Gegen milde Richter und Pornographie

Der christlich-fundamentalistische US-Justizminister Ashcroft will harte Strafen und ein keusches Amerika

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Amerikas Justizminister John Ashcroft, der schon einmal inmitten seiner Mitarbeiter Kirchenlieder singt (John Ashcroft lässt den Adler segeln) oder nackte Statuen verhüllt (USA führen Schleierzwang ein), gehört der radikalen christlichen Fraktion der Konservativen an (Fliegendes Teleskop soll kosmischen Gral aufspüren). Mit seinem Überwachungsplan TIPS, bei dem möglichst alle Amerikaner ihre Nachbarn ausspitzeln sollten, ist der Justizminister gescheitert, bereitet aber klammheimlich schon einmal eine verschärfte Version des Patriot-Gesetzes vor. Im Umgang mit den Gesetzen hatte sich Ashcroft stets als sehr flexibel erweisen, wenn es um angebliche Terrorverdächtige ging (Das Recht auf Willkür im Krieg). Jetzt will er aber zumindest stärker gegen liberale Richter vorgehen, die für den Christen zu geringe Strafen verhängen und die Pornobranche eindämmen.

"Das Justizministerium hat die heilige Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass die Gesetze für die Verurteilung von Straftätern treu, gerecht und konsistent angewendet werden", schrieb Ashcroft in einem Memorandum an die Staatsanwälte am 28. Juli. Ashcroft forderte die Staatsanwälte auf, mehr Einsprüche gegen zu milde Urteile einzulegen.

Ashcroft nutzt für sein Vorgehen gegen für ihn zu lasche Richter das sogenannte "Feeny amendment", das kürzlich vom Kongress verabschiedet wurde und es den Berufungsgerichten ermöglicht, schärfere Urteile auszusprechen. Zu nachsichtige Richter sollen zudem dem Kongress gemeldet werden. Kritiker wie der demokratische Senator Edward M. Kennedy fürchten, dass daraus eine Liste mit den schwarzen Schafen erwachsen könnte. in 35 Prozent der Fälle wurden 2001 mildere Urteile als in den Richtlinien angegeben gefällt, die Hälfte verdanken sich allerdings Plea-Absprachen zwischen Richter und Verteidigern. Staatsanwälte legten kaum Berufung ein.

Folge der Aufforderung an die Staatsanwälte, zu milde Richter zu melden, ist deren Einschüchterung und damit der Versuch, die Rechtssprechung zu beeinflussen. Zudem soll nach seiner Vorstellung dasselbe Strafmaß über alle Straftäter, die dasselbe Vergehen begangen haben, verhängt werden. Das hieße auch, dass Richter in dem Staat, in dem weltweit prozentual und absolut die meisten Menschen bereits Gefängnisstrafen absitzen (Über 2 Millionen Häftlinge), die Umstände einer Tat für ein milderes Urteil nicht mehr berücksichtigen sollen. Nach einem Sprecher des Justizministerium handelt es sich aber nur um eine Maßnahme, die die regionalen Unterschiede einebnen soll. Dass da nicht die liberalen Staaten als Vorbild dienen, kann nach Maßgabe des Memorandums angenommen werden. Schließlich hatte Ashcroft auch schon gefordert, dass die Staatsanwälte in den 12 Bundesstaaten, in denen die Todesstrafe nicht verhängt werden kann, diese verlangen sollen.

Aber auch in anderer Richtung entfaltet Ashcroft, der wie Präsident Bush puritanisch eingestellt und beispielsweise den Wert der Jungfräulichkeit vor der Ehe aufrecht erhält (Oberstes Reinheitsgebot), für neue Aktivitäten. So hat das Justizministerium erstmals einen kalifornischen Händler von Pornofilmen, Extreme Associates, wegen eines Verstoßes gegen Obszönitätsgesetze angeklagt. Die Angeklagten sollen obszöne Produkte über das Internet und in Form von Videobändern und DVDs mit der Post über Landesgrenzen hinweg vertrieben und damit gegen lokale Gesetze verstoßen haben. Dabei geht es um 5 Filme, die fiktive Vergewaltigungen und Ermordungen von Frauen zum Inhalt haben. Extreme Associates bietet diese inzwischen als Pack zu ermäßigten Preisen.

Man erwartet, dass dies der erste Schritt einer Klagewelle gegen die Pornobranche sein wird. Ashcroft hatte schon bei Amtsantritt versprochen, gegen die Pornobranche und ihre Produkte wie Filme, Magazine oder Websites vorzugehen. Das könnte freilich auch den Wahlkampf in Kalifornien aufheizen, in dem nicht nur Schauspieler, sondern auch Porno-Darstellerinnen oder Larry Flynt, der Herausgeber von Hustler, zur Recall-Wahl antreten will (Hasta la vista, Kino! und Terminator-Darsteller Schwarzenegger oder Porno-König Larry Flynt). Kalifornien ist das Zentrum der amerikanischen Pornobranche, die viele Milliarden Umsatz macht.

"Die heutige Klage", so Ashcroft am Donnerstag, "stellt einen wichtigen Schritt für die Strategie des Justizministeriums dar, die Verbreitung pornographischer Obszönität zu bekämpfen." Man werde weitere Anklagen vorbereiten, um Andere von abzuhalten, "obszönes Material herzustellen und verbreiten". Die politischen und personellen Verbindungen zur Reagan-Zeit sind in der Bush-Regierung vielfältig. Auch dieses Vorgehen von Ashcroft greift auf den unter Reagan betriebenen Kampf gegen die Pornographie zurück. Damals hatte eine Kommission sexuelle Gewalt im Film mit der Ausübung wirklicher sexueller Gewalt und auch Pornographie mit der Belästigung von Kindern verbunden. Zahlreiche Pornohersteller mussten daraufhin Gefängnisstrafen absitzen.