Folgen der Kreditkrise

BIZ analysiert die internationalen Kreditmärkte nach dem Ausbruch der Finanzkrise

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Laut der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich wurden die Interbank-Kredite zwischen den Banken der westlichen Industriestaaten nach dem „Kredit-Crunch“ im Sommer 2007 stark zurückgefahren – und gingen nun vor allem an die „Emerging Markets“.

Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), die Baseler „Zentralbank der Notenbanken“, hat in ihrem aktuellen Quartalsbericht die internationalen Kreditmärkten nach dem Ausbruch der Finanzmarktkrise im 2. Halbjahr 2007 analysiert. Die BIZ verfügt dahingehend über privilegierte Informationen, denn da sie eine Vielzahl internationaler Finanzmarktstatistiken führt, sind die meisten internationalen Großbanken verpflichtet, ihre grenzüberschreitenden Forderungen und Verpflichtungen (aufgeschlüsselt nach Laufzeit, Währung und Art der Forderung) direkt an die BIZ zu melden.

Von 2000 bis zum Ausbruch der Krise hatten die Banken demnach ihre internationalen Aktivitäten stetig und so stark ausgeweitet, wie seit Mitte der 1980er Jahre nicht mehr. Den Höhepunkt hatte das Kreditwachstum mit 22 Prozent im 3. Quartal 2007 erreicht, wodurch das Volumen an grenzüberschreitenden Verpflichtungen von Ende 2000 bis Ende 2007 insgesamt von weniger als 12 Billionen USD auf mehr als 37 Billiarde Dollar angestiegen war.

39 Prozent des Zuwachses – rund 10 Billionen USD – ging davon an Nicht-Banken, wovon wiederum rund ein Drittel in der Form von Anleihen, und dabei vor allem in der Form von Europäischen und US-Staatsanleihen gehalten wurde. Ein Großteil des Wachstums der Nettoverpflichtungen gegenüber Banken in der Schweiz, der Eurozone, asiatischen Finanzzentren und Banken der Ölexporteure wurde in erster Linie für Kredite an Nicht-Banken in den USA verwendet, woraus sich signifikante Unterschiede in den globalen Forderungsmustern zwischen europäischen und US-Banken ergeben haben:

US-Banken nahmen Gelder bei Nicht-Banken auf und reichten diese im Interbankenverkehr an andere Banken weiter. Bis Mitte 2007 waren die Netto-Forderungen der US-Banken gegenüber (unverbundenen) anderen Banken so auf 443 Milliarden USD angestiegen, während diese Bilanz noch 1999 praktisch ausgeglichen gewesen war. Europäische Banken hatten ihre Dollar-Investitionen in US-Nicht-Banken (z.B. den US-Immobiliensektor) hingegen durch Kredite bei anderen Banken finanziert, wodurch ihre Netto-Verpflichtungen gegenüber Banken (inklusive Zentralbanken) Ende 2007 auf über 800 Mrd. USD angestiegen waren. Die auf Dollar laufenden Forderungen von Deutschen, Schweizer und Britischen Banken gegenüber Nicht-Banken stieg so seit 2000 um zusammen 499 Mrd. USD an.

Aus diesen divergierenden Positionen der Europäischen und der US-Banken ergab sich laut BIZ der relativ hoher Dollar-Finanzierungsbedarf europäischer Banken, der wesentlich für die Interbanken-Kreditklemme des 2. Halbjahrs 2007 verantwortlich war. Immerhin wurden die Dollar-Ausreichungen an Nicht-Banken überwiegend langfristig vergeben, während die am Interbankenmarkt aufgenommenen Dollars in der Regel kurze Laufzeiten hatten und stetig prolongiert werden mussten, was während der Turbulenzen im 2.Halbjahr zusehends schwieriger wurde.

Zwar zeigen die BIZ-Daten für das 2. Halbjahr insgesamt kaum Anzeichen für einen abrupten Rückgang der internationalen Kreditvergaben, wofür vor allem Kredite an „Emerging Markets“ verantwortlich waren. So ging die Kreditexpansion erst im 4. Quartal leicht zurück, wobei im 2.Halbjahr insgesamt noch immer ein Kreditzuwachs um 2,2 Billionen USD verzeichnet wurde, wovon – wie in den Jahren zuvor – fast zwei Drittel auf Interbanken-Forderungen entfielen. Allerdings zeigten sich signifikante Verschiebungen, die laut BIZ mit den Turbulenzen begründet sein dürften. So reduzierten britische Banken ihre Forderungen gegenüber US-Nicht-Banken im 2. Halbjahr um 77 Mrd. USD, Offshore-Banken (insbesondere von den Cayman-Inseln) reduzierten ihre entsprechenden Forderungen um 14 Mrd. USD und schweizer, holländische, belgische und irische Banken hatten zusammen satte 283 Mrd. USD von US-Nicht-Banken abgezogen, was laut BIZ einen „scharfen Kontrast“ zur anhaltend starken Kreditexpansion gegenüber „Emerging Markets“ darstellte.

