Geben Sie Innovationsfreiheit, Sire!

Nun will auch Bertelsmann seine Beschäftigten zu Hause mit PCs und Internetanschluss bedenken - doch der Finanzminister torpediert die Vernetzungsinitiative

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In den vergangenen Wochen machten die Konzerne Ford, Delta Airlines und kürzlich Intel Schlagzeilen mit Plänen, ihre gesamte Mitarbeiterschaft gegen eine symbolische Monatsgebühr oder sogar gänzlich kostenlos mit modernen PCs und Internetzugang auszurüsten. Am Mittwoch gab nun Bertelsmann bekannt, sich auch in die Reihe der "Computer-Verschenker" einreihen zu wollen. Die an sich gute Idee, die in Deutschland bereits 1997 entstand, hat nur einen Haken: Gerade für die deutschen Mitarbeiter der genannten Unternehmen dürften sich die PC-Giveaways fürs Heim wegen der Steuergesetzgebung hier zu Lande als Danaergeschenk erweisen.

"Bertelsmann positioniert sich als Vorreiter bei der breiten Einführung der Internet-Technologie und leistet intern einen entscheidenden Schritt zur globalen Verankerung und Weiterentwicklung seiner Unternehmenskultur", freute sich Thomas Middelhoff, Vorstandsvorsitzender des Gütersloher Medienkonzerns, bei der Ankündigung, seinen weltweit 72.000 Mitarbeitern bei der Ausstattung ihrer privaten Haushalte mit Personal-Computern und Internetzugang unter die Arme zu greifen. "Alle sollen die Chance erhalten, selbst zu erfahren, wie Bertelsmann mit der Herausforderung der Net-Economy umgeht."

Für die Aktion will das Unternehmen 100 Millionen Mark zur Verfügung stellen. Bertelsmann hofft, dass das Geld gut angelegt ist und sich den Beschäftigten und ihren Familien zusätzliche Chancen des Wissenszugangs, der Weiterbildung und Qualifikation eröffnen. Ganz uneigennützig ist das Vorhaben allerdings nicht, soll es doch auch zur Motivation der auf über 50 Länder verteilten Mitarbeiter und ihrer verstärkten Bindung an den Konzern beitragen, zu dem unter anderem der Verlag Gruner+Jahr, das Plattenlabel BMG oder der Buchclub gehören. Schaden kann es ja auch nicht, wenn Firmenangehörige auch in der Zeit, die sie zu Hause verbringen, ständig über das Internet erreichbar sind.

Einzelheiten zur Umsetzung des Projekts werden von einer Projektgruppe noch ausgearbeitet. Betriebsräte und Personalleiter haben die Pläne der Unternehmensleitung begrüßt. Vorgesehen ist, dass die Mitarbeiter einen noch nicht festgelegten Monatsbeitrag zu den Hardware- und Softwarekosten leisten sowie die Telefonkosten für die Interneteinwahl übernehmen.

US-Firmen streben Führung bei der Internetnutzung im Konzern an

Bertelsmann folgt damit weitgehend Plänen amerikanischer Firmen, ihre Mitarbeiter durch ähnliche Maßnahmen fit fürs Internetzeitalter zu machen. Anfang Februar hatte der Automobilkonzern Ford ein großes Medienecho mit seiner Ankündigung ausgelöst, all seine 350.000 Angestellten weltweit mit Computern, Laserdruckern und einer Internet-Flatrate für fünf Dollar im Monat auszustatten. "Es ist klar, dass Individuen und Unternehmen, die im 21. Jahrhundert erfolgreich sein wollen, führend in der Anwendung des Internet und verwandter Technologien sein müssen", hatte der Vorstandsvorsitzende Bill Ford den ungewöhnlichen Schritt begründet.

Wenig später zog Delta Airlines nach, deren 72.000 Mitarbeiter im Sommer ihren kostenlosen Rechner in den eigenen vier Wänden aufstellen können sollen. Anfang Februar offerierte Intel seinen weltweit 70.000 Angestellten dann den bisher besten Deal: Wie es sich für einen Chiphersteller gehört, sollen seine Mitarbeiter mit der neuesten am Markt verfügbaren Hardware ausgerüstet werden, was einen PC mit einem 667-Megahertz-Pentium-III, eine Festplatte mit 20 Gigabyte sowie eine Kamera für Videokonferenzen umfasst. Selbst den Internet-Breitbandzugang über Kabelmodem oder DSL sponsert das Hightech-Unternehmen. Wer bereits einen Computer zu Hause hat, soll entweder die neue oder seine alte Hardware mit Hilfe eines von Intel koordinierten Programms an Schulen oder andere öffentliche Einrichtungen vermachen können.

