Frankreich will mit der Anonymität im Internet Schluss machen

Eingeführt werden soll unter Drohung mit Gefängnisstrafe, dass jeder, der etwas im Internet veröffentlicht, identifiziert werden können muss

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

In Frankreich droht Internetprovidern, Contentanbietern und Internetbenutzern, aber auch der Meinungsfreiheit neues Ungemach. Um die Verantwortlichkeit von Veröffentlichungen im Internet juristisch zu regeln, sieht ein Gesetz vor, das am 22. März bereits in zweiter Lesung vom französischen Parlament behandelt wurde, dass Internetprovider bei jeder Veröffentlichung, die nicht eine private Mitteilung ist, dazu verpflichtet sein sollen, für eine korrekte Identifizierung des dafür Verantwortlichen zu sorgen.

Verlangt werden der Name, der Vorname sowie der Wohnort desjenigen, der etwas veröffentlicht, oder der Name des Verantwortlichen für eine Publikation, die einen anderen Autor besitzt. Veröffentlichung ist alles, was nicht strikt private Kommunikation ist. Zwar darf die Veröffentlichung selbst unter einem Pseudonym geschehen, doch der Internetprovider oder Contentanbieter, der die Veröffentlichung ermöglicht, muss die richtige Identität des Autors kennen. Ansonsten droht eine Gefängnisstrafe bis zu sechs Monaten und 50000 Francs. Sollte ein Internetprovider nicht in der Lage sein, den Verantwortlichen für eine Publikation auf einer Website nennen zu können, so kann er strafrechtlich für illegale Inhalte verantwortlich gemacht werden. Wenn jemand eine falsche Identität angibt, so wird auch er mit derselben Strafe belangt werden können.

Sollte das Gesetz bewilligt werden, so wird Frankreich sich damit nicht unbedingt einen Gefallen tun, wenn es um den Ausbau des Internet geht. Das Gesetz betrifft nicht nur Homepages, sondern auch Mailinglisten, Diskussionsforen oder Chaträume. Internetprovider oder Contentanbieter müssten also nicht nur eine Registrierung vornehmen, sondern auch die Identität eines jeden überprüfen, der eine Homepage einrichtet oder etwas in einem Diskussionsforum beiträgt.

L'amendement garantit un équilibre réaliste entre la liberté d'expression et la responsabilité des acteurs. L'amendement reconnaît par ailleurs que les intermédiaires techniques ne sont pas en position pour les uns de connaître, pour les autres de surveiller, a priori, les contenus qu'ils mettent à disposition.

Catherine Trautmann

Der französischen Regierung ist offenbar die Anonymität ein Dorn im Auge. Man will stets jemanden strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen, auch wenn es sich nur um denjenigen handelt, der technisch einem Kunden ermöglicht, etwas zu publizieren. Die Folge wäre natürlich nicht nur eine Form der vorwegeilenden Zensur der Internetprovider oder Contentanbieter, die beispielsweise Foren anbieten, damit ja nichts Illegales ins Netz gelangen kann, sondern vor allem, dass es sich jeder überlegen wird, überhaupt noch in Frankreich Internetprovider zu sein oder ein Forum zu eröffnen.

I know it seems too 1984 to be true from other places in the world, thought some contries do understand us very very well (australia, singapour, china, ...).

altern.org

Seltsam vorsichtig protestiert der französische Verband der Internetprovider AFA (Association francaise des Fournisseurs d'Accwa et de Services Internet) gegen das Gesetzesvorhaben, das Frankreich einer Praxis annähert, wie sie in China oder Burma betrieben wird, aber es von den meisten anderen Ländern isoliert, weil man eingesehen hat, dass eine solche Regelung zu weit gehen würde: "Wenn es das Ziel ist, wie die AFA versteht, die Verantwortlichkeit der Autoren für Internetinhalte zu regeln, dann ist das Prinzip gut, aber die Umsetzung wird mit dem Inkrafttreten des Artikels katastrophale Folgen haben." Die Mitglieder der AFA würden bei einem neuen Kunden bereits zufriedenstellend die Adresse, die Bankverbindung, die Telefonnummer oder die IP-Adresse erheben. Das Problem, das vor allem die Anbieter von kostenlosen Internetdiensten wie altern.org betrifft, sei also nicht die strafrechtliche Verfolgung von Inhalten nach dem französischen Recht, die Franzosen ins Netz stellen, sondern die Schwierigkeit einer internationalen Koordinierung. Schließlich kann jeder, der seine Identität nicht preisgeben will, ins Ausland gehen, um dort seine Inhalte ins Netz zu stellen. "Die Reaktion der Internetbenutzer wird", so die AFA, "ganz einfach sein: obwohl sie praktisch identifiziert werden können, werden sie ihre Seiten bei ausländischen Internetprovidern in Europa oder anderswo ins Netz stellen."

Ganz richtig meint die AFA, dass das Gesetz das Gegenteil dessen bewirken werde, was sein Ziel ist: französische Internetprovider und Internetverleger werden ins Ausland gehen, wodurch die französischen Kläger und Richter nicht mehr die gewünschten Informationen zur Strafverfolgung erhalten werden, wenn es keine internationale Zusammenarbeit gibt. Die AFA fordert das Parlament daher auf, bei der dritten und letzten Lesung ein anderes "Gleichgewicht zwischen der Meinungsfreiheit und der Verantwortlichkeit der Autoren" zugunsten einer vernetzten Zukunft zu schaffen. Die hatte nämlich die französische Kultus- und Kommunikationsministerin Catherine Trautmann durch das Gesetz gewahrt gesehen und nur von einer freiwilligen Identifikation gesprochen. Der bislang vorliegende Text enthält eine solche Formulierung jedoch nicht.