Geklonte Pandabären und genmanipulierte Riesenkarpfen

Chinas Gentechnologie boomt

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Der Guangming Daily, eine große chinesische Zeitung, die auf Wissenschaft und Technologie spezialisiert ist, hat kürzlich in einer Schlagzeile genmodifizierte Nahrungsmittel als vollkommen unbedenklich eingestuft.

Shanghai

Als weltweit erstes Land hatte China sich der kommerziellen Produktion von genveränderten Lebensmitteln verschrieben. Der Anfang wurde 1988 mit virus-resistenten Tabakpflanzen gemacht. In den folgenden zwölf Jahren genehmigte Peking die Freigabe von mehr als 90 neuen Sorten. Das Budget für Biotechforschung ist mit 360 Millionen Dollar dreimal so hoch wie letztes Jahr.

Es ist kein Zufall, dass der achtzehnte Weltkongress der Internationalen Genetikföderation 1998 in Peking stattfand. Ende 1999 wurde China, vier Jahre nach dessen Start, ins Human Genome Project (HGP) aufgenommen. Das National Chinese Genome Project liegt in einem wuchernden Industriepark Shanghais, der aussieht wie das Set zu Bladerunner und Standort von vielen internationalen Biotechnologiefirmen werden soll. Anders als wahrscheinlich jedes andere Genforschungsinstitut weltweit, wird das National Chinese Genome Project in Shanghai in erster Linie von der Stadtverwaltung finanziert. Die 13,4 Millionen umfassende Gemeinde von Shanghai investierte 1999 sechs Millionen Dollar, jährlich sollen zwei Millionen hinzukommen. Krankheitsbezogene Forschung konzentriert sich hier vor allem auf Leptospirose, Leberkrebs (mit Fokus auf Chromosom 17), Diabetes, Bluthochdruck und Parodontose. China entschlüsselt mit zwölf Instituten und neunzehn Forschungsgruppen insgesamt etwa ein Prozent des menschlichen Genoms, interessanterweise tauschen die Center in Shanghai und Peking ihre Daten jedoch nicht aktiv aus.

Insgesamt werden zur Zeit aus China eher positive Wirtschaftsdaten gemeldet, die insbesondere den Aktienmarkt in Hong Kong stimulieren. Bei den in Asien engagierten Investoren hat auch die Aufnahme Chinas in den MSCI Emerging Markets für Aufmerksamkeit gesorgt. Der neue Fünf-Jahres-Plan, den die chinesische Regierung letzten Monat enthüllte, sieht eine zunehmende Industrialisierung der Wissenschaft vor. China stellt gut ein Fünftel der Weltbevölkerung. Mit seinen 56 anerkannten ethnischen Gruppen und deren vielfältigen Genprofilen ist es ein wahres Paradies für Gen-Analytiker. Genproben der - kostbaren und von Durchmischung bedrohten - chinesischen Minderheiten werden in einem nationalen Depot gesammelt. Interessant ist in diesem Zusammenhang das nicht besonders ausgeprägte Verständnis von geistigem oder genetischem Eigentum. Gemäß der mehr als zweitausend Jahre alten Tradition des Konfuzianismus zählt die Gemeinschaft weitaus mehr als das Einzelwesen. In der Praxis heißt das, dass chinesische Forscher zwar andere an ihrem Genpool partizipieren lassen, jedoch - trotz Betonung des Spenderschutzes - nicht wirklich einsehen, warum das Sammeln von Genproben einer persönlichen Einwilligung (informed consent) des Betroffenen bedarf. Dass ihnen von der westlichen Kultur geprägte Regeln aufoktroyiert werden sollen, interpretieren sie als Kolonialismus. So steht zu befürchten, dass ein angemessener Patienten- und Ressourcenschutz nicht gewährleistet ist und eine Ausbeutung der chinesischen Bevölkerung für kommerzielle Zwecke kaum noch zu verhindern.

Auch mit dem Problem der Eugenik wird wesentlich lockerer umgegangen. Die Aussicht auf Eingriffe ins Genom, ob therapeutischer oder kosmetischer Art, erweckt überwiegend Optimismus, Stammzellenforschung und Keimbahntherapie werden befürwortet, kurz gesagt legt das China National Center for Biotechnology and Development vor allem Wert darauf, dass "der Fortschritt nicht behindert wird."

Das erfolgreiche Klonen von Dolly, dem Schaf provozierte China zu der offiziellen und gewagten Ankündigung es mit einem Pandabären versuchen zu wollen. Im Juni letzten Jahres kündigte Chen Dayuan, Zoologe von der Pekinger National Academy Of Sciences an, dass innerhalb der nächsten drei Jahre eine Ersatzmutter gefunden und das Klon-Pandababy zur Welt bringen wird. Das Landwirtschaftsministerium hat sechs Lizenzen für kommerzielle Produktion von GM-Saatgut vergeben, darunter eine für Baumwollkapselkäfer-resistente Baumwolle, zwei für langsam reifende und virus-resistente Tomaten und jeweils eine für Petunien und süßen Pfeffer. Schätzungen zufolge sind zwischen 1, 5 und 2 Millionen Morgen des Landes mit GM-Saatgut, vor allem Reis bepflanzt. So wurde in mehreren Landkreisen der östlichen Provinz Zhejiang schon Anfang dieses Jahres Herbizid-resistenter Genreis zum Verkauf freigegeben. Auch genmanipulierte Riesenkarpfen sind zu haben. Befürchtungen von Umweltaktivisten bezüglich Langzeitrisiken und "Superunkraut" werden nicht gerade zerstreut von der Tatsache, dass es in China für genmanipuliertes Saatgut keine Gesetzgebung gibt. Dass es zum Einhalt gebieten ohnehin zu spät sei, erklärte Dr. Yin Tiejin vom "Food and Nutrition Department of Zheijiang University" gegenüber dem Nachrichtendienst globalinfo.org: Schließlich sei das Essen vieler Chinesen schon seit langem genmanipuliert - dank des Sojaöls aus den Vereinigten Staaten.