Gesund ernähren?

Grundsätzlich wird dem Essen zu wenig Zeit eingeräumt. Unter Geringverdienern gab jeder Dritte an, für eine gesunde Ernährung fehle ihm das Geld. Ebenfalls einem Drittel fehlen die Kochkenntnisse

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Essen und Trinken sind natürliche Bedürfnisse des Menschen, biologische Vorgänge, die sich über lange Zeiträume hinweg entwickelt haben. Doch in der modernen Zivilisation bleibt immer weniger Zeit für die Nahrungsaufnahme. Man ernährt sich nicht mehr gesund, sondern konsumiert minderwertige Lebensmittel. Ernährungsbedingte Krankheiten sind die unmittelbaren Folgen. Auch geht die Hektik des Alltags einher mit dem Verlust sozialer Esskultur.

Grundsätzlich wird dem Essen zu wenig Zeit eingeräumt. Nach einem langen Arbeitstag werden Fertiggerichte aufgetaut und erhitzt. Alleinstehende schieben sich das Brot in den Mund, während sie lesen, fernsehen, oder am PC arbeiten. Wer eine Familie hat, isst eher mit anderen gemeinsam als allein lebende Personen. Doch auch Familien kommen immer seltener dazu, gemeinsam zu essen. Laut einer Umfrage saßen 62 % der Befragten nicht gemeinsam bei Tisch.

In einer Umfrage der Techniker-Krankenkasse von 2013 stuften nur 26 Prozent aller Befragten Essen als "sehr wichtig" ein. Ein Drittel aller Berufstätigen beschwerte sich darüber, dass eine gesunde Ernährung am Arbeitsplatz nicht möglich sei. Schuld daran sei der berufliche Stress. Jeder zweite Berufstätige gab an, in den kurzen Mittagspausen nicht genügend Zeit zu haben, um in Ruhe zu essen.

Besonders die Jüngeren unter 25 klagten darüber. Jeder Zehnte schiebt sich zwischendurch einen Schokoriegel rein. Vier von zehn Berufstätigen fehlt Wille und Durchhaltevermögen, um sich gesünder zu ernähren. Die Hälfte gab Zeit- und Disziplinmangel an. Zeitmangel herrscht auch in Familien mit vielen Kindern. Auch wer krank ist, kümmert sich wenig um die gesunde Ernährung: Sechs von zehn Kopfschmerzpatienten vergessen bei der Arbeit genug zu trinken. Unter den Geringverdienern gab jeder Dritte an, für eine gesunde Ernährung fehle ihm das Geld. Ebenfalls einem Drittel fehlen die Kochkenntnisse.

Zu spät essen macht krank

Häufig lassen die hektischen Lebensumstände keine Zeit für geregelte Mahlzeiten, Frustessen und Übergewicht sind die Folge. So nimmt die Anzahl übergewichtiger Menschen in Deutschland zu. Laut einem DKV-Report von 2012 sind mehr als die Hälfte aller Männer und 41 Prozent aller Frauen übergewichtig.

Eine der Ursachen könnte sein, dass die tägliche Hauptmahlzeit abends eingenommen wird. Doch das ist auf Dauer ungesund. Denn wer spät abends üppig isst, bei dem steigen Blutzucker- und Insulinspiegel. Ist dieser zu hoch, wird nachts kaum Fett abgebaut. Wer hingegen die größere Mahlzeit morgens einnimmt, bei dem hält das Sättigungsgefühl länger an.

Denn nach neuesten Erkenntnissen ist das regelmäßige Essen wichtiger als die Gesamt-Tagesbilanz der Kalorien. Früher waren drei Mahlzeiten üblich, heute ist ihre Anzahl auf fünf gestiegen mit einer Pause von dreieinhalb Stunden. Wer drei geregelte Mahlzeiten am Tag mit vier bis fünf Stunden Pausen dazwischen und einer kleinen Abendmahlzeit einnimmt, verliert am ehesten an Gewicht, denn nur, in einer längeren Essenspause sinkt der Insulinspiegel und verbrennt Fett.

