Frauen in der Wissenschaft

Warum sind Frauen in den mathematikintensiven Forschungsfeldern unterrepräsentiert? An geschlechtsspezifischer Diskriminierung bei Bewerbung und Förderung liegt es nicht

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Frauen und Wissenschaft - das ist heute längst kein Widerspruch mehr. Seit den 1960er und 1970er Jahren hat das weibliche Geschlecht enorme Fortschritte gemacht. Allerdings bezieht sich das nicht auf alle Bereiche der Wissenschaft gleichermaßen - und vor allem nicht auf jeden Karriereschritt. In den USA sind zum Beispiel 57 Prozent aller Doktoren in den Sozialwissenschaften weiblich, 71 Prozent aller Psychologen und sogar 77 Prozent aller Veterinäre. In den Fächern jedoch, in denen die Mathematik eine wichtige Rolle spielt, sehen die Verhältnisse anders aus: Nur höchstens 15 Prozent aller gehobenen Karrierepositionen sind an den Top-100-Universitäten der USA in solchen Fächern von Frauen besetzt, und der Anteil der Professorinnen liegt unter zehn Prozent.

Woran liegt's? Die US-Forscher Stephen Ceci und Wendy Williams von der Cornell University versuchen, mit einer Metaanalyse entsprechender Studien der vergangenen zwanzig Jahre zu einer Antwort zu kommen. Ihre Folgerungen beschreiben sie in den Veröffentlichungen der US-Akademie der Wissenschaften (PNAS). Zunächst diskutieren sie die oft als erste mögliche Ursache in die Diskussion geworfene offene Diskriminierung.

Tatsächlich gibt es einige empirische Studien, die den offensichtlich mangelnden Karriereerfolg von Frauen darauf zurückführen könnten. Forscherinnen steht, so eine Untersuchung, zum Beispiel im Mittel weniger Laborplatz zur Verfügung. Damit sie im Vergleich zu Männern als ebenso produktiv angesehen werden, müssen sie im Mittel drei Paper mehr in den großen Magazinen veröffentlicht haben oder zwanzig mehr in den weniger bekannten.

Es geht um den Zugriff auf Ressourcen

Als das Magazin Behavioral Ecology den Reviewprozess so änderte, dass der Name des Einreichers dem Reviewer nicht mehr bekannt wurde, stieg die Akzeptanzrate für Forscherinnen in den ersten vier Jahren um knapp acht Prozent. Kritiker bemerkten allerdings, dass auch Magazine ohne anonymen Reviewprozess in dieser Zeit eine Steigerung der Akzeptanzraten weiblicher Einreicher verzeichneten. Andere Studien zeigen zudem, dass sich keine signifikanten Unterschiede in der Annahme von Frauen oder von Männern verfasster Artikel nachweisen lassen - so etwa eine Statistik von Nature Neuroscience.

Ebenso wenig unterscheiden sich Forscherinnen und Forscher in ihrer Produktivität: Hier spielt viel eher eine Rolle, an welcher Einrichtung derjenige arbeitet - und ob er viele Lehrverpflichtungen hat. An dieser Stelle kommen die Forscher den ihrer Meinung nach wahren Ursachen ein Stück näher: Es geht um den Zugriff auf Ressourcen. Frauen arbeiten eher an lehrintensiven Universitäten, und sie sind häufiger in niedrigeren Positionen angestellt, die weniger Freiraum für Forschung lassen.

Männer in ähnlichen Positionen haben dieselben Probleme - doch die aktuelle Personalstruktur hat zur Folge, dass Männer eben öfter in höheren Positionen beschäftigt sind. Das könnte ein wichtiges Argument für die Einführung einer Quote auf allen Ebenen sein.

Existiert Diskriminierung bei der Vergabe von Fördermitteln?

Die Autoren des PNAS-Papers zeigen, dass das nicht nachweisbar ist. Weder eine deutsche Analyse von Post-Doc-Bewerbungen fand geschlechtsspezifische Unterschiede noch eine große US-Studie, die die Mittelvergabe von drei US-Institutionen untersuchte noch eine australische Analyse, die gut 10.000 Beurteilungen auf signifikante Unterschiede untersuchte.

Eine Untersuchung des amerikanischen National Institute of Health fand, dass zwar Männer in einigen Faktoren bevorzugt wurden, Frauen dafür aber in anderen. Deutliche Unterschiede ergaben sich jedoch, fragte man die Betroffenen direkt. Obwohl 77 Prozent der weiblichen und 81 Prozent der männlichen Studenten in einer Untersuchung der Meinung waren, dass ein Vollzeit-Job wichtig für die Karriere ist, war gut 30 Prozent der befragten Frauen (aber nur neun Prozent der Männer) ebenso wichtig, die Arbeitszeit reduzieren zu können. Ähnliche Aussagen ergaben auch Studien in anderen Ländern.

Problem der eigenen Wahl

Es handelt sich hier, so die Forscher, also um ein Problem der eigenen Wahl. Die natürlich nicht völlig freiwillig sein muss, sondern auch den Erwartungen an die Geschlechterrollen folgt. Will man dieses Verhältnis ändern, meinen die Forscher, müsse man viel früher ansetzen als in den Universitäten: Mädchen entscheiden sich oft schon sehr zeitig, welche Art von Karriere sie anstreben.

An den Fähigkeiten liegt es jedenfalls nicht: Schülerinnen sind doppelt so oft im obersten Prozent der Mathebesten zu finden wie Schüler. Zunächst geht es also um Werte, später um Ressourcen: Die den Karriereerfolg bestimmende Verbindung zwischen Teilzeitjob in der Wissenschaft und einer typischerweise dann sehr lehrintensiven Tätigkeit gilt es aufzulösen.