Gebremster Heiliger Zorn auf das Internet

Von der Schließung von Internetcafés im Iran zur Kontrolle der Inhalte

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"Unsere Feinde sind unfähig, Soldaten zu schicken und zu kämpfen. Daher locken sie uns mit dem Cyperspace, wo wir zu ihren Bedingungen kämpfen müssen." Mit diesen Worten wurde der konservative iranische Ajatollah Mezbah Yadi kürzlich von der iranischen Tageszeitung Arab News zitiert.

Der hohe geistliche Würdenträger steht mit seiner Meinung nicht allein. Schon seit Längeren ist die junge Internetbewegung des Irans im Visier der herrschenden Theokratie.

Der Internetboom in den großen iranischen Städten begann 1997 mit der Wahl des als Reformer geltenden Präsidenten Mohammed Khatami. Allein in Teheran haben in letzten Jahren ca. 1500 Internetcafés geöffnet, von denen manche lediglich einen netztauglichen Computer besitzen. Nach Angaben iranischer Oppositionelle fanden sie vor allem in der Jugend eine immer größere Beliebtheit. Schließlich bekamen sie dort Informationen, die man in iranischen Massenmedien, die fest in der Hand des konservativen Klerus sind, vergeblich sucht. Einige kürzlich verbotene liberale iranische Zeitungen haben mittlerweile ihre festen Ausgaben im Internet.

Den Geistlichen war dieser Internetboom von Anfang an ein Dorn im Auge. Wiederholt haben einflussreiche Ajatollahs die Computernutzung als unislamisch gebrandmarkt. Doch das gerade unter der Jugend das Interesse am Internet eher noch angeregt. Doch jetzt ist die iranische Geistlichkeit zu anderen Mitteln übergegangen. So wurden Mitte Mai in Teheran über 400 Internetcafés von der Polizei geschlossen. Die offizielle Begründung für diese Maßnahmen war die fehlende Lizenz für das Betreiben eines Internetcafés.

Häufig sind die Internetcafés in ehemaligen Restaurants, Schreibwaren- oder Einzelhandelsläden entstanden. Die staatliche Repression hat schnell eine Welle des Protestes bei den Internetnutzern ausgelöst. "Dieser Protest hatte den Erfolg, dass der Blitzkrieg gegen die Internetcafés gestoppt wurde. Man ist von Seiten des Staates schließlich dazu übergegangen, den übrigen Cafés eine Frist einzuräumen, damit sie sich die fehlende Lizenz besorgen können", sagte Mohammad Chizari, Besitzer eines Internetcafés in Teheran der Nachrichtenagentur Reuters.

Beobachter vermuten hinter den Schlag gegen die junge Computerszene auch einen Zusammenhang mit den bevorstehenden Präsidentschaftswahlen. Am 8.Juni stellt sich der von orthodoxen Kreisen angefeindete Präsident Khatami den Wählern. Obwohl er mittlerweile in der Jugend wegen seiner vorsichtigen Haltung gegenüber dem Klerus viel an Sympathie eingebüßt hat, werden ihm viele mangels Alternative doch wieder ihre Stimme geben. Zu den Maßnahmen gegen die Internetcafés hat sich Khatami bisher nicht geäußert.

Auch unter den konservativen Geistlichen hat sich mittlerweile allerdings die Überzeugung durchgesetzt, dass man die Internetnutzung nicht gänzlich verbieten, aber doch staatlich reglementieren kann. Schon heute ist es verboten, über Sexualität oder Religionsfragen zu diskutieren. Auch jede Erwähnung von Israel oder den USA ist untersagt. Die Betreiber der Internetcafés lassen sich diese Verbotsliste von ihren Kunden per Unterschrift bestätigen. Als Folge dieser Reglementierungen dürfen beispielsweise Medizinstudenten an universitätseigenen Computern keine Internetseiten über anatomische Themen aufrufen.

Doch die religiöse Moral des Klerus ist nicht vor den irdischen Verlockungen des Geldes gefeit. Auch dort hat man schon erkannt, dass man in der Computerbranche gute Geschäfte machen kann. So sind mittlerweile hochrangige Geistliche finanziell im Hardwarebereich sowie bei den Providern involviert.