So verloren in einer spanischen Diätstudie mit 420 übergewichtigen Probanden vor allem diejenigen an Gewicht, die ihre Hauptmahlzeit vor 15 Uhr einnahmen. Alle, die zu einem späteren Zeitpunkt aßen, wiesen eine reduzierte Insulinsensibilität auf und damit ein erhöhtes Risiko, an Diabetes zu erkranken.

Zu ähnlichen Ergebnissen kam ein Experiment in Japan. Hier nahmen Studenten ab 19.00 Uhr die Hälfte ihrer täglichen Kalorienmenge auf. Danach schliefen sie von 1:30 Uhr bis 8:30 Uhr. War die Insulinproduktion zu Beginn der Nacht noch viel zu hoch, stoppte sie um 6 Uhr morgens. Nach drei Wochen produzierten ihre Körper nicht mehr genug Insulin für die tagsüber verzehrte Mahlzeit - das Frühstadium von Diabetes mellitus war erreicht.

Auf das eigene Hungergefühl hören

Jeder Mensch hat seinen eigenen biologischen Rhythmus. Dieser beeinflusst Blutdruck, Herz- und Atemfrequenz, Nieren- und Leberfunktion und Hormonhaushalt. Beim Essen kommt es darauf an, auf eigene Körpersignale zu vertrauen und ein natürliches Gefühl für Hunger und Sättigung zu entwickeln. Das von Natur aus eintretende Hungergefühl hält sich sogar von allein an den 4-5-Stunden-Rhythmus - wenn man es lässt.

Das zeigen die so genannten Andechser Bunkerexperimente, durchgeführt zwischen 1964 und 1989. Bei Menschen, die längere Zeit in künstlicher Zeitlosigkeit verbrachten, stellte sich alle vier bis fünf Stunden ein Hungergefühl ein, so dass sie bald von selbst drei Mahlzeiten am Tag zu sich nahmen.

Auch eine Studie der Medizinischen Universität Florenz kommt zu dem Schluss, dass man nur dann essen sollte, wenn man wirklich Hunger hat. Etwa 70 übergewichtige Personen mussten täglich ein Kilo Gemüse und Obst essen und sich eine halbe Stunde bewegen. Innerhalb von sieben Wochen lernten die Teilnehmer, nur bei echtem Hungergefühl zu essen.

Nach fünf Monaten nahmen sie von selbst täglich drei Mahlzeiten ein. Außerdem hatten sie durchschnittlich 6,7 Kilo verloren. Bei weniger Kalorienzufuhr und Schlafbedarf war auch der Blutzuckerwert gesunken. 1

Gesund ohne Fleisch

Die Freiheit zu konsumieren was man will, bedeutet auch, verzichten zu dürfen, worauf man will. So verzichten immer mehr Menschen auf Fleisch: 2014 bezeichneten sich selbst rund 5,31 Millionen Deutsche, älter als 14 Jahre, als Vegetarier (= 6,5 % der Gesamtbevölkerung). Schon länger weisen: http://media.jamanetwork.com/news-item/vegetarian-diets-associated-with-lower-risk-of-death/ Wissenschaftler darauf hin, dass Vegetarier und Veganer seltener übergewichtig und weniger anfällig gegenüber Diabetes, Bluthochdruck und Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind. Unterm Strich leben sie gesünder und damit länger.

Vegetarismus, besonders Veganismus, steht bei vielen für ein Leben voller Verbote und Selbstbeschränkungen, und das mitten in einer Wohlstandsgesellschaft, in der man jederzeit billiges Fleisch im Supermarkt kaufen kann. So galten in den 1970er Jahren Vegetarier noch als mangelernährt. Tatsächlich weisen konsequent vegan lebende Menschen einen Mangel an Vitamin B12 sowie an Eisen auf. Durch die gezielte Einnahme von Vitamin B12 und Nahrungsergänzungsmitteln ist dieser allerdings leicht zu beheben.

