Fischerei am Abgrund - Klimawandel und Überfischung gefährden Bestände

Die EU-Kommission will umweltschädliche Fangmethoden wie Schleppnetze verhindern. Krabbenfischer sehen ihre Existenz bedroht. Auch erhöhte Wassertemperaturen setzen Meerestieren zu.

Ursprünglich war ein Verbot der Fischerei mit Grundschleppnetzen in Schutzgebieten bis spätestens 2030 geplant. Erste Maßnahmen sollen bereits Ende März 2024 in Kraft treten. Bereits im Februar hatte die EU-Kommission an ihre Mitgliedstaaten appelliert, mit nationalen Maßnahmen in ihren Meeresschutzgebieten die Fischerei mit Grundschleppnetzen einzustellen. Dagegen formierte sich nun Widerstand. Bei einem Treffen aller Agrarminister in Büsum an der Nordseeküste protestierten zahlreiche Krabbenfischer gegen das geplante Aus von Grundschleppnetzen.

Das geplante Totalverbot gehe zu weit, weil damit die Krabbenfischerei komplett oder weitgehend abgeschafft würde – mit dieser Begründung wies Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) einen aktuellen Aktionsplan der EU-Kommission zur Einschränkung der Fischerei mit Grundschleppnetzen zurück. Auch die Agrarminister der Länder unterstützen ihn im Kampf gegen ein pauschales Schleppnetzverbot.

Es gehe nicht nur um wirtschaftliche Existenzen, sondern auch um Tradition, Tourismus, Heimat. Man müsse ökologische Interessen vertreten und gleichzeitig der Fischerei eine Zukunft bieten, erklärte Özdemir. Wie die Tradition fortgesetzt werden soll, was die Touristen essen und wie unsere Heimat aussehen soll, wenn die Meere leergefischt sind, dazu äußerte er sich nicht. Keinen Hinweis darauf, was Krabbenfischer fangen sollen, wenn es keine Fische, Krabben oder andere Meerestiere mehr gibt.

In der deutschen Nordsee werden Grundschleppnetze vor allem beim Fang von Krabben, Plattfischen, Garnelen, Schollen oder bodennah lebenden Fischen wie Kabeljau eingesetzt. Beim Ostsee-Dorsch (Kabeljau) sind die Bestände bereits aufgrund jahrelanger Überfischung zusammengebrochen.

Die gigantischen trichterförmigen Netze, die von Fischkuttern über den Meeresboden gezogen werden, richten irreparable ökologische Schäden an. Mit Metallplatten und Holz beschwerte Netze pflügen den Boden regelrecht um. Bei der Jagd auf Schollen und Seezungen in der offenen Nordsee schrammen schwere Ketten und Geschirr mit kleinmaschigen Netzen über den Untergrund.

Dabei werden Laichplätze aufgewühlt, Fische aufgescheucht, Pflanzen entwurzelt. Der Meeresboden wird verschlammt, versandet und verwüstet, tausende Meerestiere und Organismen getötet. Würde Ähnliches auf dem Land passieren, wäre das so, als würden riesige Bulldozer alles plattmachen, weiß Rainer Froese vom Geomar Helmholtz-Zentrum in Kiel.

Vor 150 Jahren waren die südliche Nordsee und die Deutsche Bucht ein riesiges Austernfeld, erklärt der Geomar-Eperte. Am Meeresgrund gab es jede Menge Leben. Heute gibt es hier nur noch verschlammte Nordsee. In der gesamten EU gebe es kaum ein Schutzgebiet, in dem die Fischerei verboten ist, klagt der Meeresökologe. Mehr als ein Drittel der weltweiten Fischbestände zu stark befischt, die meisten Meeresregionen innerhalb der EU.

Im Nordpazifik nahe der chinesischen und japanischen Küste, im Atlantik sowie in Westafrika und Indonesien werden die Meere seit Jahren von Industriefischern aus Europa und China illegal befischt. Mehr als 50 Prozent der Fischbestände werden hier größtenteils von ausländischen Flotten befischt. In der EU sind vor allem die Nord- und Ostsee von akuter Überfischung betroffen. Gerade mal acht Prozent der Weltmeere sind geschützt, selbst in ausgewiesenen Schutzzonen wird gefischt. Nur etwa ein Prozent der Schutzgebiete seien auch wirklich frei von Fischereibooten.

Grundschleppnetzfischerei bedroht das Klima

Die martialischen Fangmethoden bedrohen nicht nur die biologische Vielfalt der Meere. Glaubt man einer Studie, die 2021 im Fachmagazin Nature veröffentlicht wurde, setzt das Aufwühlen des Meeresbodens durch schweres Gerät jedes Jahr durchschnittlich eine Gigatonne Kohlendioxid frei. Das ist mehr als der Flugzeugverkehr weltweit emittiert.

In den aufgewühlten Sedimenten werden organische Kohlenstoffverbindungen freigesetzt und zu klimaschädlichem Kohlendioxid umgewandelt. Infolgedessen versauern die Ozeane und die Meere nehmen weniger Kohlendioxid aus der Luft auf. Das wiederum verstärkt den Treibhauseffekt. So greift das kohlensäurehaltige Wasser Meerestiere wie Korallen oder kalkhaltige Kleintiere wie Muscheln an.

Weil all dies unter Wasser passiert, bekommen weder Touristen noch Einwohner davon etwas mit. Hier helfen keine Schutzgebiete, sondern nur eine drastische Verringerung des klimarelevanten Treibhausgase. Wie der aktuelle Ozeanbericht des Weltklimarats zeigt, leiden die Meere ohnehin unter steigenden Temperaturen, Sauerstoffknappheit, dem Sterben bzw. Abwandern von Meerestieren.

Mit der Erwärmung der Ozeane verlagern sich die marinen Arten in höhere Breiten und tiefere Gewässer. Die Fischbestände gehen zurück oder werden großflächig umverteilt. Dies trifft besonders tropische Länder, die von Fischproteinen abhängig sind. Auch in europäischen Gewässern löst die Verschiebung der Arten Konflikte aus, so beispielsweise um den norwegischen Heringsbestand, der im Frühjahr laicht.

Das bedroht nicht nur die marinen Ökosysteme und die schwindenden Wirbeltierpopulationen, sondern auch Millionen Menschen, die von Fischerei und Aquakultur leben.