Folge von Pandemie und Homeoffice: Mehr Deutsche investieren in Aktien und Fonds

Bild: Sergei Tokmakov auf Pixabay

Den Zusammenhang behauptet eine aktuelle Studie deutscher Wirtschaftsforscher. Wegfallende Arbeitswege ließen mehr Zeit, sich mit Wertpapieren zu beschäftigen. Warum die Studie trügerische Hoffnungen weckt.

In Deutschland genießen Aktien, Fonds und andere Wertpapiere eine zunehmende Beliebtheit. Im vergangenen Jahr investierten etwa 12,9 Millionen Menschen in der Bundesrepublik in diese Anlagen, wie das Deutsche Aktieninstitut (DAI) im Januar berichtete.

Das Jahr 2022 sei ein sehr erfreuliches Jahr für die Aktienkultur in Deutschland gewesen, hieß es. Die Zahl der Anleger habe den Höchststand von 2001 übertroffen. Und die Börse sei jünger geworden: Drei Viertel der Neuaktionäre, in Zahlen: 600.000, seien junge Erwachsene unter 30 Jahren gewesen. Diese Altersgruppe habe im Vergleich zum Vorjahr den stärksten Anstieg erlebt.

Weshalb es in Deutschland wieder mehr Interesse an Wertpapieren gibt und welche Einkommensschichten sich für diese Geldanlage entscheiden, hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in einer aktuellen Studie für das Jahr 2020 untersucht.

Das Ergebnis überrascht und wirkt reichlich spekulativ: Anhand der Daten des sozio-oekonomischen Panels (SOEP) wollen die Studienautoren einen Zusammenhang zwischen der Arbeit im Homeoffice und dem Interesse für Aktien entdeckt haben.

Besonders bei jenen Personen im unteren Einkommensviertel sei demnach dieser Zusammenhang deutlich nachzuweisen gewesen. Bei Menschen mit mittleren Einkommen sei er noch sichtbar, so Studienautor Lorenz Meister weiter. Aber für die Personen mit den höchsten Einkommen spiele Homeoffice für den Aktienbesitz keine Rolle mehr.

Meister erklärte den Zusammenhang zwischen Aktienkauf und Homeoffice so:

Wir vermuten, dass der Zusammenhang durch Zeiteinsparungen begründet ist, die dadurch entstehen, dass die Leute ja den Arbeitsweg einsparen und ihre Zeit flexibler einteilen können. Was dafür spricht ist, dass der Effekt vor allem bei Menschen ohne Kinder zu beobachten ist und weniger bei Menschen mit Kindern, die ihre eingesparte Zeit eher für die Kinderbetreuung verwenden.

Einen zeitlichen Zusammenhang stellen die Forscher über eine Analyse zum Google-Suchbegriff "Aktien" her. Seit 2015 habe sich das Interesse relativ konstant gehalten, bis es zu Beginn der Pandemie einen sprunghaften Anstieg gegeben habe.

Das könnte den Studienautoren zufolge damit erklärt werden, "dass die Menschen aus dem Homeoffice heraus mehr freie Zeit am Computer verbringen und diese teilweise darauf verwenden, sich über Aktien zu informieren".

Es stellt sich allerdings die Frage, ob die DIW-Studie auch den Anstieg der Aktionäre erklären könnte, der im vergangenen Jahr zu verzeichnen war. Dagegen würde sprechen, dass die Pflicht zum Homeoffice bereits im März endete.

Der Anstieg könnte allerdings mit einem Punkt erklärbar sein, dem die Studienautoren nur eine untergeordnete Rolle zuweisen: dem Aufkommen sogenannter Neobroker. Das sind Internetplattformen, die oftmals mit großen Banken zusammenarbeiten. Über sie kann man Aktien und Fondsanteile ohne großen Aufwand und ohne hohe Kosten erwerben und handeln.

"Aktiensparen" über Sparpläne bieten inzwischen auch viele große Banken an. Mit monatlichen Raten, teilweise ab zehn Euro, ist es auch Menschen mit geringen Einkommen möglich, Aktien oder Anteile an Fonds zu erwerben. Die zahlreichen Internetseiten und YouTube-Kanäle, die sich speziell an diese Sparer richten, tun das Übrige, um Interesse zu wecken.

Den Schluss, den die Studienautoren daraus ziehen, ist allerdings nicht nachvollziehbar. Lukas Menkhoff, Co-Autor der Studie und Leiter der DIW-Abteilung Weltwirtschaft, sagte:

Dass durch das Homeoffice auch Menschen mit eher niedrigen Einkommen in den Aktienmarkt eingestiegen sind, ist eine gute Nachricht, die langfristig sogar zu einer gleichmäßigeren Einkommens- und Vermögensverteilung beitragen kann.

Diese Hoffnung ist trügerisch. Man muss sparen können, um ein Vermögen aufbauen zu können, aus dem dann wieder Kapitaleinkünfte generiert werden. Wie viel die Deutschen allerdings monatlich zur Seite legen können, wird unterschiedlich bewertet.

Eine Umfrage von Splendid Research von 2018 ergab, dass 15 Prozent der Deutschen mehr als 200 Euro im Monat sparen. Dagegen waren 51 Prozent entweder gar nicht in der Lage, etwas zur Seite zu legen, oder sie sparten nur Beträge von bis zu 50 Euro im Monat.

Eine Konsumentenbefragung von Statista aus dem Jahr 2022 ergab andere Werte. Mehr als 200 Euro im Monat konnten demnach 38 Prozent der Befragten zurücklegen. 45 Prozent lagen mit ihrer Sparsumme darunter, die Übrigen gaben an, keine Übersicht über ihr Sparverhalten zu haben.

Vor diesem Hintergrund scheint es zwar möglich, ein kleines Vermögen aufzubauen, je nachdem, wie lang und wie viel man spart, wie sich die Kurse an den Börsen und die ausgeschütteten Dividenden entwickeln. Aber gerade für Menschen mit geringen Einkommen dürfte eine "gleichmäßigere Einkommens- und Vermögensverteilung" eine Utopie bleiben.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.