Frankreich blockiert Nato-Beteiligung im Irak, Saudi-Arabien denkt über "muslimische Truppen" nach

Die Bush-Regierung will noch schnell die internationale Beteiligung stärken, ein Ziel, das auch die demokratischen Präsidentschaftsbewerber bei ansonsten unveränderter Irak-Politik versprechen

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Wie der demokratische Vizepräsidentschaftskandidat John Edwards auf seiner Rede auf dem Parteitag klar gemacht, würde sich an der Irak-Politik der US-Regierung unter John Kerry nicht viel ändern. Anders werden soll nur die verstärkte Kooperation mit den Partnern und eine Beendigung des Alleingangs. Mit großem Druck versucht nun auch die Bush-Regierung noch schnell die Weichen im Irak zu verstellen und die sowieso fadenscheinige, jetzt zudem bröckelnde "Koalition der Willigen" zu stärken. Die anhaltende Gewalt und die weiteren Anschlagsdrohungen könnten sie weiter zerbröseln lassen. Gerade erst wieder haben die Abu Hafis al-Masri-Brigaden mit großen Anschlägen auf Italien gedroht. Die Saudis scheinen dem zumindest ein wenig entgegen zu kommen, gegen die allzu offensichtliche Einbeziehung der Nato ins politische Kalkül setzt sich vor allem die französische Regierung entgegen.

Vizepräsidentschaftskandidat John Edwards verspricht viel

We will double our Special Forces. We will invest in the new equipment and technologies so that our military remains the best equipped and best prepared in the world. This will make our military stronger. It'll make sure that we can defeat any enemy in this new world. But we can't do this alone. We have got to restore our respect in the world to bring our allies to us and with us. It is how we won the Cold War. It is how we won two World Wars. And it is how we will build a stable Iraq.

With a new president who strengthens and leads our alliances, we can get NATO to help secure Iraq. We can ensure that Iraq's neighbors, like Syria and Iran, don't stand in the way of a democratic Iraq. We can help Iraq's economy by getting other countries to forgive their enormous debt and participate in the reconstruction. We can do this for the Iraqi people. We can do it for our own soldiers. And we will get this done right. A new president will bring the world to our side, and with it a stable Iraq, a real chance for freedom and peace in the Middle East, including a safe and secure Israel. And John and I will bring the world together to face the most dangerous threat we have: the possibility of terrorists getting their hands on a chemical, biological weapon or nuclear weapon.

Aus der Rede von John Edwards

Die Nato also wollen auch die demokratischen Präsidentschaftsanwärter stärker am Einsatz im Irak beteiligen. Wie das geschehen soll und wie man den Nato-Mitgliedsländern entgegen kommen will, sagte Edwards allerdings nicht. Versprochen wird nur ein Abrücken von der unilateralen Machtpolitik der Bush-Regierung.

Die aber versucht nun zumindest das Versprechen, das die 26 Nato-Mitgliedsländer beim Gipfel in Istanbul gegeben haben, einzufordern, aber es zugleich auf eine für die eigene Politik taktisch günstige Weise festzulegen. Zugesagt hatten die Nato-Staaten als Kompromisslösung keinen Einsatz von Soldaten im Irak, wohl aber die Ausbildung von irakischen "Sicherheitskräften". Ein Nato-Team unter Leitung des US-Admirals Greg Johnson hatte bereits die Lage im Irak erkundet und ein Ausbildungsprogramm im oder außerhalb des Irak vorgeschlagen.

Die US-Regierung wünscht ebenfalls, dass das Training im Irak stattfindet. Damit würde man die Nato symbolisch, aber auch über die Gefährdungen der Ausbilder in den Krieg gegen die Aufständischen und Terroristen hineinziehen. Für den Schutz der Ausbilder müssten womöglich Nato-Truppen sorgen - und damit wäre die Nato Teil der Besatzungsmacht. Mit dieser Beteiligung, gleich ob mit oder ohne eigene Sicherheitstruppen, ließe sich einerseits der Anschein der internationalen Beteiligung stärken und andererseits die Präsenz der eigenen Truppen ein wenig weiter aus dem Scheinwerferlicht nehmen. Taktisch sicherlich unklug, aber konform mit dem bislang praktizierten Verhalten der Bush-Regierung sollten dann die Ausbilder der Nato unter dem Kommando des Oberbefehlshabers der Multinationalen Truppen, also unter dem Kommando der Amerikaner.

