Fremdsprache mit Vier?

In England diskutiert man die Einführung von Fremdsprachen als verpflichtendes Fach für Grundschüler. Manchen deutschen Eltern ist das schon zu spät

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Fernsehen darf er nicht, das dürfen nur die Erwachsenen und auch nur manchmal, nachts, wenn er schläft. Aber vor kurzem kam mir der Einfall, die Frage des fast Dreijährigen, "Wie klingt die Gitarre?", schnell mit einem You-Tube-Spot zu beantworten:"Dat is Gitarre spielen!!". Auch nach der 15.Wiederholung erschöpfte sich sein Vergnügen nicht, meins schon.

Um mich zu schonen, tat ich den nächsten fatalen Schritt ins gefährliche Land. Statt eines weiteren Neins, das ihn jedes Mal zu Boden schleudert, wenn er freudestrahlend ins Computerzimmer biegt, versuchte ich es mit einer Abwechslung ("Aber nur einmal!") und suchte nach einem seiner Helden, den er bis dahin nur aus Büchern und von Hörkassetten kannte: "Bob, der Baumeister". Er mochte das 48 Sekunden lange Intro zur deutsch synchronisierten Sendung sehr - etwa 74 Wiederholungen in zwei Tagen.

Was er aber noch lieber mochte (weit über 100 Wiederholungen)und dann gleich ausschließlich, war die unsynchronisierte Version, "Bob the Builder". "Bob, der Bilder, lieber Englisch" lautet die Befehlsausgabe seither. Mein "No, no" wird mit einem verschmitzten "Yes, yes" gekontert oder fallweise mit einem Wutanfall. Der Dreijährige singt jetzt Auszüge aus dem englischen Text - und mehr als nur die Bob-Catchphrase: "Can we fix it?..Yes, we can" (die deutsche Phrase heißt: "Schaffen wir das? Yo, wir schaffen das"). Unübersehbar, dass die Neugier des Kindes auf die fremde Sprache groß ist und ebenso die Lust am Spiel mit den fremden Worten.

Der Gedanke, der sich da aufdrängt, ist nicht neu und wird nicht nur unter ambitionierten Eltern immer wieder angesprochen: Sollte man das Sprachtalent der Jüngsten, ihr Vergnügen an der anderen Sprache, und besonders ihre große Aufnahmefähigkeit nicht frühzeitig nutzen, um ihnen das mühsame Vokabelpauken in späteren Jahren wenn nicht zu ersparen, so doch zu erleichtern?

Dieses Argument wird derzeit in England debattiert, nur dass es dort nicht um Kinder im Kindergartenalter geht, sondern um Schüler der Primärstufe, Grundschüler also, im Alter von sieben Jahren. Für jene sollen nach neueren Regierungsplänen ab 2010 eine Fremdsprache im Unterricht verpflichtend werden.

"Ich will, dass Sprachen den Kern des Lernens ausmachen", so Bildungsminister Johnson:

Je früher, man Sprachen lernt, umso besser. Wenn man Fremdsprachen für die Sieben- bis Vierzehnjährigen zum Pflichtfach macht, gibt man den Schülern sieben Jahre, um Wissen, Vertrauen und Erfahrung aufzubauen.

Die Kritik dazu moniert neben einer "Widersprüchlichkeit" in der Planung - vor einiger Zeit hatte die Regierung Fremdsprachen für 14 bis 16jährige Schüler als optional deklariert - sondern auch den Stress, dem man die Siebenjährigen damit aussetzt: Das Curriculum der Grundschulen ("primary curriculum") sei hoffnungslos überladen, beklagt zum Beispiel der Chef der nationalen Lehrergewerkschaft Steve Sinnott, den es natürlich von Amts wegen besonders kümmert, ob genügend dafür auch ausgebildete Lehrer zur Verfügung stehen. Die Überlastung der Kinder wird auch von Bloggern angemahnt:

Ich nehme nicht an, dass es Mr. Johnson in den Sinn gekommen ist, dass manche Schüler nicht dafür geeignet sind, eine Fremdsparche zu lernen. Ihre Zeit könnte wohl besser dazu verwendet werden, dass sie etwas lernen, Lesen vielleicht oder Rechnen. Oder Sprechen?...Wenn (das Gesetz) jemals das Parlament passiert, wird es die Kinder verfehlen, sogar die hellsten unter ihnen.

Bishop Hill

"Bald können wir uns der vielsprachigen Fähigkeiten unserer Kinder rühmen und stolz behaupten, dass sie Analphabeten in zwei oder drei verschiedenen Sprachen sind", heißt es in einem anderen Kommentar.

Vielleicht nur einzelne Stimmen, dem ein größerer Konsens auch im konservativen Lager und vor allem in der Wirtschaft gegenüber zu stehen scheint. Vielleicht liegt eine bestimmte Abwehrhaltung in England gegenüber dem Fremdsprachenunterricht in Französisch oder Deutsch auch darin begründet, dass man sich mit der Weltsprache Englisch ausreichend gut versorgt fühlt.

Kritische Stimmen waren jedenfalls auch in Deutschland zu hören, als man in den neunziger Jahren mit Modellversuchen begann, auch an Grundschulen Fremdsprachen, vor allem Englisch, zu unterrichten. Abgesehen von einigen interessanten Diskussionen darüber, ob unbedingt Englisch die erste Fremdsprache sein soll, scheint es aber ganz so, als ob man die Einführung von Englisch als verpflichtendes Fach an der Grundschule (in Bayern ab der dritten Klasse seit dem Schuljahr 2005/2006) allgemein akzeptiert hat. Die Frage, die jetzt nicht wenige Eltern umtreibt und zum Teil Fahrten durch die ganze Stadt unternehmen lässt, um das Kind zu einem internationalen Kindergarten oder zu einem Kurs zu bringen, ist eher, ob man nicht noch früher damit anfangen soll.