Deutsche Idee über Amerika re-importiert

Interessanterweise stammt die Idee zum Verschenken der PCs aus Deutschland. Dieter Klumpp, Geschäftsführer der Alcatel SEL-Stiftung für Kommunikationsforschung, hatte im Rahmen der Diskussion um die Einführung der Telearbeit (Telearbeit - der Anfang vom Ende der Arbeit?) bereits im April 1997 vorgeschlagen, dass Arbeitgeber ihren qualifizierten Mitarbeitern einen PC samt Internetanschluss und 140 gesponserten Onlinestunden pro Jahr auf den privaten Schreibtisch stellen sollten. Durch die Qualifikation ans Netz getaufte Kampagne sollten die Angestellten sich selbst im trauten Heim zu Internetfreaks und Wissensarbeitern weiter bilden. Die Aktion wurde damals von deutschen Unternehmen allerdings nicht aufgegriffen, da unter anderem die Steuergesetzgebung in Deutschland die PC-Giveaways als "geldwerte Leistung" deklariert, die versteuert werden muss.

Hans Dieter Köder, ehemaliger Vorsitzender der Multimedia-Enquetekommission des Baden-Württembergischen Landtags, empfahl Klumpp bereits vor drei Jahren, "seine Idee nach Amerika zu exportieren, damit sie - über die amerikanische Managementlehre re-importiert - auch hier eine Chance bekommt." Auch ohne den deutschen Export haben die US-Konzerne den Wert des Qualifikationsprogramms inzwischen erkannt - und die Idee setzt nun tatsächlich wieder zum Landeflug auf Deutschland an. "Ich finde das eine tolle Idee", hatte Bundeskanzler Gerhard Schröder die Vernetzungsinitiative von Ford begrüßt, von der auch 30.000 deutsche Mitarbeiter des Autobauers profitieren könnten. Das Internet und der Umgang mit Computern, so Schröder, würden schließlich nicht nur für diejenigen, die in den Büros und den Geschäftsleitungen arbeiten, immer wichtiger.

Unzumutbare Kosten durch das Finanzamt

Anscheinend hatte der Bundeskanzler, der in jüngster Zeit mehrfach vor dem Aufbrechen einer digitalen Kluft in Deutschland gewarnt hatte, vor seinem Lob nicht mit seinem Finanzminister Rücksprache gehalten. Denn nach wie vor macht die Steuergesetzgebung in Deutschland die Weitergabe der PC-Geschenke schier unmöglich: "Die Abgabenbelastung von 20 Prozent Sozialabgaben und durchschnittlich 35 Prozent Lohnsteuer auf den geldwerten Vorteil ist für den Mitarbeiter durchaus ein Faktor, der seine Entscheidung beeinflussen kann, ob er das Angebot des Unternehmens annimmt", ärgert sich Adolf Großmann aus dem Vorstandsstab der Personalabteilung bei Bertelsmann. Falls der Konzern selbst diese Kosten übernähme, würde das die gesamte Kalkulation sprengen, "da dann auch noch Steuer auf die Steuer anfällt."

Großmann hofft nun, in Verhandlungen mit den Finanzbehörden eine Anerkennung der betrieblichen Nutzung und damit eine Steuerbefreiung erreichen zu können. Falls dies nicht gelinge, würde der Staat die Entwicklung der Informationsgesellschaft klar behindern.

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Jörg Tauss hatte noch zu Oppositionszeiten im August 1998 beim Finanzministerium darauf gedrängt, deutsche Überlegungen für ein steuerfreies Verschenken von Computern innerhalb von Arbeitsverhältnissen zu forcieren. Vom Staatssekretär Hansgeorg Hauser wurde ihm damals beschieden, dass solche "Gaben" als Arbeitslohn anzusehen und folglich zu versteuern seien. Heute kämpft Tauss, inzwischen Beauftragter der SPD-Fraktion für Neue Medien, immer noch mit dem Finanzminister: Das Steuerproblem sei ein "dringendes Gesprächsthema" und er schnüre gerade ein Gesamtpaket, in dem auch die Verkürzung von Abschreibefristen von PCs und eine Befreiung von Computerspenden von der Umsatzsteuer zur Sprache kommen sollen.

Dass sich die Bundesregierung trotz vollmundiger Aktionsprogramme zur Förderung der Informationsgesellschaft so schwer tut mit den Unternehmensinitiativen, bringt Beobachter wie Axel Zerdick, Professor am Arbeitsbereich Ökonomie und Massenkommunikation des Publizistikinstituts an der FU Berlin, schon seit längerem zur Verzweiflung. Dabei handele es sich nicht einmal um einen echten Steuerverzicht - letztlich sei alles mit einem kleinen Verwaltungsakt zu arrangieren: "Auf der Einnahmeseite verändert sich für das Finanzamt nichts", wenn eine Firma ihren Beschäftigten PCs überlasse "Geben Sie Innovationsfreiheit, Sire!", möchte man sich Klumpp da am liebsten anschließen, der 1997 mit dieser Forderung allerdings auf taube Ohren beim Finanzminister stieß.