Gefahren für die Welternährung

Seite 3: Halbe Entwarnung für Freisetzung von Methan durch Klimaerwärmung

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Hier auf Telepolis wurde wiederholt auf die Gefahren aufmerksam gemacht, die in der Arktis für das globale Klimasystem in Form von etwaigen Rückkoppelungsmechanismen schlummern (siehe z. B.: Zeitbombe in der Arktis, Eine klimatische Zeitbombe im hohen Norden oder Beschleunigtes Auftauen). Dazu gehören neben den gewaltigen Mengen Kohlenstoff, die im sibirischen Permafrost gebunden sind, und dem Meereis, dessen Rückzug an einem noch nicht bekannten Punkt zum sich selbstverstärkenden Prozess wird, wenn zuviel des arktischen Ozeans im Sommer frei liegt und sich erwärmen kann, vor allem die sogenannten Gashydrate.

Unter letzterem versteht man Methan, das durch zu Eis erstarrtes Wasser eingeschlossen wird. Das geschieht, wenn das Wasser kalt genug ist und ausreichend hoher Wasserdruck herrscht. Also gewöhnlich in Wassertiefen von etlichen hundert Metern und vorzugsweise in nördlichen Gefilden.

Der Boden der sehr ausgedehnten flachen Küstengewässer vor Nordsibirien ist voll mit diesem brennbaren Eis. Dort ist das Wasser zwar kaum mehr als hundert Meter tief und der Druck nicht allzu hoch, dafür sind die Temperaturen aber um so niedriger. Zu einem erheblichen Teil lag der Boden während der letzten Eiszeit wegen des um rund 120 Meter niedrigeren Meeresspiegel frei und ist zu dieser Zeit bis in mehrere hundert Meter Tiefe gefroren.

In anderen nördlichen Gewässern sind die Bedingungen etwas anders, denn dort gibt es keinen Permafrost, sondern nur Gashydrate, die sich vor Ort gebildet haben. Die genauen Bedingungen, unter denen sie entstehen und erhalten, sind bisher schwer zu messen, da sich das Methan-Eis oder auch die Bodenproben, schnell auflösen bzw. ihren Gasgehalt verlieren, wenn sie an die Oberfläche geholt werden.

Wichtig ist das alles im Zusammenhang mit der Frage, ob es im Zuge der globalen Erwärmung vielleicht große Ausbrüche des Treibhausgases Methan aus diesen Gashydraten geben könnte, was die globale Erwärmung weiter verstärken würde. Eher nicht, meinen Xin Zhang und Kollegen vom Monterey Bay Aquarium Research Institute in Moss Landing im US-Bundesstaat Kalifornien.

Das renommierte Magazin Nature berichtet über ihre jüngste Forschungsergebnisse. Erstmalig haben sie ein automatisches Unterwasserfahrzeug im Einsatz gehabt, das vor Ort den Druck, die Temperatur und den Methangehalt von Wasser und Sediment messen konnte.

Die Ergebnisse bestätigen die Hypothese, wonach größere Ausbrüche unwahrscheinlich sind. Die Hydrate würden nicht nur durch Druck und niedrige Temperatur, sondern auch durch die Methansättigung ihrer Umgebung stabilisiert. Das spricht dafür, dass die Gashydrate stabiler sind, als wenn sie nur von den ersten beiden Parametern abhängen würden.

Die US-Wissenschaftler haben ihre Untersuchungen an drei Stellen vor den Küsten Oregons und Britisch-Kolumbiens gemacht. Mit den Verhältnissen in der Arktis haben sich hingegen Forscher des Kieler GEOMAR-Instituts beschäftigt und ihre Erkenntnisse im US-Fachblatt Geophysical Research Letters veröffentlicht. Die möglichen Veränderungen von Temperaturen und Strömungen wurden in Computermodell eingespeist, um das Verhalten des Methans zu simulieren.

Das Ergebnis besteht aus einer Entwarnung und einem neuen Alarmruf: "Unsere Berechnungen ... zeigen deutlich, dass dem Klima in den nächsten hundert Jahren keine zusätzliche Gefahr durch erhöhte Methanaustritte droht", fasst Studien-Hauptautor Arne Biastoch zusammen.

Die Gashydrate lösen sich mit einer zeitlichen Verzögerung auf, so dass eher in zwei- bis dreihundert Jahren mit Folgen zu rechnen ist - ein Zeitraum, über den sich heute wenig Definitives sagen lässt. Diese Langzeitwirkungen sollten wir bei der Diskussion über Klimaänderungen berücksichtigen. Aber wir sollten die Situation nicht dramatisieren.

"Wir gehen davon aus, dass nach hundert Jahren etwa zwölf Prozent des im Meeresboden eingelagerten Methans freigesetzt wird", so Co-Autor Lars Rüpke. Davon würde vermutlich etwa die Hälfte durch Mikroorganismen gebunden. Die andere Hälfte steigt zum Teil in die Atmosphäre auf, und zum Teil wird sie im Wasser gelöst.

Genau dort liegt aber eine weitere Gefahr. Das Methan würde nämlich "das andere CO2-Problem", die Versauerung der Ozeane verstärken. Die bedroht insbesondere die nördlichen Gewässer, weil diese wegen ihrer geringen Temperatur besonders viel CO2 aus der Luft aufnehmen. Dadurch wird das Wasser saurer, sodass sich ab einem bestimmten Grad die Kalkskelette von Korallen und ähnlichem auflösen.

Die Vorstellung, dass das Methan einfach im Wasser gelöst wird, statt in der Atmosphäre als Treibhausgas zu wirken, ist also nicht wirklich beruhigend. Wenn in den Ozeanen alle Organismen mit Kalkskeletten aussterben, brechen ganze Nahrungsketten und damit auch die Fischbestände zusammen. Für die Welternährung wären das durchaus dramatische Aussichten.