Frankreich und Deutschland streiten, während Ukraine-Krise sich verschärft

Seite 2: Frankreich und Großbritannien empört

Die offizielle russische Presse hat das Gespräch der Offiziere fälschlicherweise als ein Komplott dargestellt, das darauf abzielt, die Stationierung der Raketen sicherzustellen und den Kanzler unter Druck zu setzen.

Pistorius bezeichnete die Veröffentlichung des Protokolls als einen Fall von russischer Informationskriegsführung, um Zwietracht unter den westlichen Unterstützern der Ukraine zu säen. Die innerdeutsche Debatte über diesen Skandal konzentrierte sich vor allem darauf, wer die Verantwortung für das unfassbare Versagen der Kommunikationssicherheit trage.

Die Befürworter des Taurus-Einsatzes haben den Vorfall genutzt, um ihre Bemühungen noch einmal zu erhöhen, Scholz zum Umdenken zu bewegen.

Seit der Veröffentlichung des Gesprächs hat Scholz bekräftigt, dass das Problem der Bereitstellung von Taurus-Raketen auf das unüberwindliche Problem hinausläuft, wie ein effektiver Einsatz der Raketen gewährleistet werden kann, ohne selbst zur Konfliktpartei zu werden.

Das durchgesickerte Gespräch bezog sich auf die angebliche Anwesenheit und Beteiligung von britischem und französischem Militärpersonal beim Betrieb der Marschflugkörper Storm Shadow und Scalp, die der Ukraine von Großbritannien bzw. Frankreich zur Verfügung gestellt wurden. Beide Länder haben ihre Empörung über die laxen Sicherheitsvorkehrungen zum Ausdruck gebracht, die das Abhören des Gesprächs ermöglichten.

Wird Macron der Situation gerecht?

Während Deutschland in seiner charakteristischen Zurückhaltung verharrt, unternahm der französische Präsident Macron den Versuch, ein vereintes europäisches Engagement zur Wiederbelebung der Unterstützung für die Ukraine zu mobilisieren, indem er am 26. Februar in Paris ein eilig organisiertes Treffen der europäischen Staats- und Regierungschefs zur Verteidigung der Ukraine einberief.

Das fand statt, nachdem die Aussichten darauf, die ukrainischen Streitkräfte wiederzubeleben, auf der jährlichen Münchner Sicherheitskonferenz in der Woche zuvor von einer gedrückten Stimmung überlagert wurde. Auf der abschließenden Pressekonferenz des Pariser Treffens machte Macron die überraschende Aussage, dass die Entsendung von Nato-Truppen nicht ausgeschlossen werden sollte, obwohl er einräumte, dass sich noch "kein Konsens" über diese Idee gebildet habe.

Macron scheint die Entsendung von französischen oder Nato-Truppen für Aufgaben jenseits eines Kampfauftrags, wie z. B. die Minenräumung, im Sinn gehabt zu haben. Aber auch diese Idee geriet unter heftigen Beschuss vonseiten eines Großteils der politischen Opposition in Frankreich.

Die Staats- und Regierungschefs beschlossen auf der Konferenz, einen tschechischen Vorschlag weiterzuverfolgen, der eine Aufstockung der bilateralen europäischen Finanzmittel vorsieht, um 800.000 Artilleriegranaten für die Ukraine aus Nicht-EU-Ländern zu kaufen, um die unzureichende Versorgung mit Granaten aus Europa auszugleichen.

Macron reiste am 5. März nach Prag, um diese Idee weiter zu erörtern, und betonte, dass ein möglicher Einsatz von Nato-Truppen nicht ausgeschlossen werden sollte und die Verbündeten nicht "feige" sein dürften. Der deutsche Verteidigungsminister Pistorius bezeichnete diese Formulierung umgehend als wenig hilfreich.

Die Deutschen ärgert es, dass Frankreich, das die Ukraine weitaus weniger militärisch unterstützt hat als Deutschland, anderen aber vorwirft, zaghaft zu sein. Laut dem Ukraine Support Tracker des Kieler Instituts (zuletzt aktualisiert am 15. Januar) belaufen sich die deutschen Militärhilfezusagen auf 17,7 Milliarden Dollar und die der USA auf 42,2 Milliarden, während Frankreich mit 0,6 Milliarden Dollar weit abgeschlagen ist. Paris hat die Methodik des Kieler Instituts angefochten.

Warum das wichtig ist

Roger Cohen von der New York Times stellte kürzlich fest, dass Macron den Vorstoß unternahm, das Vertrauen der europäischen Ukraine-Unterstützer wiederherzustellen und "strategische Zweideutigkeit" zu erzeugen, um die russische Selbstsicherheit zu attackieren, ohne offensichtlich versucht zu haben, im Vorfeld Unterstützung für seine Initiative zu gewinnen.

Stattdessen legte er die Spaltung der Verbündeten darüber offen, wie weit sie bereit sind, zur Verteidigung der Ukraine zu gehen, und provozierte einen offenen Bruch mit Deutschland. Macrons eigener verschlungener Weg hin zu seiner jüngsten Hardliner-Inkarnation schränkt seine Glaubwürdigkeit dabei ein, Europa hinter sich zu mobilisieren.

Der deutsche Widerstand gegen die Bereitstellung von Taurus-Raketen steht in direktem Zusammenhang mit der Beunruhigung über Macrons rücksichtslose Haltung zu möglichen Nato-Einsätzen in der Ukraine.

Deutschland ist offenbar nach wie vor entschlossen, die Grenze zwischen der Unterstützung der Ukraine, sich selbst zu verteidigen, und der Beteiligung an dem Konflikt nicht zu überschreiten. Die Ablehnung der Stationierung von Taurus durch die deutsche Öffentlichkeit quer durch das politische Spektrum (mit den Grünen als bemerkenswerter Ausnahme) bestärkt Scholz in seiner Haltung.

Mehr Verantwortung lastet auf europäischen Schultern

Auch wenn Macrons Initiative eher zu einer Spaltung als zu einer Mobilisierung einer einheitlichen europäischen Front, die Ukraine zu verteidigen, geführt zu haben scheint, so zeigt sein Engagement doch, dass sich die Erkenntnis durchsetzt, dass Europa aufgrund des ins Stocken geratenen US-Hilfspakets und der bevorstehenden Wahlen dort mehr Verantwortung für die Bewaffnung der Ukraine tragen wird.

Das bedauerliche Ergebnis dieser jüngsten Entwicklungen ist, dass das deutsch-französische Tandem, das jahrzehntelang für das effektive Funktionieren der EU entscheidend war, ins Wanken gerät.

Dieses offene Zerwürfnis wird als störend empfunden, da die EU als Ganzes auf eine einheitlichere, koordinierte und großzügig finanzierte Aufrüstung hinarbeitet, bei der Berlin und Paris die Hauptakteure sein müssen.

Der Artikel erscheint in Kooperation mit Responsible Statecraft. Das englische Original finden Sie hier. Übersetzung: David Goeßmann.

Molly O'Neal ist Universitätsdozentin und Wissenschaftlerin mit einer langen diplomatischen Laufbahn, die sich auf Mitteleuropa, Russland und Eurasien konzentriert. Sie war Fulbright-Professorin in Warschau und in Dresden und hat an der Johns Hopkins University in den USA promoviert.