Gasversorgung für kommenden Winter unsicher

Viele Haushalte laufen derzeit Gefahr, die Heizung bei wieder sinkenden Temperaturen drosseln zu müssen. Bild: rawpixel.com

Die Gasversorgung für den nächsten Winter ist noch nicht gesichert. Verband fordert, dass Bürger darauf vorbereitet werden, ihre Heizungen abzudrehen

Die Bundesregierung will weniger abhängig von russischem Erdgas werden und sucht nach Alternativen. Aber in dem Bemühen spiegelt sich auch die Angst, Russland könnte den Gashahn einseitig zudrehen. Bürger und Wirtschaft Deutschlands würden hart getroffen, wenn das Gas knapp werden sollte.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) erklärte am Samstag im Deutschlandfunk, die Gasversorgung für den kommenden Winter sei "noch nicht komplett gesichert". Sollte es zu Engpässen kommen, dann sähen die Gesetze im Zweifelsfall vor, Unternehmen abzuschalten.

In einem solchen Fall würde politisch angeordnet, wer kein Erdgas mehr verbrauchen dürfe. Habeck versicherte, dass als letztes private Haushalte, systemrelevante Kraftwerke oder soziale Einrichtungen betroffen wären.

"Wenn wir zum nächsten Winter noch nicht mehr bekommen und die Lieferverbindungen aus Russland würden gekappt werden oder abreißen, hätten wir nicht genug Gas, um alle Häuser warm und alle Industrie laufen zu lassen", sagte Habeck. Womöglich könnten ganze Lieferketten abreißen, wenn zum Beispiel die chemische Industrie oder die Stahlwerke nicht mehr produzieren könnten.

Deutschland ist verwundbar – und das soll sich ändern. Im Moment gehe es darum, so schnell wie möglich von russischen Energielieferungen unabhängig zu werden, betonte Habeck. Das Wochenende verbringt er deshalb in Katar und in den Vereinigten Arabischen Emiraten, welche die dringend benötigten Energierohstoffe liefern sollen.

Der Ausgang der Verhandlungen ist noch ungewiss. Doch zuletzt wurden immer wieder bezweifelt, dass irgendein Land tatsächlich russische Energielieferungen ersetzen könnte.

Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) hatte das in einer am Freitag veröffentlichten Studie noch einmal unterstrichen. Kurz- und mittelfristig ließen sich demnach höchstens die Hälfte der russischen Gaslieferungen einsparen.

Nur Hälfte von Russlands Gas kann derzeit ersetzt werden

"Stand heute lassen sich rund 50 Prozent des russischen Erdgases kurzfristig ersetzen oder substituieren", erklärte die Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung, Kerstin Andreae. Das entspreche etwa ein Fünftel des jährlichen Gasbedarfs Deutschlands.

Der Verband schätzt, dass der Anteil russischen Erdgases an allen Erdgas-Importen in den Monaten Januar bis März 2022 bei rund 40 Prozent liegt. Bis Oktober letzten Jahres habe der Anteil höher gelegen; er betrug laut Studie bis dahin 55 Prozent. Danach wurden mehr Importe aus den Niederlanden und aus Norwegen bezogen.

Einsparpotenziale sind in vielen Bereichen vorhanden – doch sie sind sehr begrenzt. Die Haushalte könnten etwa 15 Prozent ihres Verbrauchs einsparen; bei Gewerbe, Handel und Dienstleistungen liegt das Einsparpotenzial laut Studie bei zehn Prozent; und in der Industrie bei acht Prozent. Erst auf mittel- und langfristige Sicht könnten weitere Potenziale erschlossen werden.

Die größten Einsparungen lassen sich demnach in der Stromerzeugung vornehmen. Rund 36 Prozent des Gasbedarfs ließen sich einsparen – was aber auf Kosten des Klimaschutzes gehen dürfte.

Denn die wegfallenden Strommengen müssten aus "bestehenden anderen Kraftwerkskapazitäten" ersetzt werden, womit vermutlich Kohlekraftwerke gemeint sein dürften. Auf Gaskraftwerke kann aber nicht komplett verzichtet werden, da vielerorts auch die Wärmeversorgung an ihnen hängt.

Die Industrie kann nur wenig zu den Einsparungen beitragen. In diesem Bereich wird Erdgas überwiegend dafür verwendet, Prozesswärme zu erzeugen. Erdgas als Energieträger zu ersetzen, wäre nur mit Investitionen in alternative Prozesstechnologien möglich.

In der chemischen Industrie wird Erdgas aber nicht nur als Energieträger, sondern auch als Rohstoff eingesetzt. Deshalb ließen sich in diesem Bereich nur etwa vier Prozent ersetzen. Ein Embargo von russischem Erdgas würde diesen Sektor voll treffen, heißt es beim BDEW, "ohne dass realistische kurzfristige Optionen einer Energieträgersubstitution bestehen".