Freundlich abschlachten und anständig begraben

Im Strategiespiel "Shogun 2" ist alles extra japanisch

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Nach elf Jahren kehrt die Total War Reihe an ihren Ursprung zurück. Die Entwickler von Creative Assembly veröffentlichen mit Total War: Shogun 2 bereits den siebten Titel der Strategiereihe, der sich thematisch wieder mit dem feudalen Japan des 16. Jahrhunderts befasst. Als Anführer eines von zehn spielbaren Clans streitet man um die Vorherrschaft in Japan.

Besonderes Merkmal der Serie ist der Mix aus echtzeit- und rundenbasierenden Strategieelementen. Während man sich beim Management des Clans und des eigenen Territoriums gemütlich Zeit lassen kann, alle Entscheidungen zu planen, kommt beim Aufeinandertreffen von Armeen ein Echtzeitkampfsystem zum Einsatz. Mit einer Einschränkung allerdings - denn der Kampf lässt sich jederzeit unterbrechen, was es erheblich einfacher macht, rechtzeitig gegenzusteuern. Da sich die Kämpfe auch beschleunigen lassen, sind die Auseinandersetzungen zwischen Zehntausenden nicht ganz so chaotisch und zeitraubend wie das 60-minütige Zeitlimit zunächst vermuten lässt.

Schön, wenn die Automatik einem solche Kämpfe abnimmt

Da man immer ganze Einheiten und nicht einzelne Soldaten kommandiert, sollten echtzeiterfahrene Spieler keine Probleme haben, zunächst fünf bis zehn und später entsprechen mehr Hundertschaften zu befehligen. Auf Wunsch lassen sich die Kämpfe auch komplett umgehen, indem man dem Computer den Auftrag erteilt nur das Ergebnis mitzuteilen. Jedoch sollte man von dieser Option nur Gebrauch machen, wenn man wirklich mit einer Übermacht angreift. Bei einem Kampf zwischen zwei gleich starken Armeen wird der Sieg selten dem Spieler zugeschlagen. Um alle Kämpfe kann man sich nicht drücken - egal wie sehr man versucht, zu optimieren.

Dennoch ist daran erkennbar, dass dem auf Runden basierenden Teil eine höhere Gewichtung zukommt. Es gibt auch kaum einen Aspekt des Reiches, um den man sich nicht kümmern müsste. Holzfällerhütten wollen gebaut werden, die Forschung muss voran getrieben werden, Töchter sollten verheiratet werden, die Nachfolge gilt es zu regeln, offizielle Ämter müssen bekleidet werden - und das alles bevor man überhaupt die erste Armee zum Nachbarstaat auf Plündertournee schickt. Der Diplomatie kommt ebenfalls ein hoher Stellenwert zu, wobei man hier besonders vorsichtig zu Werke gehen sollte. Eine leere Drohung zur falschen Zeit und die eigene Bevölkerung nimmt einen nicht mehr ernst. Diese ist und bleibt in der Total-War-Serie immer noch der größte Feind, meckert nur über Steuern, muss ständig von stationierten Militäreinheiten unterdrückt werden (die ja schließlich auch Geld kosten) und kann sich zu allem Überfluss bei einem Aufstand zu einem sehr unangenehmen plündernden Mob entwickeln.

Shogun 2 will nichts wissen vom Vorurteil des sich bereitwillig für die Gruppe knechten lassenden Ostasiaten. Überhaupt kann die Flut der Entscheidungen die getroffen werden müssen, anfangs sehr überwältigen. Vor allem Neueinsteigern wird es schwer fallen, zwischen wichtigen und unwichtigen Entscheidungen zu differenzieren. Für diese wird es ein Segen sein, die Besteuerung der Untertanen der KI zu überlassen und somit wenigstens eine Büchse der Pandora dauerhaft los zu sein. Weitere Automatisierungen sucht man jedoch vergebens. Veteranen der Serie werden sich hingegen schnell zurechtfinden und alles selbst in die Hand nehmen.

