, dann daran.

Was aber eher für diese Farbkonstellation spricht, ist das politische Interesse bei der Union und den Grünen. Die CDU hat bei fast allen Landtagswahlen der letzten Jahre Avancen an die Grünen gemacht. Die Partei will sich damit einfach eine weitere Machtoption jenseits der großen Koalition mit der SPD sichern. Noch ist die AfD nicht in einem Zustand, in dem die Union offen mit ihr kooperieren könnte. Das dürfte noch einige Jahre dauern. Daher ist es für die Union ein strategisches Ziel, ihr Verhältnis zu den Grünen zu verbessern.