Trotz der massiven Anstrengungen der Notenbanken, um die Liquidität an den Interbankenmärkten aufrecht zu erhalten, reduzierten aber auch einige Notenbanken ihre im Interbankenmarkt gehaltenen Devisenreserven, die ansonsten jedoch einen zunehmend größeren Anteil an der internationalen Banken-Refinanzierung stellten. So hatten die an die BIZ berichtenden Banken zum Jahresende 2007 zusammen 1,7 Billionen USD bei Notenbanken aufgenommen. Dies jedoch vor allem bei den asiatischen Exportnationen, denn die Zentralbanken von Australien, Brasilien, Chile, Tschechien, Indien, Russland und Großbritanniens hatten ihre Interbanken-Forderungen im 2.Halbjahr zusammen um 109 Mrd. USD reduziert und im 1. Quartal 2008 um weitere 52 Mrd. USD verringert, wovon vor allem die Forderungen gegenüber schweizer (35 Mrd. USD), französischen (23 Mrd.) und irischen (17 Mrd.) Banken stark zurück gingen, ebenso jene gegenüber den britischen Banken.

Japanische und europäische Banken reduzierten ihre Bestände an US-Staatsanleihen drastisch. Grafik: BIZ

Viele Banken waren folglich gezwungen, verstärkt Liquidität im Dollar-Segment zu mobilisieren. Dafür beanspruchten sie ihre Auslandsfilialen, schraubten ihre US-Kreditvergaben zurück und nahmen Gelder an den regionalen Interbankmärkten auf, die von den Turbulenzen weniger betroffen waren. Besonders europäische Banken reduzierten im 2.Halbjahr 2007 die Dollar-Forderungen ihrer US-Töchter um zusammen 239 Mrd. USD, und reduzierten gleichzeitig ihre Bestände an US-Staatsanleihen drastisch. Letzteres betraf vor allem die von der Krise am stärksten betroffenen europäischen Banken, beispielsweise jene aus der Schweiz, während die weniger betroffenen japanischen Banken über ihre Auslandstöchter Gelder in den Interbankenmarkt pumpten. Diese wurden besonders von britischen Banken gerne genommen, die im 2. Halbjahr ihre Verpflichtungen gegenüber ausländischen Banken um 228 Mrd. USD erhöhten. Allerdings haben die UK-Banken diese Gelder nicht wiederum als Kredite vergeben, sondern damit vor allem ihre Liquiditätspositionen gestärkt, was die BIZ aus einem Rückgang der Fremdwährungskredite innerhalb des britischen Interbankenmarktes schließt, die in diesem Zeitraum um 154 Mrd. USD (15 Prozent) abnahmen.

Zuvor waren die internationalen Ausleihungen allerdings noch sehr stark gestiegen. So hatten französische Banken im 2.Quartal 2007 noch 357 Mrd. USD an Forderungen gegenüber US- und 270 Mrd. USD gegenüber britischen Banken ausstehen, während die Forderungen britischer Banken gegenüber Banken aus Deutschland, Frankreich und den USA bei jeweils mehr als 120 Mrd. USD lagen. Demgegenüber waren die Auslandsforderungen der US-Banken von 116 Mrd. USD im Jahr 2005 bis Mitte 2007 zwar auf insgesamt 403 Mrd. USD angewachsen, überstiegen aber gegenüber keinem nationalen Bankensystem die Summe von 100 Mrd. USD.

Im 2. Halbjahr fielen die internationalen Banken-Forderungen innerhalb der westlichen Industriestaaten jedoch drastisch zurück. So reduzierten US-Banken ihre internationalen Interbankforderungen um 62 Mrd. USD, während z.B. französische Banken ihre Forderungen gegenüber den US-Banken um 72 Mrd. USD reduzierten – was dafür sorgte, dass die internationalen Forderungen gegenüber US-Banken, erstmals seit diese Statistik geführt wird, netto zurückgingen, und zwar um sechs Prozent.

Dessen ungeachtet befinden sich die internationalen Forderungen trotz der Rückgänge in einigen Segmenten heute nach wie vor auf vergleichsweise hohen Niveaus. So belaufen sich die internationalen Kreditvergaben bei Schweizer und Holländischen Banken auf mehr als die Hälfte ihrer kombinierten Bilanzsummen und liegen bei kanadischen, Britischen, Belgischen und Französischen Banken zwischen 30 und 50 Prozent. US-Banken haben hingegen in Summe weniger als 20 Prozent ihrer Bilanzsummen an ausländische Kreditnehmer vergeben. Dementsprechend machen diese Kredite auch nur 67 Prozent des Eigenkapitals („tier 1“) der US-Banken aus, während sie bei schweizer, französischen und belgischen Banken beim Sechsfachen des Eigenkapitals liegen – mit entsprechendem Bedrohungspotential, sollte es in den zuletzt so üppig mit Krediten versorgten „Emerging Markets“ zu den sich bereits abzeichnenden Finanzschwierigkeiten kommen.