Feldherrenpose oder doch nur Krachmacher?

Richard Grenell. Bild: Amerikanisches Verteidigungsministerium/gemeinfrei

Trumps Lieblingsbotschafter Grenell droht Deutschland mit Truppenabzug und provoziert scharfe Reaktionen

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US-Botschafter Richard Grenell wird in Berlin, wie es exklusive Einsichten des Hamburger Investigativmagazins nahelegen, regierungsintern wie eine Nervensäge behandelt. Man ignoriert dort seine Äußerungen, so gut es geht. Zumindest nach außen hin will sich die Bundesregierung nicht mehr ärgern lassen, hat der Spiegel erfahren.

Die wichtigsten Ministerien hätten sich untereinander abgesprochen, die Grenellschen Attacken nicht mehr öffentlich zu kommentieren: Es gebe keine Stellungnahmen mehr, stattdessen rede man lieber mit "Washington". Der Trick scheint aber nicht wirklich zu funktionieren: "Das allerdings macht seine Attacken nicht weniger ärgerlich."

Am heutigen Freitag startete Richard Grenell über dpa einen neuen Angriff auf, die auf moralische Verpflichtungen losstachelt, Schutz und Sicherheit in Frage stellt und deutschem Geld Vorwürfe macht - eine wirkungsvolle Mischung, um in Deutschland Verärgerung auszulösen.

Es ist wirklich beleidigend zu erwarten, dass der amerikanische Steuerzahler weiter mehr als 50.000 Amerikaner in Deutschland bezahlt, aber die Deutschen ihren Handelsüberschuss für heimische Zwecke verwenden.

Richard Grenell, US-Botschafter in Deutschland

Grenell, so der Rahmen, in den die Äußerung gestellt wird, hat laut der Nachrichtenagentur auf einen Tweet der US-Botschafterin in Polen, Georgette Mosbacher, reagiert. Mosbacher stellte die polnische Pflichterfüllung als Exempel heraus und regte an, dass die US-Truppen Deutschland verlassen, um in Polen stationiert zu werden:

Polen erfüllt seine Zahlungsverpflichtung von zwei Prozent des BIP gegenüber der Nato. Deutschland tut das nicht. Wir würden es begrüßen, wenn die amerikanischen Truppen in Deutschland nach Polen kämen.

Georgette Mosbacher

US-Präsident Trump soll eine solche Truppenverlegung gegenüber seinem polnischen Amtspräsidenten Andrzej Duda im Juni ins Spiel gebracht haben, heißt es weiter in der Meldung, woran dann Grenell anknüpfte:

Präsident Trump hat Recht und Georgette Mosbacher hat Recht. (…) Zahlreiche Präsidenten haben die größte Volkswirtschaft Europas gebeten, für ihre eigene Verteidigung zu zahlen. Das ist eine Bitte, die sich über viele Jahre und viele Regierungen hingezogen hat.

Richard Grenell

Einer aus der Regierung hat sich tatsächlich geärgert: Casten Schneider von der SPD. Der erste Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion sagte dem Spiegel, dass die Äußerungen unter Verbündeten "unangemessen" seien. Deutschland lasse sich nicht erpressen und außerdem: "Die Feldherrenpose nutzt sich ab."

Das ist keine angemessene Replik. Denn Richard Grenell ist nicht vom Fach, kein Feldherr, er kennt sich auf dem militärischen Gebiet nicht aus, er belehrt ohne Sachverstand.

Strategisch wenig praktisch

Eine Verlegung der US-Truppen nach Polen würde bei hohem Aufwand und Kosten aus militärischer Sicht "recht wenig bringen" und ist unpraktisch, so der Verteidigungsexperte Thomas Wiegold, der auf seinem Blog "Augen geradeaus" die größeren Installationen der US-Streitkräfte in Deutschland auflistet - in der Hauptsache:

  • Das U.S. European Command in Stuttgart
  • Das U.S. Africa Command in Stuttgart
  • Das Hauptquartier der U.S. Army Europe in Wiesbaden
  • Die Ramstein Air Base der U.S. Air Force
  • Die (offiziell nicht bestätigten) US-Atomwaffen in Büchel
  • Das Krankenhaus der US-Streitkräfte in Landstuhl

Diese Einrichtungen haben weniger mit dem Schutzinteresse Deutschlands zu tun als mit den weiter gefassten strategischen Interessen der USA. Das Aktionsgebiet der hier installierten Kommandos und der stationierten Truppen" sei nicht Deutschland, erklärt Wiegold, "sondern die von hier aus (im Vergleich zu den USA) viel leichter erreichbaren Einsatzgebiete: In den vergangenen Jahren Afghanistan und der Irak, und sowohl die Nordost- als auch die Südostflanke der NATO sind ungefähr gleichermaßen gut erreichbar."

Eine Verlegung von US-Truppen nach Polen würde sehr teuer kommen und aufgrund der Lage Polens mit sich bringen, dass mehr Aufwand betrieben werden muss, "um Verkehrswege sicherzustellen". Der einzige Vorteil wäre, so Wiegold, dass US-Truppen damit näher an der Nordostflanke der Nato wären.

Das würde aber aller Wahrscheinlichkeit nach, was Wiegold gar nicht erwähnt, die Spannungen mit Russland grund- und sinnlos aufheizen. Wozu dieses Risiko eingehen? Um Stärke zu demonstrieren, für die jeder Aufwand recht ist?

Wäre es nicht zu billig, könnte man die Pose Richard Grenells damit erklären, dass der Botschafter einfach nur kindlich begeistert von der "Maximal Pressure"-Idee seines Chefs ist und dies in der Provinz immer wieder neu ausprobiert.

Was die deutschen Verteidigungsausgaben betrifft, so rennt Grenell in Deutschland ohnehin viele offene Türen ein. Dazu reicht ein Blick in Medien wie die FAZ, die in ihrem Bericht herausstellt, dass Deutschland bei den Verteidigungsausgaben nach wie vor "weit unter dem Nato-Ziel von zwei Prozent liegt und dafür von Trump regelmäßig scharf kritisiert" wird. Oder eben ins Verteidigungsministerium, wo Kramp-Karrenbauer sich "besonders devot gegenüber Trumps Forderungen und denen der Nato" zeigt (siehe: AKK: "Wir werden die Sichtbarkeit der Bundeswehr in unserer Gesellschaft erhöhen").

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