Flamanville: ein Fiasko

Die Baustelle in Flamanville, 2010. Bild: schoella/CC BY 3.0

Das Institut für Strahlenschutz und nukleare Sicherheit (IRSN) stellt Funktionsstörungen bei den Sicherheitsventilen des EPR-Reaktors fest

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Die Sicherheitsvorkehrungen des neuen EPR-Reaktors in Flamanville sind noch schlechter als die der 58 aktiven Reaktoren im französischen AKW-Park. Der Befund steht in einer Zustandsbeschreibung des Instituts für Strahlenschutz und nukleare Sicherheit (IRSN). Die Regierung hat zum EPR-Fiasko eine weitere Pointe in petto.

Der staatliche Stromkonzern EDF soll den verschuldeten EPR-Hersteller Areva mehrheitlich übernehmen. Das Bonbon dafür, dass er das Fiasko auffängt: die Sicherheitskriterien könnten angepasst, sprich: gesenkt werden.

Das berichtet Mediapart, eine Internet-Zeitung, die leider häufig die Bezahlschranken herunterlässt, im Gegenzug aber kritische Berichte veröffentlicht, vor denen andere zurückscheuen.

So sind auf der Webseite auch die Berichte und Befunde der französischen Atomsicherheitsbehörde (ASN) und des Institut für Strahlenschutz und nukleare Sicherheit (IRSN) zu lesen, die auf "Anomalien" und "Dysfunktionen" der EPR-Reaktoren in Flamanville aufmerksam machen.

Sie kritisieren im Detail wesentliche Elemente, die etwa von der EPR-Beschreibung der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) als zugrundeliegende "sicherheitstechnisch fortgeschrittene Anforderungen und ein überarbeitetes Sicherheitskonzept" des neuen Reaktortyps erwähnt werden: die Hülle des Reaktorbehälters und die Druckventile.

Das Material, das für die Hülle des Reaktordruckbehälter verwendet wird, hält Widerstandsproben, durchgeführt bei verschiedenen Temperaturen, nicht wie erforderlich stand. Die Gefahr der Bildung von Rissen sei gegeben, warnte ein Bericht der Atomsicherheitsbehörde im April: eine Anomalie, die als "schwerwiegend, sehr schwerwiegend" eingestuft wurde.

Bereits im Februar notiert ein Arbeitsbericht er IRSN, der nun von Mediapart veröffentlicht wird, dass die pilotgesteuerten Druckhalter-Sicherheitsventile, sich nicht so verhalten, wie dies in Prospekten ("technologisch führend") suggeriert wird. Sie öffnen und schließen sich aleatorisch, unangebracht, wie die IRSN bei Überprüfungen beobachtet hat ("échec à l’ouverture observé"; "échec à la fermeture observé").

Die Ventile, die zur Druckentlastung dienen und eine Schlüsselfunktion für die Wasserkreisläufe haben, seien entscheidend für den Verlauf im Unglücksfall. Eine Dysfunktion könne zu Katastrophen führen, wie 1979 in Three Mile Island, kommentiert der Mediapart-Bericht.

Für die französische Regierung und die EDF stellt sich angesichts der Zukunft des EPR nun eine Existenzfrage mit hamletschen Anklängen: trotz dieser Erfahrungen weitermachen? Immerhin hat man sich viel Know-How erworben. Aber wie weitermachen? Mit verzweifelten Bemühungen, irre unberechenbar?