Funky Vinyl

Das Comeback der Singles auf Howlin' Records von Freddie Fresh

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Freddie Fresh zählt inzwischen zu den Etablierten des Dancefloor-Genres. 10 Monate im Jahr ist der DJ und Produzent unterwegs, um bei verschiedenen Parties aufzulegen, neben Stars wie den Chemical Brothers, Fat Boy Slim oder als Support für die Jungle Brothers. Als Produzent und Remixer arbeitete er u.a. für Grandmaster Flash, Heaven 17, Schooly D und Boogie Down Productions. Schnippsel seiner Musik helfen Coors Lite Bier, Peugeots und Adidas-Sportartikel zu verkaufen. Aber trotz all dem findet er auch noch Zeit für ein echtes Liebhaberprojekt. Sein in St. Paul, Minneapolis angesiedeltes Label Howlin' Records hat damit begonnen, eine Serie kleiner schwarzer Scheiben herauszugeben, die klassischen 7-Inch-Singles, die auf 45 abgespielt werden müssen. Mehr als alles andere beinhalten sie die Essenz seiner Musik.

Der Meister an den Plattentellern

Jamaikanische Dancehall-Produzenten haben es immer schon gewusst und nie aufgehört, 7"-Singles zu produzieren. Die kleinen schwarzen Scheiben sind nicht nur eine Herausforderung für die Geschicklichkeit des DJ's und lassen sich leichter transportieren als 12"-Maxis, die Reduktionen, die das Format mit sich bringt, sowohl klanglich als auch bezüglich der Zeitdauer der Stücke, können sich bei richtiger Anwendung als Vorteil herausstellen. Das Gegenstück zum Marshall-Verstärker bei den Gitarrenbands, beinhalten sie die Essenz des DJ-Handwerks. 3 Minuten krachender und scheppernder Pop-Verführung und Party-Ekstase, auf die sofort ein anderes Stück folgen muss, da kaum Zeit für aufwendige Mixmanöver wie bei den Extended Versions der 12"s bleibt - eine schweißtreibende Vorgabe auch für die Plattenleger.

Bisher auf "Howlin'" erschienen sind Freddy Fresh, Younger Youth, Solomon Funk, MPC Genius, Wize Guys, Deadly Avenger, Bassbin Twins, Pepe Deluxe und Scissor Kicks, demnächst folgen sollen die Freestylers. Break Beats der alten Schule bilden die Basis der meisten Stücke, wobei zumindest auf zwei Tracks ("Dig This" und "Krafty Kuts") hörbar eine Referenz an den König der 45-Singles erteilt wird, Mark The 45-King. Dieser hatte Anfang der achtziger Jahre als erster die Bedeutung instrumentaler Breakbeat-Stücke für DJs erkannt und begonnen, für sich und andere rein instrumentale Platten mit Break-Loops aus seiner Funk- und Soul-Sammlung zu pressen.

Neben der Vorliebe für Dope Beats und Funky Flavours hantieren die Howlin'-Singles gerne auch mit erdigen Rhythm-and-Blues-Gitarrenriffs. Es liegt nahe, diese rockende Rennaissance mit dem Erscheinungsort im Mittleren Westen zu erklären, was aber eher eine journalistische Fehlzündung sein dürfte. Denn das rock-n-rolligste Stück "Boombastic" wurde in London produziert und über besagt erdigem Riff toasted ein jamaikanischer Dancehall-Sänger. Eine weitere feste Größe im Arsenal von Freddie "the last family man" Fresh sind Latino-Rhythmen, die auf den Einfluss seiner Frau aus Puerto Rico zurückzuführen sind. Einen Ohrwurm stellt diesbezüglich La Chunga dar (das sicherlich schon in einem Werbespot verbraten wurde, aber ich weiß nicht, in welchem). "We bad" hingegen unterstreicht, dass rein ethnische Zuschreibungen Humbug sind. Das Grundgefühl ist zwar "latino" aber dazwischen kreiselt ein tranciger Bleep und modernes Harddisk-Editing verhelfen dem Stück zu einem drum-and-bass-mäßigem Abheben. Der eventuell auftauchende Vorwurf, dass das gesamte Howlin"-Unterfangen, Old Skool Breaks, Rhythm and Blues und Latino-Ryhthmen auf 45-Singles zu pressen, läßt sich so auch mühelos entkräften. Howlin' geht zwar an die Wurzeln verschiedener Tanzmusikstile, transportiert sie aber durch geschicktes Editing ins Digitalzeitalter und macht sie damit auch für elektronikgestählte Ohren genießbar.

Ein Wermutstropfen für Fans ist allerdings, dass all diese Singles-Genialität nur in eng limitierter Auflage erscheint, von denen der Großteil direkt an DJs, Radiostationen und Rezensenten (hier!) geht. Dieser Umstand wird etwas gemildert dadurch, dass sich zumindest zwei der Tracks auch auf der Ende September erschienenen CD "Yeah Daddy!!" befinden (La Chunga und Boombastic). Diese Howlin"-Produktion wurde bei BMG lizenziert und sollte also in den meisten Plattenläden erhältlich sein. Das Album ist übrigens für meinen Geschmack etwas zu sehr auf der rock-n-rollenden Linie ausgeschlagen. Umso großartigere Ausnahmen bilden dabei das langsame "Boy That Turned Him On" und "Party Right!", ein Disco-Track, der direkt aus dem Larry-Levan-Paradies stammen könnte. Dankenswerterweise wurde uns exklusiv auch eine weitere CD-Pressung eines 40-minütigen Non-Stop-Mixes mit dem bezeichnenden Titel "Don't try this at home" zur Verfügung egstellt. Dieser Mix demonstriert, dass, sorry Freddie, Mr Fresh wahrscheinlich als DJ besser ist denn als Produzent. Sollte er sich gerade in der Stadt befinden, dann sollte man die Party keineswegs versäumen.

Wer aber nun durch diesen Artikel besonders scharf auf die Singles geworden ist, braucht dennoch nicht zu verzweifeln. Interessierte können sich per Email direkt an Freddie Fresh wenden oder seinem Label ein Fax schicken - 001 651 488 2270. Ausdrücklich erwünscht sind laut Beipackzettel auch "skilled turntablists", die ihre Dope Beats gerne auf Howlin' Records erscheinen würden sehen.