Immer wieder ergänzen Videos Erzählungen und Ereignisse

Shogun 2 ist ein Spiel, bei dem es sehr wichtig ist, ein stetes lineares Wachstum aufrechterhalten zu können. Das ist der Kern des Spiels, darauf sollte man sich einlassen können. Ist man einmal Spielball seiner Nachbarstaaten, so wird es schwierig, sich aus dieser Rolle zu befreien. Zwar bietet die Diplomatie zahlreiche Wege, sich aus einer schlechten Situation herauszuwinden - jedoch wird das Spiel immer noch weitestgehend durch militärische Annexion konkurrierender Fürstentümer gewonnen. Einer zu schnellen Expansionspolitik schiebt das Spiel in Form der Aufmerksamkeit des Shoguns vor. Wer meint, die Karte einfach von links nach rechts überrollen zu können, wird feststellen, dass selbst die Feinde der Feinde keine Freunde mehr sind, wenn der Shogun die Nase rümpft.

Da kaum etwas das lineare Wachstum so sehr gefährdet wie das das Ausbleiben von Handelseinnahmen, wird das eigene Reich selten so groß, dass es langweilig wird. Zu klein darf man jedoch nicht werden, denn statt einer Armee immer nur meuchelmordender Ninjas in den Kampf zu schicken hat ebenfalls seine Grenzen. Auch mögen andere Spiele mit dem kulturellen Ertrag einer glücklichen Bevölkerung zu gewinnen sein, für Shogun 2 ist das Glück der Vasallen ein Gut, welches es mit Steuererhöhungen zu kapitalisieren gilt. Die Frage, in welchen Wirtschaftsbereich die Steuereinnahmen am besten fließen sollten, stellt sich nicht. Ein weiterer Punkt, in welchem sich die Total-War-Serie treu bleibt: ein Mehr an Unterdrückung sorgt für mehr Geld, sorgt für mehr Unterdrückung. Bisweilen tut es auch ein Gebäude statt einer Einheit.

Selbst die Übersichtskarte kennt kein Mitleid mit der Rechenleistung

Bei aller Komplexität unternimmt das Spiel auch zahlreiche Schritte, um verstanden zu werden. Ständiger Begleiter auf der Japankarte ist ein Berater, der zu jedem Menü eine Erklärung parat hat. Er mag vielleicht nicht sagen, wie wichtig ein Untermenü ist - jedoch kann man sich darauf verlassen, zu erfahren was man gerade verstellt und worauf es einen Einfluss hat. Sämtliche Tipps werden auf Deutsch vorgetragen und müssen nicht gelesen werden. Wer dennoch etwas nachschlagen will, der findet in der Ingame-Enzyklopädie ausführliche Beschreibungen zu jedem Thema. In Shogun 2 wurde die Anzahl der verschiedenen Truppentypen in den Echtzeitkämpfen auch deutlich übersichtlicher gestaltet als in der letztjährigen Vorgängerversion.

Selbst die Spielziele sind darauf ausgelegt, kleinere Brötchen zu backen. Wer will, kann selbstverständlich um die Weltherrschaft spielen. Jedoch sind die kürzeren Kampagnen eher darauf ausgerichtet, die Hauptstadt Japans vier Runden zu halten und 25 Provinzen zu erobern. Dazu stehen lediglich 120 Runden zur Verfügung. Daran erkennt man, dass Trödeln und österreichische Heiratsstrategien keine Option sind. Ein kurzes Spiel ist Shogun 2 dennoch nicht, 20 Stunden sollte man für eine Partie schon einplanen. Freilich nicht am Stück - doch wegen des Einsatzes von Steam finden sich alle Speicherstände in der Cloud wieder, was theoretisch die Flexibilität erhöht.

