Für Netanjahu bleibt Iran der Feind...

...und Regime Change das Ziel. In Genf spricht man von einem möglichen Durchbruch bei den Atomverhandlungen mit Iran

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Aus Genf war zuvor bekannt geworden, dass sich ein neuer Deal zwischen den 5+1 und Iran abzeichnet, als der israelische Premierminister seine Rede vor dem US-Kongress hielt: "Well, this is a bad deal. It’s a very bad deal." Man sei besser dran ohne ihn. Die Strategie, die der israelische Regierungschef als einzig akzeptable vorschlägt, ist die weitere Erhöhung des Drucks. Da er weiß, dass dies mit der iranischen Führung zu keiner Vereinbarung führen würde, steht hinter seiner Rhetorik als allein treibendes Ziel der Regime-Change in Teheran.

Netanjahus Rede vor dem Kongress geisterte seit Wochen als großer Affront gegen Obama durch die amerikanischen und israelischen Medien, sie wurde gehypt und mit Politik-Stress betankt. Zu hören bekamen die Kongressabgeordneten dann nichts Besonderes, sondern einen Netanjahu-Remix aus bekannten Formeln.

Die Bedrohung durch Iran wurde von ihm mit der des IS gleichgesetzt, der Wunsch der iranischen Führung nach einer Atombombe als gewiss gesetzt, die Täuschungsmanöver, die das Regime anwendet, mit Nordkorea in Zusammenhang gebracht und auch die Referenz zum Holocaust fehlte nicht: "Ich kann die politischen Führer der Welt nur dringend mahnen, dass sie nicht Fehler der Vergangenheit wiederholen", sagte Netanjahu an den anwesenden Holocaustüberlebenden Elie Wiesel gewandt. Die erste Adresse seiner Rede waren die israelischen Wähler. Netanjahu betrieb Wahlkampf. Der amerikanische Kongress war nur die zweite Adresse.

Der innenpolitisch angeschlagene Ministerpräsident versuchte noch einmal, mit dem Image des Unbeugsamen zu kompensieren, was er an politischem Kapital in Israel schon verloren hat. Dabei fahren ihm Äußerungen aus dem Geheimdienst in die Parade, ehemalige hochrangige Mitarbeiter, die ihn für ein Sicherheitsrisiko halten, sowie Leaks, die seine schlicht plakatierten Voraussagen für die iranische Atom-Bombe demontieren - und dann wurde er auch noch, in kursierenden Netz-Veröffentlichungen, auf einer ihm angemessenen plakativen Höhe mit seiner Aussage vor dem US-Kongress aus dem Jahr 2002 konfrontiert, wonach er "garantiere, dass die Entfernung Saddam Husseins enorme positive Auswirkungen auf die Region haben wird".

Ob es Netanjahu gelungen ist, den Spalt zwischen Obama und den Kongress, wo die Republikaner die Mehrheit haben, zu vergrößern, wird wohl die nächsten Tage die Kommentare beschäftigen. Politisch relevant ist, was die Verhandlungen über das iranische Nuklearprogramm betrifft, hauptsächlich ein Punkt: die Möglichkeit, dass von Kongressabgeordneten die Sanktions-Peitsche wieder ausgepackt wird. Und dies muss nicht unbedingt ein Nachteil für die Regierung Obama sein.

Aus den Meldungen aus Genf, die - zum wiederholten Mal - von einem möglichen Durchbruch bei den Verhandlungen sprechen, geht auch hervor, dass die Gespräche zwischen Außenminister Kerry und seinem iranischen Gegenüber, Javed Zarif, durch den Druck, der im Vorfeld von Netanjahus Rede aufgebaut wurde, ergebnisorientierter ausgerichtet waren.

Das ist eine amerikanische Sichtweise, die von iranischen Politikern wahrscheinlich nicht bestätigt wird, wie auch Zarif bereits zu erkennen gab. Er gab zu verstehen, dass er mit einem wichtigen Punkt der amerikanischen Position nicht einverstanden ist, den Obama bereits gestern publik gemacht hatte: Dass Iran sein Atomprogramm für eine zweistellige Zahl von Jahren auf dem Status Quo hält, also einfriert.

Die neue Linie, die die USA als Verhandlungsführer der 5+1 durchsetzen wollen, besteht darin zu verhindern, dass Iran in einem "Spurt" binnen eines Jahres eine Atombombe bauen könnte. Dazu hat man die Anforderungen verändert.

Es geht nicht mehr um die Anzahl der Zentrifugen, sondern um die Menge angereicherten Urans, die begrenzt werden solle. Genannt werden Zahlen zwischen erlaubten drei- bis vierhundert Kilo. Produziert Iran über den Grenzwert hinaus, so soll der Überschuss nach Russland verfrachtet werden.

Darüber hinaus sollen die Anlagen in Arak und Fordo so verändert werden, dass dort nichts vorangetrieben werden kann, was das Misstrauen des Westens auslöst. Die Anlagen sollen unter der Beobachtung der IAEA stehen. Ob dies alles eine echte Grundlage für eine Vereinbarung ist, die laut Plan bis Ende März stehen soll, damit Ende Juni ein unterzeichnetes Abkommen steht, ist ungewiss. Es wird weiter verhandelt.

Ob Netanjahus "Ich halte an meinem Posten fest"-Rede dafür hilfreich war, wird sich zeigen. Iran wird ein mehrjähriger Stufenplan in Aussicht gestellt, der vorsieht die Sanktionen Schritt für Schritt abzubauen. Darin ist ein Wille zum Gegengeschäft zu erkennen, hinter dem freilich größere geschäftliche Interessen westlicher Nationen zucken, allerdings in der öffentlichen Weitergabe vorwiegend in einem Ton weitervermittelt, wie ihn Erziehungsberechtigte anschlagen. Aber möglicherweise ist das nur das Geräusch, das außen zum Polit-PR-Business gehört, und die Verhandlungspartner bauen vor allem auf die direkten Gespräche. Ansonsten bekommen, zuletzt auch anhand der grimmigen Rede Netanjahus, die Hardliner in Teheran mehr Gewicht.