Es heißt zwar, dass die große Mehrheit der Nato-Staaten - 16 beteiligen sich bereits an der Multinationalen Truppe - sich dafür ausspricht, das Ausbildungsprogramm im Irak schon zu etablieren und damit schon im August zu beginnen. Aber das betrifft natürlich vor allem die Länder, die sich sowieso schon beteiligt haben. Frankreich, das das Veto-Recht ausreizt, hat sich nun an die Spitze der Gegner einer offiziellen Beteiligung oder der Unentschlossenen gestellt und versucht zunächst einmal, die Einbeziehung der Nato hinauszuziehen. Vermutlich will man damit auch der Entscheidung entgehen, sich noch vor den Wahlen für die Bush-Regierung festzulegen. Frankreich schlägt also vor, zunächst eine zweite Erkundungsmission in den Irak zu schicken, die aber nicht schon Ausbildungsaufgaben übernehmen soll, wie dies die Amerikaner wünschen. Ihren Bericht sollte sie im September vorlegen.

Wie der Figaro berichtet, sollen Deutschland und Frankreich in einem gemeinsamen "Spiel" versucht haben, einer schnellen Entscheidung möglichst viele Stolpersteine in den Weg zu stellen. So wurde etwa der Einwand gemacht, dass es im August im Irak einfach zu heiß sei, weswegen man doch die irakischen Soldaten unter auch für die angenehmeren Temperaturen schulen könne. Deutschland, Spanien und Belgien haben jedoch deutlich gemacht, dass sie zwar keine Truppen in den Irak entsenden werden, sich aber keinem Konsens verweigern wollen.

Die Verhandlungen wurden gestern ohne Einigung erst einmal abgebrochen. Tatsächlich ist neben Ort, Finanzierung, Sicherheit und Beteiligung fast alles noch nicht klar und scheint es im Sinne der US-Regierung um eine überstürzte symbolische Entscheidung zu gehen. Ob die Verhandlungen mit Saudi-Arabien für die Bush-Regierung günstiger verlaufen werden, ist noch nicht abzusehen. US-Außenminister Colin Powell hat mit Saudi-Arabien das Thema einer arabischen Friedenstruppe für den Irak angesprochen und der saudische Außenminister Saud al-Faisal hat bestätigt, dass erste Gespräche darüber geführt worden seien. Vor dem Treffen hatte US-Präsident Bush mit Kronprinz Abdullah telefoniert.

Ob sich allerdings die Saudis an einer solchen "muslimischen Truppe" selbst beteiligen würden, blieb wie alle anderen Details offen. Die Arabische Liga lehnt bislang eine Entsendung von Truppen ab, solange dies nicht auf Wunsch einer legitimen Regierung unter Aufsicht der UN und nicht unter der Kontrolle der Besatzungstruppen geschieht. Wie weit eine Beteiligung von Truppen aus den angrenzenden Ländern von den Irakern überhaupt angenommen würde, ist eine weitere offene Frage. Allerdings hat die saudische Regierung natürlich ein Interesse daran, dass im Irak wieder Stabilität einkehrt und die islamistischen Rebellen, die sich auch gegen das saudische Regime richten, nicht weiter gestärkt werden.

Gestern haben Saudi-Arabien und der Irak unter Beisein von Powell wieder offizielle diplomatische Beziehungen aufgenommen. Prinz Saud begrüßte überdies, dass der Bericht der 9/11-Kommission den Verdacht beseitigt habe, Saudi-Arabien habe den Terrorismus unterstützt. Und der irakische Ministerpräsident Allawi sprach Saudi-Arabien und die anderen Nachbarländer davon frei, dass sie den Terrorismus im Irak unterstützen. Man sei auch dabei, bessere Beziehungen mit dem Iran aufzunehmen. Allawi machte die von der US-Verwaltung betriebene Auflösung der Armee und der Sicherheitskräfte für die Ausbreitung des Terrors hauptsächlich verantwortlich.