Getreideernten – besser als erwartet

Der Bauernverband klagt über enorme Ernteverluste. Bei genauem Hinsehen ist die Ernte besser als im Vorjahr. Werden hier Ängste vor "Nahrungsunsicherheit" geschürt, um längst fällige Naturschutzmaßnahmen zu kippen?

Auf 43 Millionen Tonnen Getreide schätzt der Deutsche Bauernverband (DBV) die diesjährige Erntemenge. Damit wurden knapp zwei Prozent mehr geerntet als im vergangenen Jahr mit nur 42 Millionen Tonnen. Allerdings liegt die aktuelle Erntemenge mit 45,6 Millionen Tonnen immer noch deutlich unter dem Durchschnitt der Jahre 2014 bis 2021. Allerdings wurde das extreme Trockenjahr 2018 in dieser Rechnung ausgeklammert.

Zwar sei die diesjährige Getreideernte quantitativ im Vergleich zum Vorjahr etwas besser ausgefallen, die Qualität speziell beim Weizen ließ aber vielfach zu wünschen übrig, hieß es. Für die einzelnen Getreidearten seien die Ergebnisse recht unterdurchschnittlich. Auch die regionalen Unterschiede seien noch stärker ausgeprägt als in den Vorjahren.

Bei Winterweizen etwa wurde auf einer Fläche von knapp drei Millionen Hektar im Bundesdurchschnitt ein Ertrag von 7,5 Tonnen pro Hektar erzielt. Bezogen auf die aktuelle Anbaufläche ergibt sich eine Erntemenge von 21,8 Millionen Tonnen. Dies seien zwar 800.000 Tonnen mehr als im Vorjahr, aber deutlich weniger als im Mittel der Jahre 2014 bis 2021 mit einer durchschnittlichen Erntemenge von knapp 24 Millionen Tonnen, klagt der DBV.

Laut Schätzungen der EU-Kommission wurden126 Millionen Tonnen Weichweizen – rund vier Millionen Tonnen weniger als 2021 – geerntet. Deutlich kleinere Ernten werden aus Frankreich, Rumänien, Ungarn, Bulgarien und Italien gemeldet. Nur die Landwirte in Polen, dem Baltikum, Tschechien und Dänemark holten mehr Weizen als im Vorjahr von den Feldern. Die EU-Exporte von Weichweizen lagen zuletzt bei 36 Millionen Tonnen – sieben Millionen Tonnen mehr als 2021. Dem entsprechend zogen die europäischen Weizenpreise Ende Juli kräftig an.

Bei Wintergerste konnte der Ertrag mit 9,3 Millionen Tonnen gegenüber dem Vorjahr sogar um fünf Prozent gesteigert werden. Auf einer Fläche von rund 1,2 Millionen Hektar wurden im Bundesdurchschnitt 7,7 Tonnen pro Hektar geerntet – eine halbe Tonne mehr als im langjährigen Mittel.

Beim Winterroggen reduzierte sich die Anbaufläche mit 590.000 Hektar unter Vorjahresniveau. Entsprechend sanken die Erntemengen auf rund drei Millionen Tonnen.

Die Erntemengen bei Sommergetreide stiegen vor allem wegen des Flächenzuwachses: So wurden 282.000 Tonnen Sommerweizen wurden auf rund einer halben Millionen Hektar geerntet, bei Sommergerste sogar rund zwei Millionen Tonnen von nur 370.000 Hektar.

Winterraps: Von rund einer Million Hektar – knapp neun Prozent mehr Fläche als im Vorjahr – wurden vier Millionen Tonnen geholt. Damit liegen die Rapserträge mit 3,7 Tonnen pro Hektar über dem Durchschnitt der Jahre von 2014 bis 2021.1

Herbstkulturen fallen dürftig aus

Mais, Kartoffeln und Zuckerrüben leiden in den Dürregebieten so massiv, dass regional erheblichen Ertragseinbußen zu erwarten sind. Auch für die Aussaat von Raps- und Zwischenfrüchten sei es vielerorts zu trocken, erklärt der DBV. Tierhalter müssen teilweise ihre die Wintervorräte anbrechen, um die Futterversorgung sicherzustellen. Die anhaltende Dürre werde beim Körnermais zu massiven Ertragsausfällen führen.

In Deutschland rechnen Getreidemarktexperten des Deutschen Raiffeisenverbands mit einem Verlust von knapp 600.000 Tonnen – etwa 15 Prozent der ursprünglich prognostizierten Erntemenge, wobei sich die Angebotsverknappung noch verschärfen könnte. Aufgrund der Trockenheit wird die Silomaisernte der viehhaltenden Betriebe ebenfalls geringer ausfallen. Um die dadurch entstehenden Lücken in der Futterversorgung zu schließen, dürften zusätzliche Flächen als Silomais abgeerntet werden, die ursprünglich für die Körnermaisernte vorgesehen waren.

Neun Millionen Tonnen Mais sollen voraussichtlich aus der Ukraine importiert werden. Ob das so umgesetzt wird, ist wegen des anhaltenden Konflikts und unsicheren Transportwegen allerdings ungewiss. Laut dem US-amerikanischen Landwirtschaftsbehörde (USDA) werden die EU-Maisimportevon 16 auf 19 Millionen Tonnen angehoben.

Analysten zu Folge soll sich ein Teil der Nachfrage nach Futtermais auf Futterweizen und Gerste verlagern. Je nachdem, wie viel Getreide die EU exportiert, kann eine geringere Verfügbarkeit von Mais das europäische Angebot an Weizen und Gerste weiter einschränken.

Bereits im Juli und im August hatte die EU knapp vier Millionen Tonnen Mais importiert: 2,2 Millionen Tonnen kamen aus Brasilien, 1,4 Millionen Tonnen aus der Ukraine. Der größere Teil ging nach Spanien, die Niederlande, Polen und Portugal. Nach Deutschland gingen gerade mal 60.000 Tonnen.