Gene werden von genveränderten Pflanzen auf Bakterien übertragen

Deutsche Wissenschaftler erbringen ersten empirischen Nachweis

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Meist heißt es ja von Seiten der Industrie, dass gentechnisch veränderte Pflanzen kein Risiko für die Umwelt darstellen, zumal die neu eingebrachten Gene nicht auf andere Organismen überspringen könnten. Deutsche Wissenschaftler haben jetzt jedoch entdeckt, dass genetisches Material aus dem Genom der veränderten Mais- und Rapspflanzen in Darmbakterien von Honigbienen gelangt war.

Ungewöhnlich ist das eigentlich nicht, denn Bakterien nehmen fortwährend genetischen Code von anderen Bakterien und ihrer Umwelt auf. Gleichwohl könnte eine Übertragung von Genen von einer genveränderten Pflanze auf Mikroorganismen durchaus eine Bestärkung der Kritiker der Gentechnik sein, die schon seit langem vor den unkalkulierbaren Risiken warnen. Die Wissenschaftler selbst aber versuchen jetzt, nachdem ihr Forschungsergebnis zunächst im ZDF als "Sensation" dargestellt wurde, dieses ein wenig herunter zu spielen und zu betonen, dass für Umwelt und Mensch daraus keinerlei Gefahr abzuleiten sei. "Das muss in jedem Falle geprüft werden. Ich nehme derartige Studien sehr ernst", sagte andererseits Ulrike Riedel, beim Bundesgesundheitsministerium zuständig für gentechnische Fragen, gegenüber dem ZDF. "Und derartige Studien sind immer ein Anlass, erneut zu prüfen, ob die Unbedenklichkeit wirklich gegeben ist."

Hans-Hinrich Kaatz von der Universität Jena und Stefan Wölfl vom Jenaer Hans-Knöll-Institut untersuchen in einem vierjährigen, vom Bundeswissenschaftsministerium geförderten Projekt die "Wirkung transgener Pflanzen auf die Honigbiene". Selbst unter extremen Bedingungen können sie Gefahren für die Biene durch transgene Mais- und Rapssorten "weitestgehend" ausschließen, versichern die Wissenschaftler. Es handelte sich dabei um genveränderte Pflanzen, die gegen ein Herbizid resistent waren. Auch Auswirkungen auf den Menschen seien "mit großer Wahrscheinlichkeit" auszuschließen. Wie sich die Wissenschaftler allerdings da so sicher sind, ist doch auch wieder seltsam, denn das könnte ja auch von der Art der Gene abhängen, die in Pflanzen eingebaut und dann über den Verzehr der Pflanzen direkt oder beispielsweise über den Honig von Bienen in den Körper des Menschen gelangen können. Kaatz und Wölfl erklären sicherheitshalber: "Hier laufen Untersuchungen, allerdings nicht bei uns."

In ihren Untersuchungen haben sie aber bei Bakterien und Hefe, die im Bienendarm leben, Gene von den genveränderten Pflanzen gefunden. Die Wissenschaftler haben für ihre Versuche Bienenvölker in Zelten auf Feldern mit genveränderten Pflanzen untergebracht. Die Bienen können nur in die Stöcke, indem sie eine Pollenfalle passieren. Dabei werden die Pollen abgestreift, die von den Wissenschaftlern an Jungbienen verfüttert wurden. Später wurde das Genom der Mikroorganismen aus dem Darm dieser Bienen untersucht. "Dass diese Mikroorganismen grundsätzlich in der Lage sind, fremde genetische Informationen aufzunehmen, vermuten wir seit längerem", so Stefan Wölfl. "Dies geschieht aber nur in sehr seltenen Fällen." Unbekannt ist allerdings noch, wie lange die fremden Gene in den Mikroorganismen bleiben und ob sie dort aktiviert werden. Gleichwohl beteuern die Wissenschaftler, dass es "nach derzeitigem Kenntnisstand keine Veranlassung (gibt), sich um die Gesundheit von Mensch und Tier Sorgen zu machen."

Da sind dann wahrscheinlich nicht alle beruhigt, zumal seit kurzem klar ist, dass auch in Europa längst in großem Maßstab genveränderte Pflanzen ohne jede Kontrolle angebaut werden, auch wenn dies eigentlich noch verboten ist. Wie sich letzte Woche herausstellte, ist in Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Schweden "versehentlich" genmanipulierter Raps aus Kanada angebaut worden (Versehentlicher Anbau von genverändertem Raps). Überdies wurde in Honig aus der Umgebung von britischen Versuchsfeldern Spuren von Pollen genveränderter Mais- und Rapsarten gefunden. Inzwischen hat Hi-Bred, einer der weltweit führenden Saatguthändler, eingeräumt, dass regelmäßig bis zu 15 Prozent des nach Europa gelangten Mais genverändert sein können. Bei Untersuchungen ergab sich, dass die Vermischung von genveränderten Samen in normales Saatgut weit verbreitet ist.