Gewalt überschattet Friedensgespräche

Israelische Regierung und palästinensische Extremisten gegen "Road Map"

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Mindestens sieben Israelis starben bei einem Bombenanschlag am Sonntagmorgen, als sich ein Palästinenser nahe einer israelischen Siedlung im besetzten Ost-Jerusalem in die Luft sprengte. Mindestens 20 Israelis wurden verletzt. Wenig später kam es zu einer zweiten Explosion an einem der israelischen Militärkontrollpunkte in Ost-Jerusalem. Nach unprüfbaren Angaben der israelischen Armee wurde der Attentäter selbst getötet, ansonsten aber niemand verletzt. Ungewöhnlicherweise verhängte die Polizei eine Informationssperre über den Anschlag, Berichterstattung über seine Einzelheiten "führt zu Strafverfolgung".

Bereits in der Nacht zum Sonntag rückten Einheiten der israelischen Armee wieder nach Ramallah vor. Die Bewohner wurden um zwei Uhr nachts von heftigem Maschinengewehrfeuer und Panzergranaten geweckt und durften am Sonntag ihre Häuser nicht verlassen. Trotzdem konfrontierten Kinder und Jugendliche die patrouillierenden Militärjeeps mit Steinen. Israelische Einheiten marschierten ebenfalls nach Nablus im zentralen Westjordanland ein. Angaben zu Verhafteten, Verwundeten oder Toten liegen noch nicht vor. Informationsbeschaffung wird durch die Ausgangssperre erheblich erschwert.

"Die palästinensische Autonomiebehörde muss den mörderischen Anschlägen ein Ende setzen und die notwendigen Schritte zur Verhinderung dieses Terrors gegen unschuldige Israelis in den Herzen unserer Städte unternehmen", so ein Sprecher des israelischen Ministerpräsidenten Ariel Scharon am Sonntag. Palästinenser weisen jedoch darauf hin, dass ihre Sicherheitseinrichtungen nach deren Zerschlagung durch die Armee erst wieder aufgebaut werden müssen. Zudem sind die Reste der palästinensischen Polizei in Ramallah nun auch von der Ausgangssperre betroffen. Außerdem seien die israelischen Bewohner Ost-Jerusalems nicht "unschuldig", sondern beteiligten sich an der Vertreibung der Palästinenser dort.

Am Samstag wurden zwei "unschuldige Zivilisten" in Hebron im südlichen Westjordanland bei einem Selbstmordanschlag getötet. Auf Grund der Präsenz von etwa 400 jüdischen Siedlern im Stadtkern ist Hebron faktisch geteilt. Das Zentrum wird von der Armee kontrolliert. Die dortigen Siedler sind schwer bewaffnet und besetzen unter dem Schutz der Soldaten immer mehr Häuser. Um die Bewegungsfreiheit der Siedler zu gewährleisten, leben im Zentrum etwa 25.000 Palästinenser unter Ausgangssperre. "Heute ist der 182. Tag", so einer der Bewohner gegenüber telepolis am Sonntag. "Manchmal dürfen wir für einige Stunden raus. Aber die Altstadt ist tot, Ladenbesitzer dürfen ihre Tore nicht mehr öffnen, ob mit oder ohne Ausgangssperre." Die Stimmung in der Stadt ist nach dem Selbstmordanschlag angespannt. In der Nacht zum Sonntag beschossen Soldaten das Haus der Familie des Attentäters im theoretisch palästinensisch kontrollierten Teil Hebrons. Die Anwohner rechnen mit seiner baldigen Sprengung.

Trotz der anstehenden Umsetzung des neuen Friedensplanes, der "Road Map", und Vermittlungsbemühungen der USA, ging die israelische Armee schon in der letzten Woche blutig gegen palästinensische Ortschaften im nördlichen Gazastreifen vor. Alles geschieht unter dem Ausschluss der internationalen Öffentlichkeit, da israelische Behörden seit Anfang Mai nur noch Diplomaten in den Gazastreifen aus- und einreisen lassen. Auch medizinische und Lebensmittelhilfe wird unterbunden. Proteste auf höchster diplomatischer Ebene stoßen bei der Regierung von Premier Ariel Scharon auf taube Ohren. Médecins du Monde, eine französische NGO, hat seine Arbeit aus Protest gegen diese Behinderungen nun eingestellt.

Am Samstagabend traf sich Scharon mit dem palästinensischen Ministerpräsidenten Mahmud Abbas (Abu Masen) in seinem Amtssitz in West-Jerusalem. Abbas unterbreitete der israelischen Delegation Vorschläge für vertrauensbildende Maßnahmen wie ein Baustopp für jüdische Siedlungen in den Palästinensergebieten und die "Apartheid-Mauer" und die dadurch bedingten großräumigen Landenteignungen. Nach Angaben des palästinensischen Radios wäre Abbas zur Umsetzung der israelischen Forderungen ohne Gegenmaßnahmen bereit, sofern die Jerusalemer Regierung nur der Road Map zustimmte. Aber Israel lehnt diesen gemeinsamen Friedensplan von USA, Europäischer Union, Russland und Vereinten Nationen ab. Die Gespräche endeten wie erwartet ohne Ergebnis. Bisher wird der internationale Druck zur Umsetzung des Friedensplanes nur auf die palästinensische Seite ausgeübt. Scharon hat aufgrund der Anschläge den für Dienstag geplanten Besuch bei US-Präsident Bush abgesagt.

Peter Schäfer, Ramallah