Getreide aus Ukraine: Warum sich Polen und andere gegen Importe stemmen

(Bild: Carlos Barengo, Pixabay)

Osteuropäische Länder fordern längeren Importstopp für ukrainisches Getreide. Wolodymyr Selenskyj schäumt. Welche Wege und Alternativen gibt es jetzt?

Was passiert nach dem Auslaufen des Getreideabkommens mit dem Getreide aus der Ukraine? Mit dieser Frage beschäftigt sich nicht nur der neue Nato-Ukraine-Rat am Mittwoch, auch in der Europäischen Union sind hitzige Debatten darüber entbrannt.

Am 15. September läuft das EU-Importverbot für Weizen, Mais, Raps und Sonnenblumenöl aus der Ukraine aus. Polen, Ungarn, Bulgarien, die Slowakei und Rumänien haben nun aber beantragt, das Importverbot bis Ende des Jahres zu verlängern. Das erklärte der spanische Landwirtschaftsminister Luis Planas Puchades am Dienstag. Er äußerte sich in seiner Funktion als Vorsitzender des EU-Rates für Landwirtschaft und Fischerei.

Mit scharfen Worten hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj auf die Forderung der Nachbarstaaten reagiert. "Jede Verlängerung dieser Einschränkung ist absolut inakzeptabel und nicht europäisch", schimpfte er am Montagabend in seiner täglichen Videobotschaft.

Mit seinem Urteil liegt Selenskyj falsch. Denn die fünf Länder wollen keineswegs ihre Grenzen für ukrainische Agrarprodukte schließen. Der Transit bleibt gewährleistet, nur im eigenen Land darf das Getreide nicht verkauft werden.

Märkte in Osteuropa überlastet

Schon im Frühjahr hatten die Staaten beklagt, dass das ukrainische Getreide zwar bei ihnen ankommt, aber liegen bleibt und letztlich die Marktpreise bei ihnen drückt.

Ein Grund dafür ist die schiere Menge an ukrainischem Getreide, die auf dem Landweg transportiert werden muss. Vor dem Krieg gelangten etwa 5.800 Tonnen Mais aus der Ukraine nach Polen. Im vergangenen Jahr waren es über 1,8 Millionen Tonnen.

Auch die Transportkosten spielen eine große Rolle. Auf der europäischen Route machten sie bis zu 40 Prozent des Endpreises aus, erklärte eine Vertreterin der EU-Kommission im Frühjahr. Vor dem Krieg seien es dagegen nur rund zehn Prozent gewesen. Wegen dieser Zusatzkosten ist ukrainisches Getreide kaum wettbewerbsfähig.

Die Europäische Union will nach wie vor, die Ukraine beim Export seines Getreides zu unterstützen. Doch die Probleme sind seit dem Frühjahr nicht gelöst worden, wie Telepolis aus Diplomatenkreisen erfuhr. Hauptprobleme seien weiterhin die logistischen Kosten und die Lagerkapazitäten.

Alternativen um Export über die EU

EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski versprach nun zwar, dass man knapp vier Millionen Tonnen Ölsaaten und Getreide pro Monat aus der Ukraine abtransportieren wolle. Aber die Europäische Union müsse noch einen gemeinsamen Plan ausarbeiten, wie die zusätzlichen Transportkosten gedeckt werden sollen. EU-Mitglied Litauen hat der EU-Kommission jetzt vorgeschlagen, ukrainisches Getreide über fünf Häfen im Baltikum abzufertigen. Die Häfen in Estland, Lettland und Litauen hätten zusammen eine Exportkapazität von 25 Millionen Tonnen Getreide, heißt es in dem Schreiben aus Vilnius, aus dem Reuters zitiert.

Einen ähnlichen Vorschlag hatte im vergangenen Jahr auch der weißrussische Präsident Alexander Lukaschenko gemacht, war damit aber bei der Europäischen Union auf taube Ohren gestoßen. Der Vorteil dieser Route: Die Eisenbahnen der Ukraine, Weißrusslands und der baltischen Staaten sind auf russischer Spurweite gebaut. Für einen Export über Polen müsste das Schienensystem erst aufwändig angepasst werden.

Eine weitere Möglichkeit wäre die Wiederbelebung des Getreideabkommens mit Russland. Dazu müsste die EU aber auf Russland zugehen und einen Teil der Sanktionen lockern. Wie Telepolis aus Diplomatenkreisen erfuhr, bügelt der Auswärtige Dienst der EU jedoch die russische Sicht der Probleme ab und versucht, sie nach außen als Propaganda zu verkaufen. Das steht allerdings im Widerspruch zu den eigenen Vorschlägen.

Russische Forderungen und Reaktionen

So hatte Russland gefordert, die Landwirtschaftsbank wieder an das Swift-Zahlungssystem anzuschließen, damit Getreide- und Düngemittellieferungen bezahlt werden können. Im Getreideabkommen war dieser Punkt festgehalten worden.

Umgesetzt hat die Europäische Union diesen Punkt jedoch nicht. In Brüssel schlug man stattdessen vor, eine neue Bank zu gründen, um die Finanzgeschäfte abwickeln zu können. Im Kreml wurde dies als "bewusst undurchführbarer Plan" bezeichnet, berichtete dpa. Denn es würde Monate dauern, eine solche Bank an Swift anzuschließen.

Während Russland nun die Donauhäfen der Ukraine bombardiert und den Getreideexport auf dieser Route versucht zu unterbinden, steuert die Welt auf eine neue Rekordernte von Getreide zu.

In einer Marktanalyse ging die EU-Kommission kürzlich noch davon aus, dass die weltweite Getreideproduktion um rund zwei Millionen Tonnen leicht sinken und sich auf 2.292 Millionen Tonnen belaufen wird. Die Analyse stützte sich auf eine Prognose des Internationalen Getreiderates (IGC). In seinem jüngsten Report geht der IGC jetzt aber von einem Anstieg der weltweiten Produktion aus.

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