Eine Runde entspricht drei Monaten. Jahreszeiten werden dargestellt und haben einen Einfluss auf das Spiel

In der Praxis werden dem jedoch die Hardwareanforderungen im Wege stehen. Zwar sind als Minimalanforderungen ein Dual-Core Prozessor nebst DirectX 9 Grafikkarte genannt, aber der Hardwarehunger des Spiels ist vor allem in den großen Schlachten nicht zu übersehen. Überhaupt wurde der Präsentation sehr viel Raum gegeben. Schon die Übersichtskarte brilliert mit einer Mischung aus unerforschten Gebieten im 2D-Kalligraphie-Look und erforschten Gebieten, die in frei drehbarer 3D-Grafik erstrahlen. Sämtliche Menüs, Musiken, Ladebildschirme, Icons, Zitate und Hintergrundgrafiken bluten ein Flair, das perfekt ins Ambiente eines Japan des 16. Jahrhunderts passt. Auch die 3D-Modelle in den Echtzeitkämpfen müssen sich in der Großaufnahme vor keinem Actionspiel verstecken, obwohl sie eigentlich im Kampf kaum mehr als Pixelbrei sind, was allerdings auf die Perspektive zurückzuführen ist.

Die Motivationsreden vor jedem Kampf sind auf (und sehr) Japanisch

Die richtige Synchronisation muss man im Selbstversuch finden. Die deutsche Version hat keine negativen Auffälligkeiten und ist sauber Hochdeutsch. Das ist daher erwähnenswert, weil die original englische Version nicht wirklich Englisch ist. Stattdessen spricht jede Stimme mit einem meterdicken, künstlichen japanischen Akzent. Das mag an mancher Stelle noch ganz witzig sein, da es aber auch sämtliche Tutorial- und oben erwähnte Menü-Erklärungen einschließt kann es zum Ärgernis werden. Es handelt sich auch klar erkennbar nicht um japanische Sprecher, die Probleme mit dem Englischen haben - es ist ein künstlicher Schleier aus allerlei Sprachklischees. Hinzu kommt, dass man die Erklärungen ja verstehen und eben nicht die Wand aus Text lesen will.

Wer bin ich und wenn ja wie viele? Neben dem Aussehen definiert man auch seine Armee und deren Größe.

Hat man dann schließlich alle Aspekte des Spiels gemeistert, oder schlichtweg Mitspieler gefunden, die so schlecht sind, wie man selbst, dann darf sich in den Mehrspielermodus getraut werden. Bis zu acht Spieler gleichzeitig beherrscht Shogun 2, wobei es zur Spielbeschleunigung möglich ist, dass zwei Spieler gemeinsam ein Fürstentum arbeitsteilig verwalten. Aber auch das führt nicht wirklich zu kurzen abendlichen Partien. Spontaner sind da schon die 1vs1-Echtzeitschlachten oder die Möglichkeit in einer Einzelspielerkampagne eines Wildfremden den Part des Computers in einem Kampf zu übernehmen. Gesetzt den Fall, die automatische Suche findet Jemanden, der zuversichtlich genug ist, anderen Leuten den Zutritt in sein Solo-Spiel zu gewähren. Neben zahlreichen Optionen seinen Multiplayer-Avatar mit Rüstungsteilen auszustatten, die es für das Erringen von Steam Achievements gibt, darf auch eine Weltrangliste mit ausführlichen Statistiken nicht fehlen. Wem eine Nummer kleiner reicht, der kann das Spielinterface auch dazu nutzen, private Ligen zu organisieren.

Die riesigen Schlachten sind selbst wenn es ruckelt eine Augenweide

Total War Shogun 2 markiert den Höhepunkt der Reihe - allein wegen der Art und Weise, wie Präsentation und Gameplay den Spieler in das feudale Japan zurückversetzen. Auf den ersten Blick mag der Umfang des Micromanagements manche Spieler abschrecken, jedoch weiß Shogun 2 auch wo Schluss ist und bietet notfalls dem Spieler auch an, Kämpfe und Besteuerung der Vasallen zu übernehmen. Nach einiger Zeit fällt es ihm dann leicht, die Rolle eines japanischen Kriegsfürsten anzunehmen, wodurch das Spiel eine rollenspielerische Dimension erhält, die den Konkurrenzprodukten verwehrt bleibt.

"Total War: Shogun 2" wird von Sega veröffentlicht und ist ab 30 Euro erhältlich. Eine Steam-Aktivierung ist notwendig. Unterstützt werden Spielstände in der Cloud, Achievements, bestehende Steamgruppen, sowie Freundeslisten. Die USK hat das Spiel ab 12 Jahren freigegeben, eine Demoversion ist auf Steam erhältlich.

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