Frankreich: Große Mehrheit für das Gesetz gegen die Prostitution

Nicht wer seinen Körper und seinen Sex verkauft, soll bestraft werden, sondern wer Sex kauft und damit Gewalt ausübt

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

In Frankreich hat das Gesetz, das eine Bestrafung der Kunden von Prostituierten vorsieht ("Eine Erklärung des Hasses auf die männliche Sexualität"), die erste Hürde im Parlament genommen. Es braucht nun noch die Billigung des Senats, um umgesetzt zu werden. Mit dem Kampf gegen die Prostitution setzt die französische Regierung die Neuordnung der Geschlechterverhältnisse fort. Mit der Gleichstellung der Homo-Ehe (Frankreich: Niederlage für Gegner der gleichgeschlechtlichen Ehe) war sie zunächst auf großen Widerstand gestoßen, der sich dann aber schnell wieder gelegt und anderer Kritik an Regierungsarbeit und Präsident Hollande Platz gemacht hat.

Im Parlament sagte Marie-George Buffet von den Sozialisten vor der Abstimmung, dass man gerade an einer Entscheidung teilnehme, die als wichtiger Schritt für die Emanzipation der Menschen anerkannt werden wird. Man befreie die Gesellschaft damit von einem "System der Ausbeutung und der Herrschaft". Das Gesetz sei ein weiterer Schritt für die Befreiung der Frauen, auch wenn 15 Prozent der Prostituierten Männer sind. Prostitution sei nicht die schönste Sache der Welt, wie manche sagen, sondern eine der "gewalttätigsten Ausdrucksformen des patriarchalischen Systems".

Es mischt sich allerdings auch Kritik an der Geldwirtschaft ein, auch wenn die Abgeordnete vor allem die Männerherrschaft hinter der Entscheidung stehen sieht, "den Körper und die Intimität eines Menschen" über Geld zur Verfügung zu stellen. Buffet sieht prinzipiell in der Prostitution keinen Vertrag zwischen freien Menschen, "sondern nur Jemanden, der befiehlt, und Jemanden, der gehorcht".

Mit einer großen Mehrheit von 268 zu 138 Stimmen haben die französischen Abgeordneten die Gesetzesvorlage nach skandinavischem Vorbild angenommen, die Freier, die in flagranti erwischt werden, mit einer Geldstrafe von 1.500 Euro und bei Wiederholung von 2.750 Euro belegen würde. Alternativ oder zusätzlich müssen die Erwischten an Kursen teilnehmen, um für die Bedingungen "sensibilisiert" zu werden, unter denen Prostitution stattfindet.

Neben der Strafe sollen die Männer also gewissermaßen auch umerzogen werden. Das wird für die Frauen nicht vorausgesetzt, denen allgemein unterstellt wird, sie würden irgendwie zur Prostitution gezwungen werden, weswegen man ihnen nur Gelegenheit geben müsste, aus dieser herauszukommen. Um die Frauen nicht weiter zu bestrafen, wird die Bestrafung der "aktiven und passiven Werbung für Prostitution", eingeführt unter Sarkozy, abgeschafft. Damit konnte die Polizei leicht Prostituierte auf der Straße kontrollieren.

Viele Abgeordneten zogen es allerdings vor, nicht vor Ort zu sein und abstimmen zu müssen. Im Unterschied zur Homo-Ehe stimmte hier allerdings der Front National mit den Sozialisten. Von der konservativen UMP, die mehrheitlich gegen das Gesetz stimmte, war fast die Hälfte der Abgeordneten nicht erschienen, 10 haben dafür gestimmt, während nur 5 der Sozialisten dem Gesetz eine Absage erteilten. Gegen das Gesetzt stimmte auch die Mehrheit der Abgeordneten der Mitte-Rechts-Partei UDI und der Grünen.

Gebilligt wurde damit auch der Kampf gegen Prostitution, also gegen käuflichen Sex, man müsste freilich eher sagen: der legalen Prostitution, die dann im Geheimen und völlig ungeregelt werden dürfte, was vielen Frauen, deren Schutz angestrebt wird, gleich ob sie gezwungen oder freiwillig der Prostitution nachgehen, nicht zugute kommen dürfte. Kaum machbar dürfte es sein, dass die französischen Provider den Zugang zu den Webseiten im Ausland sperren sollen, die mit Zuhälterei verbunden sind, zumindest würde eine Internetzensur in einem so vagen Feld andere Zensurmöglichkeiten eröffnen, falls dies rechtlich Bestand haben sollte.

Neben präventiven Maßnahmen soll den Prostituierten - auch den männlichen, 15 Prozent der Prostituierten sollen Männer sein? - geholfen werden, mit sozialer und professioneller Unterstützung ihrem Gewerbe zu entkommen. Mit zehn bis 20 Millionen Euro pro Jahr für Steuernachlässe, Unterkünfte etc. will man so jährlich tausende Frauen aus dem Milieu locken. Migrantinnen, die aus der Prostitution aussteigen wollen, wird ein halbes Jahr Aufenthaltsgenehmigung gewährt, was den Konservativen gar nicht gefiel. Die meisten Prostituierten sind Migrantinnen. In der Schule soll der "Kampf gegen die Vermarktung des Körpers" zum Gegenstand des Unterrichts werden.

Feministinnen kritisieren in einem Manifest, dass mit der Bestrafung der Freier die Prostitution nicht verschwinden werde. Die Gewalt werde zunehmen. Befürworter wie Mouvement du Nid sehen hingegen in dem Gesetz einen historischen Schritt, durch den der Kauf einer sexuellen Handlung als Gewalt verurteilt werde.

Die Bewegung Abolition 2012 hat massiven Druck ausgeübt. Von ihr wird Prostitution als Verletzung der Menschenrechte betrachtet, als fundamentales Hindernis der Gleichheit der Geschlechter und als Gewalt, ausgeübt von den Männern. Wenn man den Körper und die Sexualität zur Ware mache, so die Argumentation, würde die Menschenwürde und die körperliche und geistige Unversehrtheit verletzt.