Für den Antiterrorkampf erhält das FBI mehr Geld, mehr Technik und mehr Rechte

Anstatt einer Fehleranalyse der Infokalypse wird das FBI zu einer geheimdienstähnlichen Antiterrorbehörde reorganisiert und nähert sich wieder den Zeiten des Kalten Kriegs

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Das FBI hat bei Aufklärung und vor allem Verhinderung der Anschläge vom 11.9. nicht besonders geglänzt. Das Problem scheint allerdings nicht nur in fehlenden Informationen gelegen zu haben, sondern vor allem in der Auswertung und Weitergabe. Wenn das FBI jetzt im Zuge der Reorganisation den Schwerpunkt weg von der Bekämpfung des organisierten Verbrechens mit einer neuen großen Abteilung auf den der Bekämpfung des Terrorismus verlegt und zudem nochmals erweiterte Überwachungsmöglichkeiten erhält, bleibt die Frage, ob die Infokalypse damit wirklich behoben wird.

FBI-Chef Robert S. Mueller III

Robert Mueller, der FBI-Direktor, hat zumindest Glück, denn er kam erst am 4. September an die Spitze der Bundespolizei, zu kurz, um für die Schlampereien im Umgang mit Warnungen vor einem großen Anschlag auf die USA noch verantwortlich gemacht werden zu können. Verantwortlich aber ist er zwar für die nachfolgende Untersuchung, bei der weder das FBI noch die Geheimdienste großes geleistet hatten. Nicht einmal die wohl von einem amerikanischen Täter ausgeführten Anschläge mit den Anthrax-Briefen wurden bislang aufgeklärt. Jetzt beschäftigt sich die Öffentlichkeit aber erst einmal mit der Vorgeschichte, die Fehler bei der Aufklärung und auch die wieder von Amnesty International monierten Rechtsbrüche sind damit erst einmal aus en Augen verschwunden.

Dafür darf die Behörde, um es in Zukunft besser zu machen, gehörig aufrüsten. Fast 1.000 Menschen sollen neu eingestellt werden. 3.700 Agenten, ein Drittel der Gesamtzahl, werden sich alleine der Terrorismusbekämpfung widmen, an zweiter Stelle der Prioritäten folgt die Gegenspionage. Das organisierte Verbrechen, das es zwar trotz Terrorismus noch gibt, tritt ebenso in den Hintergrund wie die Bekämpfung von Korruption und Cyberkriminalität. Der "Schutz der Bürgerechte" wird zwar aufgeführt, aber nicht weiter ausgeführt. Nach dem 11.9. sei es klar geworden, so Mueller, "dass wir die Art, wie wir unsere Aufgaben erfüllen, radikal ändern müssen". Allein für den Aufbau der neuen Antiterrorabteilung hat Mueller für das Haushaltsjahr 2003 225 Millionen US-Dollar beantragt, für die Beschaffung und Weiterentwicklung der Informationstechnologie 125 Millionen.

Entscheidend verändert werden soll auch die technische Ausstattung. Das FBI habe noch mit 10 Jahren alten Computersystemen gearbeitet und sei nicht einmal in der Lage gewesen, Fotos über das Internet zu versenden. Um die Behörde wenigstens technisch einsatzfähiger zu machen, bedeute nicht nur, dass neue Computer angeschafft werden müssten, so Mueller, sondern auch, dass "jeder, von ganz unten angefangen, mit dem Computer umgehen kann, den Computer versteht und weiß, wie die Technologie uns helfen kann, unseren Job besser zu machen". Man werde sich auch stärker auf die Erhebung und Auswertung von Kommunikations- und Finanzdaten konzentrieren. Gerade ist erst wieder ein Fehler im Umgang mit dem Schnüffelsystem Carnivore aufgekommen, aber das scheint das Setzen des FBI auf Technik nicht zu beeinflussen. Ein Angestellter hatte, nachdem mit Carnivore auch mehr Benutzer ungenehmigt überwacht wurden als die Zielperson, einfach alle Emails gelöscht. Die Zielperson war "UBL", angeblich die interne Abkürzung für Usama bin Ladin.

Auch wenn bislang offenbar die vor dem 11.9. vorhandenen rechtlichen Mittel zur Überwachung zu Erkenntnissen geführt haben, die nur nicht richtig ausgewertet wurden, erweitert das US-Justizministerium die Rechte des FBI, Websites, Bibliotheken und religiöse Institutionen, vor allem natürlich muslimische, zu überwachen. Ohne Anlass ausgespäht können nun auch alle religiösen und politischen Organisationen. Im Antiterrorkampf ist jeder verdächtig und bröckeln die Bürgerrechte immer mehr ab. US-Justizminister John Ashcroft begründet dies damit, dass man präventiv "vorhandene Informationsquellen" nutzen müsse, "um terroristische Bedrohungen und Aktivitäten identifizieren zu können". Die Richtlinien, die die Rechte des FBI einschränkten, stammen aus den 70er Jahren. Damals wurde kritisiert, dass das FBI seine Macht missbraucht habe, indem es Kriegsgegner oder Bürgerrechtler wie Martin Luther King überwachte. Heute nimmt der Terrorismus die Rolle des damaligen kommunistischen Feindes an.

Die FBI-Agenten benötigen für die Überwachung im Dienste der Terrorabwehr keine spezifischen Informationen über einen Verdacht oder eine Untersuchung im Rahmen einer Strafverfolgung mehr nachweisen. Sie können nun einfach öffentliche Orte oder Websites betreten und dort observieren. Moscheen werden, so ein Angehöriger des Justizministeriums, als öffentliche Räume betrachtet, die nun ohne besonderes Anlass überwacht werden können. Auch Websites können permanent ohne konkreten Anlass überwacht werden. Die Richtlinien ermöglichen es, durch Surfen im Netz Websites und Foren zu identifizieren, in denen "Anleitungen zum Herstellen von Bomben, Vorbereitungen für Cyberterrorismus, Kinderpornographie und gestohlene Kreditkartendaten offen gehandelt und verbreitet werden".

Laura Murphy von der Bürgerrechtsorganisation ACLU sieht in den neuen Richtlinien die Umschaltung auf einen Generalverdacht. Sie würden den amerikanischen Bürgern sagen, "dass sie nicht mehr etwas Verbotenes machen müssen, damit das FBI an die Türe klopft. Die Regierung belohnt das Scheitern. Anscheinend ist die Reaktion der Bush-Regierung auf das Scheitern des FBI, der Behörde neue Rechte zu geben, anstatt erst einmal genau zu schauen, warum die Fehler bei den Geheimdiensten und Strafverfolgungsbehörden geschehen sind."

Mit den neuen Technologien, zusätzlichem Personal und erweiterten Überwachungsrechten dürfte eine noch größere Flut an Daten über das FBI hereinbrechen. Und bekanntlich spricht nichts dafür, dass "mehr" auch schon "besser" bedeutet. Der Schaden, den der demokratische Rechtsstaat nimmt, steht dagegen im Kampf gegen den Terrorismus ebenso in den USA wie anderen Orts fest.