Vegane Küche: schmackhafter als gedacht

Ausgewogen soll die Ernährung sein, betonen Ernährungsexperten. Ausgewogen kann auch eine Mahlzeit sein, die nur aus pflanzlichen Zutaten besteht. Dafür sorgt ein breit gefächertes Angebot an Gemüse, Obst und Getreide: Kartoffeln, Karotten, Tomaten, Salat, Kohl, Obst, Nudeln, Hirse, Buchweizen, Maisgries, Reis, Brot, Hülsenfrüchten, Nüsse und Samen, Haferflocken, Nüsse, Trockenobst, Sonnenblumen- und Kürbiskerne, Kräuter, Gewürze.

Aus diesen Zutaten ein schmackhaftes Essen zuzubereiten, sollte kein Problem sein - auch für Menschen mit wenig Geld - vor allem wenn man regionales Gemüse der Saison bevorzugt. Wer Kräuter, Gemüse und Salate aus dem eigenen Garten oder vom Balkon nutzen kann, ist zusätzlich im Vorteil.

Im Trend liegt vor allem die gemüsebetonte Küche. Vegane Produkte gehören heute außerdem ins Sortiment eines jeden gut sortierten Lebensmittelladens. Der Übergang hin zum fleischlosen Lebensstil ist fließend, denn neben Veganern, Vegetariern, Rohköstlern und Frutariern gibt es auch die Flexitarier, die sich hin und wieder ein Stück Fleisch oder Wurst gönnen.

Positive Auswirkungen auf die Gesundheit soll ein hoher Verzehr von rohem Obst und Gemüse haben. Eine Befragung von Rohköstlern im Jahr 2008 ergab, dass die Rohkost-Ernährung die Gesundheit der Mehrheit der Befragten grundsätzlich fördert und ihre Leistungen steigert. Rohkost reduziere zum Beispiel das Risiko, an Krebs zu erkranken.

Kochen lernen in der Schule

Kinder, die morgens zu wenig essen, sind im Unterricht reizbar, nervös und unkonzentriert. Eine HBSC-Studie (Health Behaviour in scool-aged children) aus den Jahren 2009/10 kam zu dem Ergebnis, dass nur etwa drei Viertel aller Elfjährigen an Schultagen regelmäßig frühstücken.

Vor dem Gang zur Schule frühstückte nur jedes zweite Kind gemeinsam mit seiner Familie, jedes sechste Kind aß vor der Schule gar nichts. Vor allem Jugendliche neigen dazu, umso unregelmäßiger zu frühstücken, je älter sie werden.

Fertigprodukte und kalorienreiche Snacks können ein vollwertiges Frühstück nicht ersetzen. Ohne gemeinsame Mahlzeiten gibt es weniger Kommunikationsmöglichkeiten innerhalb der Familie. Außerdem geht das Wissen um Vielfalt und Regionalität der Speisen verloren.

Andererseits gaben in einer Umfrage vor drei Jahren 82 Prozent der deutschen Schülerinnen und Schüler an, auf eine gesunde Ernährung zu achten. 70 Prozent wollen in der Schule Kochen lernen . Die wenigsten von ihnen hatten dazu allerdings die Möglichkeit.

Seit 2007 können Pädagoginnen und Pädagogen in Kursen der Sarah-Wiener-Stiftung erlernen, wie man Kinder im Kochen unterrichtet. Außerdem haben rund 2500 Kinder im Jahr Gelegenheit, auf Bauernhöfen mitzuarbeiten, und unmittelbar zu erleben, woher das Getreide kommt, wie Brot gebacken wird und wie Tiere gehalten werden. Kinder, die derartige Erfahrungen machen, "ernähren sich nicht nur gesünder, sondern verhalten sich langfristig nachhaltiger gegenüber ihrer Umwelt", erklärt die Stiftungsgründerin.

Auch die Slow-Food-Bewegung will nicht nur die Kultur des Essens und Trinkens wieder lebendiger machen, sondern auch eine verantwortungsvolle Landwirtschaft mit regionaler Geschmacksvielfalt fördern. Und ganz nebenbei vermittelt sie dem Verbraucher, dass bewusstes Essen etwas anderes ist als schnelles Konsumieren.

Buchtipp: Jan Chozen Bays: Achtsam essen. Arbor Verlag, 2009