"Gentechnik ist nicht sexy!"

Proteste gegen den "Wissenschaftssommer" diese Woche in Berlin

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Die Kirche macht es vor. Auf dem Berliner Gendarmenmarkt wirbt sie mit einem großen Banner für die Besichtigung des Französischen Doms: "Der Dom ist offen". Die Wissenschaft macht es nach. Während des Berliner Wissenschaftssommers, dessen Programm am Donnerstag im (ebenfalls am Gendarmenmarkt gelegenen) Wissenschaftsforum vorgestellt wurde, öffnet sie ihre Pforten. Im Schwerpunkt stehen dieses Jahr die "Lebenswissenschaften".

Die Wissenschaft ist aufgebrochen, ihre gesellschaftliche Verantwortung wahrzunehmen, also Wissenschaft transparent zu machen, die Vielfalt und auch Widersprüchlichkeit von Wissen aufzuzeigen und all dies offen und partnerschaftlich mit dem Bürger zu diskutieren

- so sieht es Manfred Erhardt, Generalsekretär im Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft.

"Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gehen auf die Marktplätze. Sie gehen in Kaufhäuser und erklären den Menschen, woran sie forschen und welchen Nutzen jeder Einzelne davon hat", sagt Wolf-Michael Catenhusen, Staatssekretär im BMBF. Das hört sich lustig an, ist aber ein bisschen gelogen. Denn keine einzige der vielen hundert Veranstaltungen zum Wissenschaftssommer findet in einem Kaufhaus oder auf dem Wochenmarkt statt. Dennoch: "Auf gleicher Augenhöhe", das sagt Catenhuse, wollen die Wissenschaftler mit den Menschen diskutieren.

Daraus scheint nun eher ein Kampf "Aug um Aug" zu werden. Denn offenbar lässt die betont offenherzige Dialogbereitschaft der Veranstalter wirklich überzeugten Gegnern keine andere Wahl als die Aufkündigung des liberalen Diskursrahmens.

"Gentechnik - interessiert uns brennend" ist das Motto eines anonymen Protestaufrufes (s. Berliner Zeitung vom 25.08.01). Das Motto bezieht sich auf einen Brandanschlag auf das fahrbare Genlabor des BMBF im vergangenen Jahr. Ebenfalls anonym hat eine Gruppe von "GENervten" Berlinern dazu aufgerufen, am Mittwochabend bei der Auftaktveranstaltung des Wissenschaftssommers (mit Gerhard Schröder und Frank Elstner!) im Daimler-Chrysler-Gebäude auf dem Potsdamer Platz die Eingänge zu blockieren: "So wollen wir unserer Kritik an der Gentechnik Ausdruck verleihen", heißt es in dem anonymen Schreiben. Die GENervten Dialoggegner können auch schon einen ersten Erfolg für sich verzeichnen: Die Auftaktveranstaltung, zu der unter anderem Detlev Ganten (Aufsichtsratvorsitzender des biomedizinischen Forschungscampus Berlin-Buch) und Hans-Olaf Henkel erwartet werden, findet nun, bei großem Polizeiaufgebot, im geschlossenen Rahmen statt. Das ist schlechte PR für die Wissenschaft im Dialog.

Außerdem ist für den Mittwoch noch eine ganz legale Kundgebung unter dem Motto Gentechnik ist nicht sexy! geplant. Die Polizei will die Demonstration jedoch vom Marlene-Dietrich-Platz, wo auch ein Teil der offiziellen Feier stattfindet, an die Potsdamer Straße einige hundert Meter weiter weg verlegen. Angemeldet hat die Demonstration der Berliner PDS-Abgeordnete Steffen Zillich. Veranstalter ist ein "Bündnis gentechnikkritsicher Gruppen", zu dem sich Antifa-Gruppen, die Holy Church of DANN, feministische Gruppen, die Jungdemokraten Junge Linke, die BUND-Jugend und das Barnimer Aktionsbündnis gegen gentechnische Freilandversuche zusammengeschlossen haben. Auf dem Aufrufplakat steht:

Statt von der Gentechnik zu einem Risiko gemacht zu werden, werde zum Risiko für die Gentechnik.