Freie Autoren stemmen sich gegen elektronische Faksimiles

Der Internet-Versand digitalisierter Kopien von Printerzeugnissen steht vor urheberrechtlichen Hürden

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Demnächst soll in den USA der kommerzielle Handel mit digitalisierten Publikationen beginnen. Kunden werden sich dabei eine komplette Ausgabe des Harvard Business Review schicken lassen können. Im Herbst soll der Download der Tagesausgabe der New York Times für Abonnenten möglich sein. Den Verlegern winken dabei bedeutende Gewinnsteigerungen durch Kosteneinsparungen. Probleme werfen jedoch die Urheberrechte freier Mitarbeiter an ihren veröffentlichten Werken auf.

Es verspricht eigentlich für beide Seiten ein gutes Geschäft zu werden. Amerikanische Zeitungsverlage wollen in Kürze damit beginnen, sogenannte "print clones" per Email gegen Gebühr an Abonnenten zu übermitteln. Print Clones sind digitalisierte identische Faksimiles gedruckter Artikel oder Fotos, die man sich als PDF-Datei herunterladen und mit dem Acrobat Reader oder einem entsprechenden Browser-Plugin lesen kann. Ein ausreichender Bedarf seitens der lesenden Bevölkerung mit Online-Zugang scheint zu bestehen.Nach einem Testversuch mit 7000 Lesern sollen nämlich gemäß Richard Seet (Vorstandsvorsitzender von "qMags" des Anbieters Qiosk.com) 69 Prozent der Teilnehmer das digitale Format gegenüber dem gedruckten Artikel favorisiert und 61 Prozent der Leser sich für ein zukünftiges Abonnement digitalisierter Publikationen entschieden haben.

Führender Anbieter neben qiosk.com ist NewsStand, das noch in diesem Monat eine digitalisierte Ausgabe des Harvard Business Review herausbringen will. Im Herbst soll zusätzlich eine Vollausgabe der New York Times auf den Markt gebracht werden. NewsStand und die NY Times verbindet eine strategische Partnerschaft. qMags wiederum plant im kommenden Oktober die Herausgabe des ersten Verbrauchermagazins Hearst's Popular Mechanics in digitaler Form. Treibende Motivation für die Verleger ist die verlockende Aussicht auf erhebliche Einsparungen bei Produktion und Vertrieb. Vertreter von "Popular Mechanics" rechnen vor, dass Druck und Auslieferung einer konventionellen Ausgabe durchschnittlich etwa einen Dollar kosteten. Die digitale Verbreitung verursache im Vergleich dazu nur etwa 7 Cent Ausgaben. Bei qMags fallen nominelle Dienstleistungsgebühren von 50 Cent an.

Allerdings könnte den Herausgebern erst einmal ein dicker Strich durch diese Rechnungen gemacht werden. Es sind zur Zeit mehrere Copyright-Prozesse anhängig, die über den Start der Druck-Klone entscheiden können. Hintergrund ist die Tatsache, dass Magazine nicht nur Texte und Fotos von angestellten Mitarbeitern veröffentlichen, wo vorher alle Rechte grundsätzlich dem Arbeitgeber übertragen werden. Problematisch sind die Beiträge freier Mitarbeiter. Hier werden die Urheber- und sonstigen Eigentumsrechte nur in einem Umfang übertragen, der vertraglich ausdrücklich vereinbart ist. Die zusätzliche Publikation in digitalisierter identischer Form gehörte bisher normalerweise nicht zum Vertragsinhalt. Umstritten ist daher, ob Print Clones eine neue und damit unzulässige Verwendung eines Textes, Fotos oder einer Zeichnung darstellen oder ob sie vom Vertragszweck, der auf ein bestimmtes Sujet abhebt, noch gedeckt sind. Der Präsident der National Writers Union Jonathan Tasini führt vor dem Obersten Bundesgericht mit anderen freien Autoren seit Jahren einen Musterprozess gegen mehrere Verlage und Datenbanken. In erster Linie geht es dabei zwar um die Frage, ob Zeitungen und Magazine Beiträge freier Journalisten ohne ausdrückliche Erlaubnis an Datenbanken (in Deutschland z.B. GENIOS oder GBI verkaufen dürfen. Die Entscheidung dieses Rechtsstreits, die demnächst erwartet wird, dürfte aber auch mit Sicherheit Einfluss auf die Rechtsprechung im Urheberrecht bei den digital "geklonten" Magazinen nehmen.

Jonathan Tasini beharrt darauf, dass die digitalisierte Weiterverbreitung eine Urheberrechtsverletzung darstellt und macht neben den Herausgebern auch die Distributoren mit haftbar. Tracy Jones, der NewsStand-Präsident, sieht diesem Vorwurf gelassen entgegen. Die Weiterverbreitung als elektronisches Facsimile sei, so Jones, gegenüber dem Druck und Mailen eines Artikels nichts qualitativ anderes. Man sei gegen Klagen von freien Autoren insofern abgesichert, da man für die Ausgestaltung der Verträge zwischen Herausgeber und Autor nicht verantwortlich sei. Einschlägig ist ferner auch der Prozess, den der freischaffende Fotograf Jerry Greenberg gegen die Zeitschrift National Geographic wegen unerlaubter Reproduktion seiner Fotos auf CD-ROM führte und gewann. Das Gericht stellte eine Urheberrechtsverletzung zuungunsten Greenbergs fest.

Vermutlich ist die Zeit jedoch letztendlich auf der Seite der Herausgeber. Der qMags-Vorstandsvorsitzende Richard Seet glaubt, dass die Aussicht auf höhere Honorare den Autoren die zusätzliche elektronische Verwertung ihrer Werke zukünftig schon schmackhaft machen wird. Denn wer bei Verhandlungen darauf verweisen könne, dass er mit seinem Werk in mehr als einem Medium vertreten sei, der werde dafür auch mehr Geld verlangen können.