Geheimnisvolle Trockentäler

Anarktis-Expedition beflügelt astrobiologische Mars-Forschung

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Die antarktischen Trockentäler mit ihren salzreichen Böden sind seit Jahrzehnten Objekt wissenschaftlicher Spekulationen. Die Verteilung der Sauerstoffisotopen deutet nun darauf hin, dass ein großer Teil der Sulfate biologischen Ursprungs ist. Und schon glauben die Forscher, dass auf diese Weise sich eventuell einstiges Leben auf dem Mars beweisen lässt

Marsaufnahme Pathfinder Mission

Fast im Zeitlupentempo bewegt sich der Roboter über das zerklüftete unirdische Terrain. Die sechs Räder, die ihn tragen, wirbeln bei jeder Bodenberührung eine kleine rötliche Staubwolke auf. Mit einem Male stoppt die Maschine und fotografiert die fremdartige Umgebung millimetergenau ab. Kurz darauf untersucht sie den Boden, um dann zeitgleich die digitalisierten Daten in die 200 Millionen Kilometer entfernte Heimat zu funken, von der nur ein heller Punkt am Himmel zeugt. So geschehen im Juli 1997, als der Marsrover Sojourner (Pathfinder-Mission) während seiner Erkundungsfahrt auf dem roten Planeten im Ares Vallis völlig autark Bodenproben sammelte und dieselbigen ohne Anzeichen auf Leben analysierte.

Marsrover Sojourner

Obgleich Sojourner, dessen Aktionsradius nur wenige Meter betrug, seinerzeit keine einzige fremdartige Mikrobe aufspürte, glauben heute viele Wissenschaftler, dass auf dem Mars in tieferen Schichten oder in anderen Regionen durchaus primitive Lebensformen oder zumindest Spuren ehemaligen Lebens existieren könnten. Hierzu zählt auch der Geochemiker Huiming Bao von der Universität in Californien, San Diego (UCSD)www.chem-ucsd.edu, der kürzlich in Nature zusammen mit anderen Co-Autoren das Ergebnis einer Antarktis-Expedition vorlegte, der er selbst angehörte und das für die Suche nach Leben auf dem Mars von Bedeutung sein könnte.

Dass sich dabei das Interesse der Forscher, die in der Nähe der US-Südpol-Basis McMurdo operierten, auf die antarktischen Trockentäler mit ihren salzreichen Böden fokussierte, kommt nicht von ungefähr. Denn seit langem rätseln Geologen und Geochemiker über die Ursachen der hohen Salzkonzentrationen, die für Trockentäler am Südpol charakteristisch sind. Trockentäler sind rare Landflächen, die sich ähnlich wie Wüstenoasen von ihrer "natürlichen" Umgebung absetzen. Inmitten der Kälte und Einöde der Antarktis bilden sie schnee- und eisfreie Zonen. So verwundert es nicht, dass solche Gebilde zahlreiche Fragen aufwerfen: Waren diese Regionen einst vom Meer bedeckt? Haben kräftige Seewinde die Gischt des Meeres bis hierher getragen? Oder entstanden die gefundenen Sulfate (Salz der Schwefelsäure) an Ort und Stelle durch Verwitterung oder hydrothermale Vorgänge?

Trockental

Die anomale Verteilung der Sauerstoffisotope in den Sulfaten, welche sie vorfanden, deutet darauf hin, dass diese ihren Ursprung in Schwefelgasen haben, die während ihres Verweilens in der Atmosphäre chemischen Veränderungen unterlagen. Hierfür verantwortlich sind Schwefel produzierende Algen, die in den antarktischen Meeren weit verbreitet sind und deren Salz-Anteil mit größerer Entfernung zur Küste zunimmt. Das kommt daher, weil die Salze in den küstennahen Regionen vor allem durch die Gischt eingetragen werden, während die Schwefelgase mit den Winden viel weiter ins Innere des Kontinents gelangen. Dabei kommt es aber nicht nur zu einer seitlichen, sondern auch vertikalen Verteilung der Salzanteile im Boden. Denn je tiefer die Forscher gruben, desto höher war die Konzentration von biologisch produziertem Schwefel, die sie vorfanden. Dass die Beweiskette, die eine biologische Herkunft eines Teils der Salze untermauert, stichhaltig ist, hat einen besonderen geographischen Hintergrund.

Satellitenaufnahme der Antarktis

Denn nur abseits der Zivilisation, Tausende Kilometer entfernt von den von Menschen produzierten Sulfatquellen der Metropolen, ist eine genaue Herkunftsbestimmung der Sulfate möglich. "Jetzt haben wir den ersten konkreten Hinweis, dass das Salz in den Trockentälern biologischer Natur ist", erklärt Huiming Bao. Für seinen Kollegen und Co-Autoren Mark Thiemens hat diese Entdeckung weitreichende Folgen: "Will man unter kontrollierten Bedingungen die Prozesse extremer Umweltbedingungen studieren, wie sie auch auf dem Mars ablaufen, dann muss man zum Südpol herkommen. Hier hat man einen guten Einblick, was auf dem Mars passieren könnte, da die Bedingungen in dieser Antarktisregion marsähnlich sind". Deshalb ist nach Ansicht der US-Forscher eine eingehende Untersuchung der Trockentäler nützlich, da sie zu erklären vermag, inwieweit ähnliche Prozesse vor Millionen Jahren auf dem Mars, als dort noch flüssiges Wasser vorhanden war, verliefen und wo eventuell Lebensspuren zu finden sind.

Für eine Reise zum Mars hat Professor Mark Thiemens zumindest einen konstruktiven Tipp parat: "Wenn wir zum Mars fliegen und Bodenproben gewinnen wollen, müssen wir allerdings tiefer unter die Oberfläche gehen, weil das Salz langsam nach unten wandert."

Noch einen Schritt weiter denkt Scott Borg, der das geologische und geophysikalische Antarktis Programm der National Science Foundation koordiniert: "Die Ergebnisse helfen uns sehr dabei, effiziente Experimente für Raumsonden zu entwickeln, die nicht nur den Mars, sondern eines Tages auch völlig andere Planeten anfliegen."